Essen. .
Die finanzielle Notlage der Stadt Essen wird immer dramatischer. Kämmerer Lars Martin Klieve will ein „Sparpaket von historisch einzigartiger Größe“ schnüren. Auch eine Kulturabgabe für Touristen könnte Geld in die klammen Kassen spülen.
Nach der dramatischen Verschärfung der finanziellen Notlage der Stadt Essen sieht sich Kämmerer Lars Martin Klieve gezwungen, ein „Sparpaket von historisch einzigartiger Größe“ zu schnüren: Allein im Haushaltsjahr 2010 müssten nach dem Gewerbesteuereinbruch 120 Millionen Euro dauerhaft eingespart werden, 2011 müssten noch einmal 50 Millionen Euro dauerhaft hinzukommen.
Angedachte Maßnahmen: Jede zweite freie Stelle von 9000 städtischen Bediensteten wird nicht mehr besetzt; der Sachetat wird jährlich um zwei Prozent gekürzt; die Einnahmen werden verbreitert - möglicherweise durch eine höhere Grundsteuer für Hauseigentümer und Mieter; oder zusätzlich durch die von Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) bereits angesprochene neue Kulturabgabe für Touristen.
„Wir müssen jetzt in der Stadtverwaltung nach den ersten Gesprächen noch einmal eine zweite Sparrunde drehen“, sagte Klieve. Bisher hätten sich die Dezernenten und Chefs der Beteiligungsgesellschaften zwar kooperativ gezeigt, allerdings seien deren Einsparvorschläge oftmals noch nicht mit konkreten Maßnahmen unterfüttert.
Wie sehr sich Essen in die finanzielle Schieflage manövriert hat, zeigt dieser Vergleich: 2009 nahm die Stadt neue Schulden von 225 Millionen Euro auf, ohne Sparpaket würden es 2010 satte 420 Millionen - über 80 Prozent mehr. Insgesamt hat Essen bereits 3 Milliarden Euro Schulden. Deshalb führt die Bezirksregierung Düsseldorf Essen nun als überschuldete Kommune - bis zur Vorlage eines nachhaltigen Sparpakets muss sich Essen damit jede Einzelmaßnahme, die Geld kostet, extra genehmigen lassen. „Es droht das Ende unserer kommunalen Selbstverwaltung. So dramatisch war es für Essen noch nie“, sagte Klieve. Das Defizit sei für 2010 unbedingt auf 300 Millionen zu begrenzen.
Beteiligungen im Visier
Auch die Spitzen der über 70 Beteiligungsfirmen der Stadt müssen den Gürtel enger schnallen: Alleine die Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft, die Mutter der Stadtwerke und der Evag, ist gezwungen, bei der Gasversorgung und im Nahverkehr rund 20 Millionen Euro zu sparen.
Klieve will keine einzelnen Sparvorschläge nennen, sondern das Sparpaket insgesamt vorlegen, damit Einzelmaßnahmen „nicht in der Öffentlichkeit zerredet werden“. Es sei notwendig, den „Doppelhaushalt 2010/11 als Gesamtkunstwerk durchzubringen“.
Bisher habe man verwaltungsintern zwar nur über Ausgabensenkungen und noch nicht über Einnahmesteigerungen gesprochen, doch eine mögliche Lücke sei durchaus auch mit Hilfe einer neuen Kulturabgabe für Hotelübernachtungsgäste zu schließen. „Diese Idee hat doch Charme“, unterstützt Klieve Oberbürgermeister Paß. Dem Hotelgewerbe sei ein Steuergeschenk von einer Milliarde Euro bundesweit gemacht worden. Davon einen Teil für Essen abzuzwacken, sei doch nicht zu beanstanden. Zudem argumentiert Klieve so: „Wenn Touristen zu uns kommen, dann ist die Reise teuer, das Essen ist teuer; das Billigste ist doch das, wofür die Touristen kommen: das Grillo, Zollverein, die Philharmonie.“ Da sei eine Kulturabgabe nur gerecht, zumal eine solche Abgabe starke Kürzungen im Kulturetat verhindern helfe.