Essen. .
Schmuckstück, Kleinod, Paradies: An schönen Worten für den Baldeneysee mangelt es nicht. Nur das Gastronomieangebot hält dort unten im Süden der Stadt nicht Schritt. Immer mehr große Restaurants am See machen dicht.
Bauzäune, „Betreten verboten“-Schilder und verwahrloste Grundstücke und Gebäude sind im Werdener und Bredeneyer Bereich der Anblick, der dem Seebesucher zum Teil seit mehreren Jahren zugemutet wird. Die Seeterrassen am Schloss Baldeney sind seit dem verheerenden Feuer im September 2004 noch immer eine Ruine. Das Restaurant Baldeneyer Fähre mit seinem schönen Biergarten ist seit mindestens zwei Jahren dicht, ohne dass eine Wende zum Besseren zu sehen ist. Und seit dem Winter bleibt auch in den „Bauernstuben“ am Hardenbergufer die Küche kalt. Vor allem Familien mit Kindern hatten den Biergarten mit Blick auf die Villa Hügel aufgesucht, weil sie ihre Kleinen auf dem weiten Areal unbesorgt spielen lassen konnten.
Drei Negativbeispiele, die vor allem an die Verantwortung der Hausbesitzer erinnern. Denn am See gibt es zahlreiche Beispiele, dass gute Gastronomieangebote auch angenommen werden. „Ich glaube, die schicken die Hälfte der Reisebusse, die Essen ansteuern, zu uns“, freut sich Roman Pichler von den Südtiroler Stuben über die viele Arbeit. Seinen Biergarten wählten die WAZ-Leser sogar auf den ersten Platz, als sie sich für „Essens schönsten Biergarten“ entscheiden sollten.
Woran liegt es, dass andere alteingesessene Ausflugslokale aufgegeben haben? Die WAZ hat ins Archiv geschaut, hat mit Hausbesitzern, Gastronomen, Stadtplanern und Besuchern gesprochen. Eine Lösung ist nicht in Sicht. „Das ist das freie Spiel der Marktkräfte“, sieht Andreas Müller, stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamtes, wenig Einflussmöglichkeiten der Stadt.
Drei Negativbeispiele
„Warum passiert hier nichts? Das wäre doch eine Goldgrube!“ Wer mit Besuchern am Baldeneysee spricht, bekommt immer wieder die Verärgerung über den Niedergang der Gastronomie zu hören. Jüngstes Beispiel sind am Werdener Südufer die Bauernstuben. Das Fachwerkhaus mit dem urigen Biergarten vor der Tür, an dessen Rand die Kinder problemlos spielten, bleibt in diesem Jahr geschlossen. Auf dem Gelände hatte es in den vergangenen drei Jahren mehrfach gebrannt. Verkokelte Ruinen von Nebengebäuden erinnern noch heute daran. Das soll aber nach Auskunft des letzten Pächters der Bauernstuben, Achim Wagner, nicht der Grund für seinen Rückzug sein. Er spricht von drei Wasserrohrbrüchen innerhalb von zwei Tagen, die ihn das Handtuch werfen und ins Café Werden im Ortskern wechseln ließen. Acht Jahre lang hatte er das Ausflugslokal bewirtschaftet und vermisste das Engagement der Besitzer für das Gebäude. Allerdings glaubt er auch, dass aggressive Radfahrer, Jogger und Inline-Skater seine Kunden vertrieben hätten: „Ältere trauen sich gar nicht mehr an den See.“
Eine Einschätzung, die auf der anderen Seite des Sees Überraschung hervorruft. Roman Pichler von den Südtiroler Stuben kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen: „Wir haben sieben Tage in der Woche geöffnet und reichlich zu tun.“
So wie bei ihm, so sah es früher auch nebenan aus, in den von Bauzäunen verschlossenen Ausflugslokalen Seeterrassen und Baldeneyer Fähre. Kaum ein Essener, der mit diesen Orten nicht eigene Erinnerungen verknüpft. Wer dort saß, dem plätscherte das Seewasser fast an die Füße, denn die Biergärten trennte kein Radweg vom Wasser. Unbeschreiblich auch der Blick auf die sanften Fischlaker Hügel am anderen Ufer.
Individuelle Gründe sind es, die hier für den Niedergang verantwortlich sind. Die 2004 abgebrannten Seeterrassen gehören zu Schloss Baldeney und damit zum Besitz des insolventen Werdener Autohändlers Friedel Winkelmann, dem zudem noch dank der Bochumer Staatsanwaltschaft ein Betrugsverfahren droht. Die Sparkasse vermarktet das Objekt. Einen Käufer hat sie noch nicht. Aber immerhin ist das Anwesen im Preis reduziert worden: Von 4,3 auf 3,9 Millionen Euro.
Verwahrlostes Gelände
Rätselhaft die Baldeneyer Fähre: Auf dem Bauschild vor dem zum Teil verwahrlosten Gelände verkündet Bauherrin Doris Schmitz-Grothaus den Umbau zu einem „Freizeit- und Saunabetrieb mit Schwimmbädern“. Seit zwei Jahren ist der Biergarten geschlossen, erzählt die Chefin eines Kettwiger Altenheims der WAZ. Mehr will sie aber nicht sagen. Entstanden ist auf dem Grundstück bereits ein schmuckes, großes Haus. Wozu es dient, weiß niemand so genau. Ein richtiges Konzept ist jedenfalls nicht zu erkennen. Erst Anfang Mai, so die Bauherrin, hatte sie in der WAZ inseriert: „Top-Standort direkt am Baldeneysee. Neues Projekt! Mitgestaltung derzeit noch möglich. Ideal für gehobene Gastronomie, Galerie und / oder Sauna- und Freizeitbetriebe.“ Nach konkreter Planung hört sich das nicht an.
Ein Niedergang, den Heribert Rüsing beklagt. Der erfahrene Kommunalpolitiker der Grünen hat sich oft für den Baldeneysee eingesetzt und den Wert einer guten Gastronomie betont. Vom „kleinen Paradies des Ruhrgebietes“ spricht er. So recht zu erklären vermag er sich die Entwicklung nicht, spricht von „ziemlichen Tiefschlägen“. Klar sei, dass das Wirtschaften am See schwierig, nämlich vom Wetter abhängig sei.
Erfolgreiche Angebote
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Vor allem scheint es von den Menschen abzuhängen, was am See Erfolg hat. Neben den Südtiroler Stuben läuft offenbar auch das Seaside Beach gut. Die vielen Kioske am See bedienen den kleineren Geldbeutel, und am Ostufer in Heisingen und Kupferdreh sind die Plätze oft besetzt. Im Moment, so das Planungsamt, gibt es kein Seekonzept. Aber in Kupferdreh schaffe man Planungsrecht für Wohnhäuser und Gewerbe am See mit einer Achse zum Ortskern, das den umliegenden Gastronomen sicher nutzen werde.