Essen. Jetzt sind sie alle wieder da: Nie gibt es so viele Bettler und Musikanten in der Innenstadt wie vor Weihnachten. Beschwerden zeigen, dass sie durchaus als störend empfunden werden. Doch Ordnungsamtsleiter Günther Kraemer stellt klar: Es gibt ein Recht auf Betteln.

Die Stadt Essen schützt - trotz vermehrter Beschwerden gerade in der Vorweihnachtszeit - die Bettler. Die einschlägige Rechtsmeinung ist vergleichsweise einhellig: Betteln am Wegesrand gehört zum „kommunikativen Gemeingebrauch“ öffentlicher Flächen. Heißt in Kraemers Klartext: „Menschen dürfen die Straße in Anspruch nehmen, um auf ihre tatsächliche oder vermeintliche Notlage aufmerksam zu machen.“

Das Rechtsempfinden der Bürger ist in dieser Frage restriktiver. Im Rahmen einer repräsentativen Studie stimmten 2002 34,6 Prozent der Befragten der Aussage „Bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden“ eher oder voll und ganz zu. Im Jahre 2004 betrug die entsprechende Zahl 38,4 Prozent.

Aggressivem Betteln einen Riegel vorschieben

Für die rechtliche Bewertung spielt es zunächst keine Rolle, ob dieses Betteln professionell, organisiert und gewerblich stattfindet; ein Phänomen übrigens, das so alt ist wie die Städte. Schon Robin Hood hat in der mittelalterlichen Sage den „König der Bettler“ beraubt. Hier gelten formale Kriterien: „Stellt jemand zum Betteln einen Tapeziertisch auf, braucht er dafür eine Sondernutzungsgenehmigung, die es nur gegen Gebühr gibt“, sagt der Ordnungsamtsleiter.

Einen Riegel vorschieben kann die Stadt aber mit Hilfe der Ordnungsbehördlichen Verordnung dem so genannten aggressiven Betteln. „Wenn Menschen angesprochen oder festgehalten werden, sind sie nicht mehr frei in ihrer Entscheidung, ob sie etwas geben wollen oder nicht“, sagt Kraemer. In solchen Fällen kann die Stadt Geldbußen und Platzverweise verhängen.

Für Straßenmusikanten gelten ähnliche Regeln wie für Bettler. Sie dürfen die Straße nutzen, den Geschäftsleuten, Kunden und Passanten aber nicht lästig fallen. In Essen gilt die Grundregel: Musik mit elektronischer Verstärkung überschreitet die Grenze zur Belästigung.

Mit dieser Faustformel haben die Doppelstreifen von Polizei und Ordnungsamt die lateinamerikanischen Musiktruppen abgeschreckt, die jahrelang die Innenstadt zum Advent akustisch dominierten. Kraemer: „Als die nicht hören wollten, hat der Kollege das Verstärkerkabel mitgenommen. Und als die es immer noch nicht lassen wollten, haben wir sie abgefangen, als sie ihr Auto ausladen wollten, und haben ihnen gesagt: In Essen nicht mehr.“