Duisburg/Essen. .

Meist sind sie sehr kompetent, legen selten seelenruhig die Beine hoch, sondern erledigen engagiert alles Mögliche - nur eben nicht das, was am wichtigsten wäre. Notorische Aufschieber verzetteln sich vor allem gegen Ende ihres Studiums.

Sandra* (26) und Nils* (27) berichten über die Krux des ewigen Aufschiebens und ihre Versuche, ihr Studium doch noch zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Nach dem Abi wusste Sandra zunächst nicht so recht, was sie machen sollte und studierte schließlich Diplom-Pädagogik. „Das Studium mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung ist sehr interessant“, erzählt Sandra. „Aber ich hab einfach kein Ziel, auf das es sich lohnt, hinzurennen.“

Mit diesem Problem steht Sandra durchaus nicht allein da. „In unsere Beratung kommen viele Studenten, denen ein klares Berufsbild fehlt“, meint Thomas Interbieten, Psychologe im Akademischen Beratungs-Zentrum der Universität Duisburg-Essen. „Es fehlt dann oft der Antrieb, das Studium bis in die letzte Konsequenz durchzuziehen. Und oft kommt die Angst, nicht kompetent zu sein, hinzu.“

Im Nirgendwo stecken geblieben

Bis zum Vordiplom im fünften Semester war bei Sandra die Welt noch in Ordnung. „Aber fortan hatte ich es nicht mehr eilig.“ Inzwischen im elften Semester, hat Sandra zwar alle erforderlichen Scheine beisammen, ist dann aber nach zwei mündlichen Diplomprüfungen im Nirgendwo zwischen drei weiteren Prüfungen und ihrer Diplomarbeit stecken geblieben.

„Das Problem ist, dass ich mich nicht durchringen kann, eine Diplomarbeit, die ich für eine Firma schreiben könnte, aber deren Thema mich nicht reizt, abzusagen“, erklärt Sandra. „Aber diese Unentschlossenheit hat auch die restlichen Prüfungen blockiert.“ Dass es aber wichtig ist, das zu tun, was einen interessiert, betont Thomas Interbieten. „Ansonsten kann sich alles enorm in die Länge ziehen und es ist bitter, wenn man dann sogar scheitert.“

„Ich hatte mir monatelang etwas vorgemacht“

Auch Nils, Wirtschaftsinformatik-Student im 14. Semester, ist vom Virus der „Aufschieberitis“ - im Fachjargon „Prokrastination“ genannt - befallen. „Cras“ kommt aus dem Lateinischen und steht für „morgen“ - der beste Zeitpunkt für das Aufschieben unangenehmer Tätigkeiten. Das sah auch Nils lange Zeit so, verschob das Schreiben an seiner Diplomarbeit von einem Tag auf den nächsten und ließ sich gerne ablenken - 14 Monate lang und mit letztlich bitteren Folgen. „Ich hab meine Arbeit nicht rechtzeitig fertig bekommen - also nicht bestanden“, erzählt Nils. „Freundin, Familie und Kommilitonen reagierten total überrascht, teilweise sogar mit Unverständnis. Schließlich hatte ich nicht nur mir, sondern auch ihnen monatelang etwas vorgemacht“, so Nils.

Problem des Aufschiebens seit der Schulzeit

Das Problem des Aufschiebens verfolgt Nils jedoch schon seit seiner Schulzeit. „Hausaufgaben waren immer ein Problem“, so Nils. „Dennoch ging mir in der Schule noch alles leicht von der Hand, aber an der Uni reichte es dann nicht mehr.“ Nils, der unter ADS (Aufmerksamkeitsdefizitstörung) leidet, kann sich schlecht aufs Lernen konzentrieren. „Ich hab mich immer gern ablenken lassen und lange Zeit war mein Nebenjob eine wunderbare Ausrede, keine Zeit zum Lernen zu haben“, erzählt Nils.

Doch die Alarmglocken haben sowohl bei Sandra wie Nils inzwischen geschlagen. Mit Hilfe des Projektes „Finish“ - ein Studienabschlusscoaching des ABZ - wollen die beiden ihr Studium nun erfolgreich abschließen. „Ich werde jetzt das unliebsame Thema der Diplomarbeit absagen und mich erstmal auf meine restlichen Prüfungen konzentrieren“, meint Sandra. Und Nils setzt sich derzeit mit Arbeitsstrategien auseinander, um einen neuen Anlauf für seine Diplomarbeit zu nehmen. Und zuversichtlich sagt der Langzeit-Student: „Diesmal wird’s klappen!“

*Namen von der Redaktion geändert