Fast jede dritte Essener Kneipe ist inzwischen ein Raucherclub. Aus dieser Nische des Nichtraucherschutzgesetzes will die angehende rot-grüne Landesregierung die Wirte jetzt vertreiben.

Im Koalitionsvertrag sind „Sofortmaßnahmen“ vereinbart, um „ausufernde Ausnahmeregelungen“ zu kippen. Gastwirte beschwören schon die düstere Vision eines Kneipensterbens.

Die Diskussion kommt nicht überraschend: Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Nichtraucherschutzgesetzes ist ohnehin eine Überprüfung der Wirksamkeit vorgesehen. Die Stadt hat eine stichprobenartige Auswertung auf der Basis von 360 überprüften Gaststätten erstellt.

37 Prozent dieser Läden sind inzwischen rauchfrei, weitere 21 Prozent bieten Rauchern und Nichtrauchern getrennte Räume an. Elf Prozent der Gaststätten, Kneipen mit weniger als 75 Quadratmeter Grundfläche, haben sich zu Rauchergaststätten ohne Speisekarte erklärt, in 31 Prozent der Kneipen wurden Raucherclubs gegründet. Mit diesem Trick lässt sich das generelle Rauchverbot umgehen.

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat für NRW eine viel geringere Raucherclub-Quote von nur neun Prozent errechnet. Und der Dehoga-Präsident Olaf Offers hat sich schon schützend vor dieses Schlupfloch geworfen: Der Raucherclub „bleibe eine wichtige Ausnahme bei der Umsetzung des Nichtraucherschutzgesetzes“.

Aber nicht, wenn es nach den Grünen in NRW geht. „Das Nichtraucherschutzgesetz verdient den Namen nicht”, hat die Grünen-Fraktionsvize Barbara Steffen schon während der Koalitionsverhandllungen erklärt und dafür Beifall von der SPD erhalten. Da die Grünen in einer neuen Landesregierung sowohl das Ressort Gesundheit (Barbara Steffen) als auch den Verbraucherschutz (Johannes Remmel) besetzen werden, dürften für Raucherclubs schwere Zeiten anbrechen.

Ihre Gegner können sich nicht nur berufen auf den Ausgang der Nichtraucher-Volksabstimmung in Bayern am Sonntag, sondern auch auf eine Studie der deutschen Krebsforschungsgesellschaft. Ergebnis: Im Nichtraucher-Bereich von Gaststätten wurden viermal mehr Schadstoffe in der Luft gemessen als in Kneipen mit Rauchverbot.

Wirte warnen dennoch vor einer Verschärfung der Rauchverbote. Stefan Romberg, der in seinem „Mittendrinn“ an der Rüttenscheider Klarastraße sowohl Raucher.- als auch Nichtraucherzonen anbietet, will an dieser Lösung festhalten. „Ich habe in meine Selbstständigkeit einen sechsstelligen Betrag investiert und darf entscheiden, was ich für eine Küche fahre und welches Bier ich verkaufe, aber Rauchen soll ich nicht erlauben dürfen?“

Wolfgang Zinn, Generalbevollmächtigter Consultant des Großhändlers Lekkerland, bei dem Tabakwaren einen wichtigen Umsatzbeitrag leisten, wettert gegen den „Blödsinn“, Ausnahmeregelungen zu streichen, und ruft alle Handelnden in der Gastronomie zu einer konzertierten Aktion auf, „damit dieses wertvolle Kulturgut und soziale Bindeglied Kneipe nicht kaputtreguliert wird.“ Weil auch er erkennt, dass der Trend gegen die Raucher läuft, schlägt er den Einsatz von Filtersystemen vor, „die mit recht kleinem finanziellen Aufwand bis zu 92 Prozent der schädlichen Tabakpartikel entfernen“.

Im Ordnungsamt haben sie die Daumenschrauben für die Raucherclubs in den letzten Monaten schon ein wenig angezogen. Unter Berufung auf den Jugendschutz hat die Behörde diesen Kneipen auferlegt, Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr einzulassen. Durch das Bekenntnis zum Raucherclub machten die Wirte ihre Räume zu einem „jugendgefährdenden Ort“, sagt Guido Krekeler, Sachgebietsleiter für Gaststättenrecht im Ordnungsamt.

Die, die es angeht, Wirte und Gäste nämlich, haben sich mit dem Status Quo offenkundig arrangiert. Nach Krekelers Angaben ist die Zahl der Beschwerden über Verstöße gegen den Nichtraucherschutz zurück gegangen: von 351 im zweiten Halbjahr 2008 auf 110 im ersten Halbjahr 2010.