Essen. .

Noch stehen die Ermittlungen am Anfang. Aber es ist ein schrecklicher Verdacht, der sich gegen einen Arzt des privaten Herzzentrums neben dem Essener Elisabeth-Krankenhaus richtet: Er soll zur Tötung eines schwer herzkranken Patienten angestiftet haben.

Aussagen mehrerer Ärzte und Krankenschwestern der Herzklinik, die nach eigenen Worten aus Sorge um ihre Patienten im Februar bei der Staatsanwaltschaft erschienen, veranlassten das Amtsgericht Essen zu einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen die Klinik. Es geht um einen holländischen Patienten, der im September 2009 mit schweren Herzproblemen eingeliefert wurde. Zur Unterstützung seines Herzmuskels pflanzten die Essener Ärzte dem 51-Jährigen eine Pumpe ein.

68 Tage Intensivstation

68 Tage blieb er auf der Intensivstation, die lediglich über sechs Betten verfügt. Im Dezember soll er aber stabil gewesen sein, aß Joghurt, machte sich über Augenkontakt verständlich. Gleichzeitig, so erzählen Ärzte des Herzzentrums, soll die ärztliche Leitung unter Professor Reiner Körfer überlegt haben, den Patienten zu verlegen, um das Bett frei zu bekommen. Doch es fand sich keine andere Klinik. Dann soll gefragt worden sein, ob die Behandlung noch Sinn mache.

Wie Staatsanwältin Birgit Jürgens der WAZ auf Anfrage mitteilte, soll mit den Angehörigen Kontakt aufgenommen worden sein. Diese kamen, nahmen Abschied von dem Mann. Schon zuvor soll aber ein Arzt aus der Klinikleitung am Bett des wachen Patienten zu Krankenschwestern gesagt haben, sie sollten statt des Blutverdünnungsmittels Heparin eine Kochsalzlösung geben. Die Folge ist eindeutig: Das Blut wäre geronnen, die Pumpe stehen geblieben, der Patient tot. Die Schwestern weigerten sich wohl, die „Anregung“ zu befolgen. „Es wird gesagt, dass der Patient das alles mitbekam und sehr heftig panisch reagierte“, berichtet die Staatsanwältin.

Ein anderer Arzt soll später, nach dem Verwandtenbesuch, die Anweisung gegeben haben, die Pumpe abzustellen, was ebenfalls den Tod des Patienten verursacht hätte. Einige Ärzte und Schwestern des Herzzentrums hätten sich erfolgreich gewehrt und mit einer Strafanzeige gedroht.

Schließlich soll der Patient mit intensivmedizinischer Betreuung nach Holland in sein Wohnhaus gebracht worden sein. Dort hätten bereits holländische Ärzte gewartet, die die Pumpe abgeschaltet hätten, so dass der 51-Jährige in seiner Heimat starb.

Staatsanwaltschaft ermittelt, Polizei beschlagnahmt Akten

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich zur Zeit gegen den Vertreter Körfers und andere Personen und lauten auf „Anstiftung zum versuchten Totschlag“, teilte Birgit Jürgens mit. Dabei geht es um die angeblich gewünschte Kochsalzlösung. Vernommen worden seien Ärzte und Krankenschwestern, aber auch die Angehörigen des Patienten. Die Polizei beschlagnahmte am Donnerstag im Herzzentrum drei Patientenakten, weil es noch in zwei weiteren Fällen Hinweise auf Straftaten gibt.

Klinik-Geschäftsführer Heinz Diste war gegenüber der WAZ zu keiner Auskunft in der Lage. Vom Durchsuchungsbefehl oder einem Verfahren gegen die Klinik wisse er nichts. Es seien Polizisten gekommen, die Patientenakten kopierten. Das sei ein ganz normaler Vorgang. Körfer selbst wolle der WAZ keine Auskunft geben, sagte er.

Die Ermittlungen platzen in eine Zeit, in der sich die erst kürzlich vom katholischen Elisabeth-Krankenhaus übernommene private Herzklinik bislang erfolglos um die Anerkennung durch das NRW-Gesundheitsministerium für Kassenpatienten bemüht. Viel versprochen hatte sie sich von der Verpflichtung des 68 Jahre alten Herzchirurgen Körfer. Das Pro-blem: Eine private Klinik darf gesetzlich versicherte Patienten nur dann operieren, wenn sie als Notfall eingeliefert werden. Für manche schien die Anerkennung nur eine Formsache zu sein. Im Sommer 2009 tauchte ein Video der AOK auf, in dem Körfer den Kassenpatienten bereits als Arzt ihres Vertrauens vorgeführt wurde. Geprüft wird auch, ob es sich bei den in Essen operierten Patienten wirklich um Notfälle handelte. Denn die OP-Zahl stieg nach Körfers Angaben in seiner Zeit von 200 auf 1000 Patienten an.

Mobbing-Vorwürfe

Zu prüfen hat die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen wegen des Tötungsdeliktes auch die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Denn einige der Ärzte und Krankenschwestern, die Vorwürfe erhoben, hatten Körfer am Arbeitsgericht des Mobbings beschuldigt. Er habe sie beleidigt und vor Patienten schlecht gemacht.