Essen.

Weil er im Baldeneysee schwimmen war, musste sich ein 71-jähriger Rentner aus Heisingen vor dem Amtsgericht verantworten. Eckhard Gollnow findet das „kleinlich“ - wollte er schließlich auf eigene Verantwortung baden. Seit 1971 ist das Gewässer für Schwimmer Tabu.

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Von DerWesten

Dienstamittag, Amtsgericht, Saal 43. Unter dem Geschäftszeichen 40 OWi 145/10 wird folgender Sachverhalt verhandelt: Der Rentner Eckhard Gollnow (71) aus Heisingen war im vergangenen Herbst im Baldeneysee schwimmen. Das darf man aber nicht. Gollnow soll 50 Euro Bußgeld und 23,50 Euro Verwaltungsgebühr zahlen. Dagegen hat er Einspruch eingelegt. Deshalb sitzt er nun hier im Gericht.

Gollnow stellt die Frage, die viele Bürger immer wieder stellen: „Wieso eigentlich ist Schwimmen im Baldeneysee verboten? Ein Schild habe ich jedenfalls nirgendwo gesehen!“ Die Richterin entgegnet kühl: „Im Warenhaus steht auch kein Schild, auf dem steht: Klauen verboten.“ Gollnow schweigt. Auf den Zuschauerstühlen im Gerichtssaal sitzt ein einziger Mann. Der ruft: „Ganz richtig! Der Mann hat doch Recht!“ Die Richterin mahnt zur Ruhe.

Schwimmen im Baldeneysee ist Ordnungswidrigkeit

Am Morgen des 5. September hatte die Essener Feuerwehr zufällig eine Übung am Ufer abgehalten. Kräfte des Johanniter-Rettungsdienstes entdeckten Gollnow im Wasser, luden ihn auf ihr Boot. „Ich wollte das gar nicht“, sagt Gollnow jetzt. Doch ihm blieb keine Wahl. Tage später bekam er Post, in der stand: „Ihnen wird zur Last gelegt, am 5. September gegen 9.30 Uhr außerhalb eines zugelassenen Freibades geschwommen zu haben.“

Wer im Baldeneysee schwimmt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Das ist so seit 1971. Danach war Schwimmen nur noch im Baldeney-Freibad erlaubt. Das schloss Mitte der 1980er Jahre die Becken, wurde ein „Licht- und Luftbad“. Heute ist dort die Strandbar „Seaside Beach“. Es gilt Paragraf 8, Absatz 1, der „Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Stadtgebiet Essen“. Danach ist „das Baden in öffentlich zugänglichen Gewässern außerhalb der zugelassenen Freibädern verboten.“

Die Richterin sagt zu Gollnow: „Man muss sich vorher erkundigen.“ Gollnow entgegnet: „Man kann sich doch nicht dauernd über alles erkundigen, da kommt man ja nicht mehr zum Schwimmen.“ Er habe für das Senioren-Sportabzeichen trainieren wollen. Von seiner Wohnung sind es nur wenige Schritte bis zum See. „Ich habe als Jugendlicher sämtliche Flüsse in Deutschland durchquert. Der Baldeneysee wird von allen Wassersportlern genutzt. Wer surft und vom Brett fällt, der schwimmt doch automatisch auch.“ Der Zuschauer im Saal nickt energisch.

„Bei mir war es pure Lebensfreude“

Das Wasser im Baldeneysee entspricht nicht der EU-Badegewässer-Richtlinie. Man kann nicht ausschließen, dass es bakteriell verunreinigt ist. Das gilt vor allem nach starken Regenfällen. Weil außerdem Schiffe auf dem See fahren, ist nach Ansicht des Ordnungsamts das Baden nicht ungefährlich. Man könnte natürlich fragen: Ist es nicht Gollnows Privatsache, ob er diese Risiken zu tragen bereit ist?

Immerhin: Die Polizei fährt selbst an heißen Tagen nicht extra Streife, um nach illegalen Schwimmern Ausschau zu halten - die Gefahr am Ufer, dass Inline-Skatern mit Radlern zusammenprallen, ist deutlich größer.

Auch solche Polizisten, die schon lange im Dienst sind, können sich nicht daran erinnern, dass häufig Badegäste aus dem Wasser gezogen werden mussten - es habe lediglich mehrere Fälle von „suizidaler Absicht“ gegeben, heißt es. - „Bei mir war es pure Lebensfreude“, sagt Gollnow. Die Richterin macht dem Rentner klar, dass das Gesetz nun mal so ist, wie es ist. Gollnow entscheidet daraufhin, seinen Einspruch gegen die Anzeige zurückzuziehen. Doch die 50 Euro Bußgeld muss er zahlen.