Nach der Alten Synagoge wird auch das benachbarte ehemalige Rabbinerhaus umgebaut. Bauarbeiter stießen dort auf Anzeichen eines Brandes. Sind es Spuren der Pogromnacht 1938?
Als Bauarbeiter die tiefergehängte Zwischendecke entfernten, maßen sie dem, was sie dort sahen, erst keine größere Bedeutung bei: schwarze Flecken, Ruß - eingebrannt in den Beton. Im Institut für Denkmalpflege gehen sie inzwischen davon aus, dass es sich um Rückstände jenes verheerenden Brandes handelt, der im November 1938 die Synagoge am Steeler Tor und das benachbarte Rabbinerhaus weitgehend zerstörte.
Nazi-Schergen hatten am Abend des 9. November den Jahrestag von Hitlers „Sturm auf die Feldherrnhalle“ 1923 gefeiert. In den Schankwirtschaften rund um das Alfrediviertel ging es hoch her, in der Brunnenschänke und im „Münchener Kindl“ tranken sich SA- und SS-Männer Mut an, bevor der Mopp im ganzen Land auf Geheiß von Ortsgruppenleitern und Standartentührern Synagogen und jüdische Läden anzündete.
Hugo Hahn, der Rabbiner der jüdischen Gemeinde, und seine Familie wurden aus ihrem Haus gejagt. Hahns damals 13-jährige Tochter Miriam erinnerte sich noch Jahre später bildhaft daran, wie einer der Schergen im Treppenhaus Fenster und Glastüren eintrat: „Das Klirren des Glases ließ ihn schallend auflachen.“
Sollten die Archäologen sich nicht täuschen, zählten die Brandreste zu den wenigen Spuren, die an das Verbrechen von 1938 erinnern. Weitere dürften sie im ehemaligen Rabbinerhaus nicht mehr ans Licht bringen. Die Fassade ist eingerüstet, der massive Bau ist eine Baustelle. Während die Alte Synagoge vor kurzem als Haus der jüdischen Kultur feierlich eröffnet wurde, gehen die Arbeiten nur ein paar Schritte entfernt weiter. Das ebenfalls von Edmund Körner in den Jahren 1911 bis 1913 errichtete Rabbinerhaus wird quasi kernsaniert.
Bis 1959 nutzte die kleine jüdische Nachkriegsgemeinde das Gebäude als Gemeindezentrum - bis sie Synagoge nebst Nachbargebäude an die Stadt veräußerte und an der Sedanstraße einen neuen Mittelpunkt fand. Drei Jahre später richtete die Stadt im ehemaligen Rabbinerhaus ihr Stadtarchiv ein. Besucher des kleinen Lesesaals werden sich erinnern - die Räume atmeten schwer am Geist der 60er-Jahre, im Archiv selbst schien die Zeit stehen geblieben zu sein.
Als die Stadt sich 2007 für Neubau und Umzug des Stadtarchivs zur Luisenschule am Bismarckplatz entschloss, blieb die Zukunft des Rabbinerhauses offen. Vage war von einer „städtischen Nutzung“ die Rede, was auch im Rückblick verwundert. Schließlich handelt es sich um ein Baudenkmal.
So erweist es sich gleich in doppelter Hinsicht als Glücksfall, dass der Bund mit dem Konjunkturpaket II auch über Essen Millionen für die Bauunterhaltung ausschüttete. Das Rabbinerhaus liegt im Stadterneuerungsgebiet, die städtische Immobilienwirtschaft darf deshalb mit den finanziellen Mitteln des Konjunkturpakets nicht nur die energetische Sanierung des Gebäudes finanzieren, sondern den kompletten Umbau. „Als Stadt hätten wir dafür gar kein Geld gehabt“, räumt Ingo Penkwitt, der Leiter der Immobilienwirtschaft, ein.
Das alte Gemäuer erhält somit nicht nur ein neues Dach und neue Fenster, Wand- und Bodenbeläge werden ebenfalls erneuert, Bauschäden - verursacht durch Feuchtigkeit und Geländeabsenkung - werden beseitigt, ein Aufzug wird eingebaut. Kosten: 2,7 Millionen Euro.
Mit der Universität Duisburg-Essen und dem renommierten Ludwig-Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte wurden attraktive Mieter gefunden; vor allem letzteres dürfte das Haus der Jüdischen Kultur auch wissenschaftlich hervorragend ergänzen. So scheint sich am Ende alles glücklich zu fügen.
Bis Mitte März 2011 haben die Handwerker das Sagen. Im Untergeschoss sind sie auf alte Steinfundamente gestoßen. Ob es sich tatsächlich um Überreste der Mikwe, des Ritualbades der ehemaligen Gemeinde handelt, wie Stadtarchäologe Detlef Hopp vermutet, bleibt fraglich. Und noch etwas haben sie im Schutt entdeckt: Glas, das durch enorme Hitze geschmolzen ist. Auch das ein „stummer Zeuge“ der Pogromnacht von 1938? Es bleibt eine Vermutung.