Essen.

Thomas Kutschaty ist neuer Justizminister in Nordrhein-Westfalen. Für den 42-jährigen SPD-Landtagsabgeordneten, der erst 2005 ins Parlament kam, ist das ein kometenhafter Aufstieg.

Ein Essener als Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen? Manchem Älteren kommt da spontan der Name Diether Posser in den Sinn. Im Januar 2010 verstorben, gehört Posser zu den legendären, sehr angesehenen Figuren der NRW-Sozialdemokratie, das Ministeramt für Justiz füllte er von 1972 bis 1978 aus, und setzte dort Maßstäbe. Man darf vermuten: Er würde sich gefreut haben, dass seit Donnerstag ein anderer Essener, nämlich der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Kutschaty, in seine Fußstapfen getreten ist.

Für den Borbecker Rechtsanwalt Kutschaty, der überhaupt erst vor fünf Jahren ins Parlament kam, hat der Aufstieg ins Kabinett etwas kometenhaftes. Ursächlich dafür ist wohl, dass der 42-Jährige als Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur „Affäre Friedrich“ eine gute Figur machte und seine sachliche Art auch der damaligen Fraktionschefin Hannelore Kraft auffiel.

Wo Kutschaty bisher ein Abgeordnetenbüro und eine kleine Kanzlei „kommandierte“, sind die Dimensionen jetzt gänzlich andere. 250 Mitarbeiter zählt allein sein Ministerium, in den nachgeordneten Behörden, in Staatsanwaltschaften, Gerichten und Justizvollzugsanstalten arbeiten immerhin rund 40.000 Menschen in seinem Verantwortungsbereich. Zu verwalten ist ein Jahresetat von 3,5 Milliarden Euro. Die gestern vom neuen Minister verabschiedete Vorgängerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) musste bitter erfahren, was gerade in diesem riesigen Ressort so alles schief gehen kann. „Ich habe schon viel Respekt vor dem Amt“, gab der frisch vereidigte Minister gestern denn auch im WAZ-Gespräch zu.

Klassische Ochsentour

Das ist gewiss klug und dürfte mehr sein als eine Floskel. Auch Kutschaty ist ja keineswegs davor gefeit, Pannen zu erleben, für die er selbst nichts kann, die er aber als Ressortchef zu verantworten hätte. Die Opposition wird dann mit ihm kaum weniger hart umspringen wie es die SPD einst umgekehrt mit Müller-Piepenkötter tat. Er werde alles tun, um das Justizministerium künftig aus den negativen Schlagzeilen herauszuhalten, kündigte er gestern an. „Im Übrigen werde ich im Umgang mit Problemen einen anderen Stil pflegen.“

Das nimmt man ihm durchaus ab. Kutschaty ist ein ruhiger Typ, der recht belastbar wirkt. Auf seiner Internetseite nennt er als größte Stärken „gut zuhören und Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden“ zu können. Der dreifache Vater gibt sich als Familienmensch, der im Urlaub an die Nordsee fährt, „Lieblingsort“ sei nach wie vor die Geburtsstadt Essen und Lieblingsfilm „Der mit dem Wolf tanzt“ - „weil ich bei diesem Film meine Frau näher kennengelernt habe“. Als Politiker schätzt Kutschaty besonders Willy Brandt, als Schauspieler Heinz Erhardt. Der gesamte Internetauftritt atmet viel Besonnenheit und keinerlei Neigung zur Exaltiertheit.

Seine politische Laufbahn entspricht der klassischen Ochsentour, wie sie in Volksparteien noch immer üblich ist. Mit 18, noch als Schüler am Gymnasium Borbeck, trat er in die SPD ein, lokale Funktionen bei den Jusos und der Borbecker SPD schlossen sich an. Zehn Jahre, von 1989 bis 1999, tat er Dienst in der Borbecker Bezirksvertretung, bevor er kurz in den Rat kam und als Sachkundiger Bürger im Stadtplanungsausschuss mitwirkte. Alles zusammen wahrlich eine gute Schule in Sachen Bodenhaftung. Um die muss einem wohl auch jetzt nicht bange werden, da Kutschaty Dienstwagen, Fahrer und Personenschutz erhält.