Essen. .

3757 Bürger haben sich im Internet am Spar-Aufruf zur Haushaltskonsolidierung beteiligt und mehr als 113. 300 Bewertungen abgegeben. Das Votum ist klar für eine Einsparung bei Politikern und gegen die Schließung der Bibliotheken.

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Ist Otto Normalverbraucher im Zweifelsfall der bessere Haushaltspolitiker als ein Ratsmitglied oder ein Vertreter der Stadtverwaltung? Das war die spannende Frage bei der erstmals in Essen durchgeführten Bürgerbeteiligung zur Haushaltskonsolidierung.

Vom 29. April bis zum 20. Mai ließen sich 3757 Teilnehmer beim Internet-Aufruf „Essen kriegt die Kurve“ registrieren. Dabei wurden über 113 300 Bewertungen zu den von der Stadt vorgelegten Einsparvorschlägen abgegeben. Das Ergebnis mag nicht repräsentativ sein, die Stadtverwaltung wertet die Aktion gleichwohl als Erfolg, denn es gab noch zusätzliche 29 000 Leser im Internet. Nicht angenommen wurde das Angebot für Bürger, die keinen Zugang zum Internet haben, in neun städtischen Einrichtungen.

Die Bürger, die sich aktiv beteiligten, haben nach ersten Berechnungen der Stadtverwaltung die Sparkurve nicht ganz gekriegt. Denn die Stadt setzt im Rahmen ihrer Haus-haltskonsolidierungsmaßnahmen darauf, dass 381 Millionen Euro eingespart werden müssen, die Bürger schaffen 263,4 Millionen Euro. Der Spartrend bei den Bürgern ist klar: 85 Prozent befürworten Einsparungen im Politik- und Verwaltungsapparat, 63 % bei Finanzen, 45 % bei städtischen Unternehmen, 39 % in der Bildung, aber nur 22 % bei der Kultur und 11 % in den Bereichen Kinder, Familie, Jugend und Soziales. Die Stadtverwaltung will alle Anregungen auswerten und diese „Bürgermeinung“ dem Stadtrat im Oktober in einem Rechenschaftsbericht vorlegen. Die höchsten Zustimmungs- und Ablehnungsgrade zu einzelnen Sparmaßnahmen aus der Sicht der Bürger hat die Stadt in zwei Top-Ten-Listen in einer ersten „Hochrechnung“ aufgelistet (siehe Kästen).

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Die Palette der Bürgervorschläge ist breit. Sie beginnt bei „Kreisverkehr statt Ampel“ und „Ampelanlagen nachts abschalten“. Die politische Repräsentanz könnte verringert werden: „Den Rat um zehn Sitze verkleinern, fünf Bezirksvertretungen reichen für die schrumpfende Stadt.“ Unter dem Motto: „Lieber ein paar Schnittchen weniger“ werden Einsparungen bei der Repräsentation vorgeschlagen: „Seniorenehrungen nur noch zum 100. Geburtstag, Alter ist kein Verdienst.“ Müllsünder sollten mehr Strafen zahlen („In Singapur kostet sogar nur eine weggeworfene Kippe Strafe“), Hundesteuersünder mit Bußgeld belegt werden: „Ich habe in 20 jahren Hundehaltung nie eine Kontrolle gesehen oder erlebt oder davon gehört.“ Auch eine Katzen- und Pferdesteuer sowie eine Heizpilzgebühr für Gewerbetreibende wurden angeregt.

„Ruhrstadt gründen und Strukturkosten senken“ war ein weiterer Vorschlag: „Brauchen wir so viele Städte und Kommunen im Rhein- und Ruhrgebiet mit eigenen Verwaltungen? Vorschlag: Eine Metropole Ruhr, ein Parlament, Zentralisierung der Verwaltungen.“ Angeregt wurde ein Spendenaufruf „für die Erhaltung meiner Stadt: „Wir geben Spenden in alle Welt, warum nicht auch für unsere Stadt? Es fällt bestimmt keinem Bürger schwer, zehn Euro zu spenden.“

Bedenkenswert ist sicher diese Stimme: „Wir bekommen einen knappen Monat Zeit, um uns in derart wichtige Probleme einzulesen. Das ist völlig unrealistisch. Bitte richten Sie, wie auch viele große Firmen das schon mit Erfolg tun, eine dauerhafte Seite für diese Zwecke im Internet und auch echte Briefkästen für Menschen ohne Internet bei den Bürgerämtern ein.“