Essen.

In der Ratsfraktion der Essener Linken gibt’s Probleme. Und die sind vor allem persönlicher Natur. Fraktionschef Hans Peter Leymann-Kurtz zieht viel Kritik auf sich. Nun will der neue Parteivorstand vermitteln. Doch die Gräben sind tief.

Aus zwei Parteien eine zu schmieden - das war für die Linke bundesweit keine ganz einfache Operation. In Essen, soviel ist sicher, gilt das umso mehr. Nach der Fusion von PDS und Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) ist die Kreispartei zwar äußerlich zusammengewachsen, steckt tatsächlich aber mitten in den Flegeljahren. Epizentrum der Querelen ist die fünfköpfige Ratsfraktion, die im Grunde aus zwei Teilen besteht. Die inhaltlichen Gräben sind schon beträchtlich, die persönlichen aber verlaufen noch viel tiefer. Und das ist in Parteien ja in der Regel das Entscheidende.

„Einflüsse haben sich geändert“

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„Die Einflüsse haben sich geändert. Wir sind eine junge Partei und nicht mehr die PDS oder die WASG.” Der, von dem dieses Zitat stammt, hat die jüngst erfolgte Neuwahl des Essener Parteivorstandes nach Punkten gewonnen, obwohl er persönlich gar nicht angetreten war. Hans Peter Leymann-Kurtz, aktueller Fraktionschef der Linken im Stadtrat und einer der Protagonisten des internen Streits, wird mit den neuen Vorstandsmitgliedern wenig Probleme kriegen, weil sie ihm überwiegend wohlgesonnen sind. Ohnehin ist es für den WASG-Mann nach dem Zusammenschluss mit der PDS und seit der letzten Kommunalwahl steil nach oben gegangen.

Inhaltlich steht der ehemalige Grüne und Attac-Aktivist eher für die „sozialistische Linke”, den gemäßigten Flügel der Partei. Eher dunkelrot ist das Profil seiner partei- und fraktionsinternen Widersacher: Die Ratsleute Wolfgang Freye und Gabriele Giesecke sind Sozialisten von altem Schrot und Korn, bewegen sich allerdings in sicherer Entfernung von der kommunistischen Plattform der Linken. Das Ehepaar gehörte schon zu den prominenten Gesichtern ihrer Partei, als die noch PDS hieß. Geschickt führte Gabriele Giesecke in der vergangenen Legislaturperiode den Flohzirkus der linken Parteien AUF, DKP und Die Linke im Stadtrat. Wolfgang Freye ist der Fraktionschef der Linken im Regionalverband Ruhr. Im politischen Alltagsgeschäft sind sie erfahren.

Bittere Erfahrungen seit der Kommunalwahl

Das schützte sie allerdings nicht davor, gänzlich neue und bittere Erfahrungen seit der vergangenen Kommunalwahl zu machen. Regelmäßig dürfen sie sich von Leymann-Kurtz und seiner 3:2-Mehrheit in der Fraktion überstimmen lassen. Stabile Basis für den Neu-Chef sind die junge Janina Herff und Claudia Jetter, eine Bekannte von Leymann-Kurtz unter anderem aus alten Attac-Zeiten.

Inhaltlich liegen Leymann-Kurtz und das Ehepaar Freye-Giesecke, das aktuelle und die ehemaligen Alpha-Tierchen, gar nicht so weit auseinander. Die simple WASG-PDS-Trennlinie greift auf der städtischen Ebene selten, höchstens wenn Leymann-Kurtz so genannter „linker Folklore” einen Riegel vorschieben will: So befürwortete er etwa, die Sonntags-Ladenöffnungszeiten auszuweiten.

Kurzerhand gekündigt

Die Basis des Konflikts ist aber persönlicher Natur. Schon lange werden Hans Peter Leymann-Kurtz, den ehemalige Grünen-Kollegen gerne als „Ein-Mann-Partei” bespötteln, autoritärer Führungsstil und mangelnde Einbindung der Basis vorgeworfen. Mit der ehemaligen Essener Linken-Vorstandschefin Cornelia Swillus-Knöchel soll es gar eine Auseinandersetzung am Rande der Handgreiflichkeit gegeben haben. Mit einem Federstrich hat er eine sakrale Tradition der Linken beseitigt und das Stimmrecht der sachkundigen Bürger und Bezirksvertreter in der erweiterten Fraktion gekippt. Damit sicherte er sich seine Meinungsherrschaft in der Ratspolitik. Auch an die Beschlüsse der Mitgliederversammlung fühlt sich der eloquente Fraktionschef nicht unbedingt gebunden. „Wir müssen ja schließlich auch den Kopf hinhalten”, sagt er.

Einen Proteststurm löste die Personalie Thorsten Janoff aus. Als Fraktionsgeschäftsführer und praktische Schaltstelle der Ratspolitik schickte der neue Chef Leymann-Kurtz dem alten Freye/Giesecke-Mann Janoff knallhart die Kündigung und hob damit nebenbei seinen Kollegen aus Grünen-Zeiten, Jörg Bütefür ins Amt. Bütefür waltet nun als kommissarischer Geschäftsführer. Er ist verheiratet mit Ratsfrau Claudia Jetter und stützt somit in mehrfacher Hinsicht die Machtbasis des Fraktionschefs. In der Partei musste Leymann-Kurtz für diese hemdsärmelige Art eine Menge Kritik einstecken.

Der neue Parteivorstand soll nun jedenfalls ohne die beiden vermeintlichen Störenfriede Gieseke/Freye Reformen beschließen und vermitteln. „Wir wollen das Stimmrecht der erweiterten Fraktion anpacken”, kündigt Birgit Petereit an, eine Kritik an Leymann-Kurtz zu entschärfen.

Suche nach Ausgleich

Was damit gemeint ist? Das wird noch auszuhandeln sein zwischen Partei- und Fraktionsspitze. Dass Leymann-Kurtz - er bestimmt die Geschäftsordnung der Ratsvertreter - die 3:2-Mehrheit durch das Stimmrecht der sachkundigen Bürger dauerhaft zu seinen Ungunsten verschieben wird, dürfte nicht passieren. Trotzdem versprechen sich die Linken von Petereit und dem, als neutral geltenden, Holger Vermeer an der Spitze mehr Ausgleich. Allerdings ist Birgit Petereit unerfahren, erst seit Herbst 2009 Parteimitglied. Vermeer ist da als alter Gewerkschafts-Hase und WASG-Mitgründer von anderem Kaliber.

Jedenfalls sitzt nun kein Freye/Giesecke-Mann mehr im neunköpfigen Vorstand, dafür aber alte und neue Kritiker des Ehepaars. „Ich hätte mir eine größere politische Breite gewünscht“, merkt Freye spitz an. Mag die konfliktmüde Basis sich also von der Neuwahl Ruhe gewünscht haben, realistisch erscheint dies derzeit nicht.