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Der Vorwurf wiegt schwer: Das Uniklinikum Essen arbeite mit Methoden wie die Drogeriemarkt-Kette Schlecker, kritisiert Verdi-Chef Frank Bsirske. Schlecker soll Tausende Mitarbeiterinnen entlassen haben, um sie als Leiharbeiterinnen weiter zu beschäftigen — mit erheblichen Lohneinbußen.
Nach heftiger Kritik hat Schlecker angekündigt, keine neuen Verträge mit der Leiharbeitsfirma mehr abzuschließen. Vorgänge wie bei Schlecker gebe es auch in anderen Branchen, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske der Agentur Reuters und nannte als Beispiel die Uniklinik. In der vom Klinikum gegründeten Leiharbeitsfirma lägen die Verdienste zwischen 200 und 400 Euro unter dem Tariflohn, Weihnachts- und Urlaubsgeld gebe es dort sowenig wie eine betriebliche Altersvorsorge.
Offiziell ist die Personalservice GmbH (PSG) im Jahr 2005 zur „Sicherung von Beschäftigung und Qualität” gegründet worden, tatsächlich ist die Schlechterstellung ihrer Beschäftigten gewollt. „Nur so können wir mit einem gedeckelten Budget wirtschaftlich arbeiten und die Qualität unserer Arbeit sicherstellen”, erklärte der ärztliche Direktor des Uniklinikums, Gerald Holtmann, als die WAZ im August 2009 über das Thema berichtete. Techniker, Labor- und Reinigungskräfte werde man künftig grundsätzlich über die PSG beschäftigen.
800 Euro für eine Vollzeitstelle
Was das für die Betroffenen bedeutet, weiß Personalratschefin Alexandra Willer, die seit drei Jahren auch für ihre PSG-Kollegen kämpft. Da verdiene eine Vollzeitbeschäftigte, die im Herzzentrum Instrumente sterilisiere, 800 Euro netto und müsse Zusatzleistungen beim Jobcenter beantragen. Hart getroffen habe es auch den Krankentransport-Fahrer, als sein befristeter Vertrag mit dem Uniklinikum auslief: Er könne gehen oder zur PSG wechseln, für 350 Euro weniger im Monat. Auch auf Leistungen wie Urlaubsgeld müsse er verzichten.
Kliniksprecher Burkhard Büscher, mag solche Fälle nicht kommentieren. „Wir haben niemanden, der einen festen Vertrag mit dem Uniklikum hatte, entlassen.“ Daher sei der Vergleich mit Schlecker „haltlos”. Im übrigen habe das Klinikum 5200 Mitarbeiter, die PSG nur 240. „Viele von ihnen sind langzeitarbeitslos oder geringqualifiziert und hätten auf dem Arbeitsmarkt sonst keine Chance.”
Gerade darum fehle den PSG-lern der Mut, einen Betriebsrat zu gründen, weiß Alexandra Willer. Sie selbst zeigt Courage, hat Politik und Medien auf ihren Kampf gegen Lohndumping aufmerksam gemacht. Erreicht hat sie, dass sich der im NRW-Arbeitsministerium angesiedelte Landesschlichter um einen Kompromiss zwischen Klinikleitung und Verdi bemüht. Außerdem hat ihr NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) schriftlich zugesichert, dass Leiharbeit nur legitim sei, um punktuell „Auftragsspitzen abzufangen”.
„Da ist auch eine gute Portion Heuchelei dabei“
„Die PSG-Kollegen nehmen aber alle Stammarbeitsplätze ein“, hält Willer dagegen. Sie hoffe nun auf die Schlichtung. „Wir könnten uns vorstellen, dass PSG-ler nach einigen Jahren vertraglich ans Uniklinikum wechseln können.” So hätten sie zumindest eine Perspektive, in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen.
Dass sich Politiker aller Couleur dank Schlecker derzeit so kritisch mit der Leiharbeit befassen, sieht Willer zwar als Chance. „Angesichts der Verhältnisse, die wir hier seit Jahren bei einem öffentlichen Arbeitgeber haben, ist da bei einigen aber auch eine gute Portion Heuchelei dabei.“