Essen. Vorstandschef Bernd Jung lobt die Arbeit seines Vorgängers und verteidigt die Filialschließungen: „Wir sind weiter sehr präsent.“

Bernd Jung ist seit Anfang des Jahres der neue Chef der Sparkasse Essen. Bevor er nach Essen kam, leitete er die Sparkasse Südpfalz. Janet Lindgens und Wolfgang Kintscher sprachen mit dem 55-Jährigen über dessen Ankommen in Essen, über die guten Zahlen, die ihm sein Vorgänger Helmut Schiffer hinterlassen hat und über Fußball-Leidenschaften.

Herr Jung, Ihr Vorgänger, Helmut Schiffer, war passionierter Schachspieler. Ein strategisches Spiel, aber wenig kommunikativ. Wie wir gehört haben, ist Ihr Hobby die Musik. Was heißt das für Ihren Führungsstil als neuer Chef der Sparkasse?

Ich habe früher in Chören gesungen und Blasmusik gemacht. Musik ist für mich eine gemeinsame Veranstaltung, und so ist es auch in der Sparkasse als Führungskraft. Allein bewirkt man überhaupt nichts. Das geht nur im Team.

Schaut man auf Ihre berufliche Vita, entsteht der Eindruck: einmal Sparkasse immer Sparkasse. Da unterscheiden Sie sich nicht von Ihren Vorgängern. Warum eigentlich ist das so?

Naja, bei mir stimmt es nicht ganz, wenn man auf den dreijährigen „Ausflug“ in die private Bankenwelt schaut. Ich war kurz nach der Lehre beim Prüfungsverband Deutscher Banken und habe dort Privatbanken geprüft. Aber ja, irgendwann hat man ein Sparkassen-Gen in sich.

Was heißt das?

Meine Aufgabe könnte ich auch in anderen Banken machen. Aber es ist die Überzeugung, für eine Region einzustehen, sich für eine Region zu interessieren und dieser mit dem Job auch etwas zurückzugeben. In Essen darf ich mich jetzt neu verwurzeln. Aber das ist etwas, das mir sehr viel Freude bereitet.

Bernd Jung ist seit einem halben Jahr in Essen und schätzt als Musikfreund die Kultur in der Stadt.
Bernd Jung ist seit einem halben Jahr in Essen und schätzt als Musikfreund die Kultur in der Stadt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Es gibt Leute, die sagen, Sie kennen jetzt schon mehr Menschen in dieser Stadt als Ihr Vorgänger am Ende seiner Amtszeit. Hat man Ihnen dies nahegelegt?

Das muss mir niemand signalisieren. Das ist mein Wesenszug. Wer viel bewegen will, braucht viele Menschen.

Leben Sie mit der Familie in Essen, oder pendeln Sie?

Mein Sohn ist mit mir nach Essen gezogen, hat dafür die Lehrstelle gewechselt. Meine Frau und meine Tochter wohnen noch in Landau. Unser Ziel war es eigentlich, im Wechsel ein Wochenende in Essen zu verbringen und ein Wochenende in der Pfalz. In der Realität aber bin ich häufiger in Essen.

Wie wir gehört haben, sind Sie ein fleißiger Musikgänger.

Das stimmt. Essen ist eine tolle Stadt, allerdings ist sie bundesweit unter Wert verkauft. Ich kann noch nicht recht einschätzen, woran das liegt. Die Menschen sind durchaus stolz auf ihre Stadt, aber sie tragen den Stolz nicht unbedingt nach außen. Man könnte da schon offensiver sein. Kollegen aus Sparkassen-Kreisen haben mich fast bedauert, als sie erfuhren, dass ich nach Essen gehe. Denen habe ich gesagt: Kommt und ich zeige euch die grüne Stadt Essen und die Kultur!

Aber Sie sind nicht wegen der Schönheit Essens ins Ruhrgebiet gekommen, sondern weil es für Sie mit 55 Jahren nochmal ein Karriereschritt war, oder? Immerhin gehört Essen zu den großen Sparkassen der Republik.

Ganz klar. Bevor ich mich entschieden habe, habe ich mir nicht nur die Stadt angeschaut, sondern auch die Bilanzen der Sparkasse.

Und? Zufrieden?

Unabhängig von den Zinseffekten des vergangenen Jahres, die fast allen Sparkassen hervorragende Ergebnisse brachten, ist die Sparkasse Essen sehr, sehr gut aufgestellt. Sie hat auch die schwierigen Zeiten gut gemeistert. Helmut Schiffer hat dieses Haus zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen strategisch richtig gut aufgestellt. Das ist eine Glanzleistung.

Wie viel hat die Sparkasse 2023 unterm Strich verdient?

Das Betriebsergebnis vor Bewertung betrug rund 155 Millionen Euro, der Jahresüberschuss liegt bei 11,9 Millionen Euro. Das bedeutet, dass wir an unseren Träger, die Stadt, dieses Jahr mehr ausschütten können als im vergangenen Jahr, als es 2,3 Millionen Euro waren.

Das Geschäftsjahr 2023

Bilanzsumme: 9,8 Milliarden Euro (Vorjahr: 9,7 Milliarden Euro)

Betriebsergebnis vor Bewertung: 155,1 Millionen Euro (68,3 Millionen)

Jahresüberschuss: 11,9 Millionen Euro (6,6 Millionen)

Zinsüberschuss: 230,5 Millionen Euro (142,2 Millionen)

Provisionsüberschuss: 67,3 Millionen Euro (62,4 Millionen)

Kundenkreditvolumen gesamt: 6,7 Milliarden Euro (6,8 Milliarden)

Neugeschäft Baufinanzierungen: 276,6 Millionen (589,3 Millionen)

Neugeschäft Kredite an Unternehmen: 468,3 Millionen Euro (463,7 Millionen).

Kundeneinlagen: 7,5 Milliarden Euro (7,7 Milliarden)

Wertpapierumsätze: 903 Millionen Euro (plus 49,1 Prozent)

Konten: 17.000 neue Girokonten / Nettozuwachs: 2334

Der Gewinn hat sich damit gegenüber 2022 fast verdoppelt

Ja, und das ist ausschließlich der guten Zinsentwicklung geschuldet.

Bei den Krediten sah es düsterer aus. Vor allem das Neugeschäft bei Baukrediten soll regelrecht eingebrochen sein.

Das Baufinanzierungsgeschäft war 2023 das schlechteste seit langem. Die Sparkasse hat knapp 277 Millionen Euro an neuen Baukrediten ausgegeben und damit rund 300 Millionen Euro weniger als im Jahr davor. Grund ist die Zinswende. Kreditzinsen mit einer Vier vor dem Komma sind zwar weiter historisch niedrig. Aber klar ist auch: Wenn man ein bis anderthalb Prozent gewöhnt war, dann ist das fast eine Verdreifachung. Mittlerweile erholt sich das Kreditgeschäft aber.

Sparkassen-Präsident Ulrich Reuter hat die Sparkassen aufgerufen, die oberste Priorität nicht auf den wirtschaftlichen Erfolg zu legen, sondern auf die Kundenzufriedenheit. Da sind wir schnell beim Thema Filialen. Auch die Sparkasse Essen hat in der Vergangenheit Zweigstellen geschlossen und dafür nicht gerade Applaus bekommen.

Ich kenne keinen Sparkassen-Vorstand, der mit Freude Geschäftsstellen schließt. Am Ende aber entscheidet das Nutzungsverhalten unserer Kunden. Dennoch, als jemand, der vom Land kommt, empfinde ich die Diskussion in Essen als Luxusproblem. Innerhalb von drei bis fünf Kilometern sind Sie hier an einer Sparkassenfiliale. Wir haben eine gute Präsenz.

Vielleicht ist das Sparkassen-Publikum da auch ein bisschen altmodisch?

Nein, das würde ich nicht sagen. Es gibt viele, die die digitale Bewegung mitgemacht haben und die stationäre Filiale höchstens noch für eine qualifizierte Beratung brauchen. Das ist genau der Grund, warum die Präsenz in der Fläche zurückgegangen ist und wir mit unserer medialen Filiale und der digitalen Beratungsfiliale unsere Filialfamilie erweitert haben.

Warum ist der Aufschrei trotzdem groß, wenn eine Filiale schließt?

Ich denke, dass viele es als psychologischen Verlust empfinden, auch wenn sie das Angebot selbst nicht mehr wahrnehmen. Dafür habe ich volles Verständnis. Und dann gibt es Kunden, die nicht „altmodisch“ sind, aber traditionelle Werte haben. Und das sind diejenigen, die noch in die Filiale vor Ort gehen. Für die ist eine Schließung natürlich ein tatsächlicher Einschnitt.

Die Sparkasse hat noch 27 Filialen. Bleibt es dabei?

Die 27 Filialen sind derzeit gesetzt. Ich kann aber keine Ewigkeitsgarantie abgeben. Wir sind damit sehr, sehr präsent.

Gilt das auch noch für die Geldautomaten?

Mit 100 Geldautomaten sind wir mit weitem Abstand führend.

Die Bereinigung bei Filialen und Geldautomaten ist also erstmal vorbei. Wann wäre der Zeitpunkt, an dem Sie sagen: Darüber denken wir nochmal nach?

Wenn die Kunden unser Angebot tatsächlich immer weniger nutzen. Wann das so weit ist, kann ich Ihnen nicht sagen.

Viele Kunden dürften jüngst gestaunt haben: Ein Mitarbeiter der Sparkasse wird verurteilt, weil er Schließfächer aufgebrochen und Geld daraus gestohlen hat. Dabei glaubt man ja: Wo, wenn nicht in einem Schließfach der Sparkasse, ist das Geld sicher?

Es ist auch sicher. Es ist dies der erste Fall in der Geschichte der Sparkasse Essen und ein Fall mit hoher krimineller Energie.

Aber mussten Sie sich nicht auch die Augen reiben, als sie davon erfahren haben?

Ja natürlich. Ich kenne den ehemaligen Mitarbeiter nicht, aber die Kollegen vor Ort sagen, dass sie ihm das nie zugetraut hätten.

  • Die Lokalredaktion Essen ist auch bei WhatsApp! Abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Kanal: direkt zum Channel!

In der Gerichtsverhandlung wurde deutlich, wie erstaunlich einfach es war, die Fächer aufzubrechen. Auch eine Kameraüberwachung gab es nicht.

Die Leute haben ein Schließfach, nicht nur, weil sie etwas sicher, sondern weil sie es auch geheim verwahren wollen. Deshalb ist eine Kameraüberwachung in bestimmten Bereichen nicht möglich. Ein Schließfach ist bis 30.000 Euro grundversichert. Das heißt auch, dass die Kunden wissen, dass etwas passieren kann. Wir sind nicht Fort Knox. Und gegen schwere Kriminalität im eigenen Haus kann man sich schwer wappnen. Aber natürlich haben wir nochmal alle Anlagen überprüft und an einzelnen Stellen aufgerüstet. Auch der Schaden ist schnell ersetzt worden.

Haben Kunden nach dem Fall vermehrt ihre Schließfächer gekündigt?

Nein, im Gegenteil. Wir haben nach wie vor Zulauf. Das ist etwas, was mich sogar etwas verwundert, denn einen solchen Trend kenne ich aus meiner alten Sparkasse nicht. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass andere Banken Schließfächer nicht mehr anbieten. Für uns gehört das als Serviceleistung dazu. Es ist aber kein profitables Geschäft.

Apropos profitabel: Sparkassen-Chef zu sein gehört dazu. Ihr Vorgänger hat im Jahr 2022 rund 665.800 Euro verdient. Ist das ein Einkommensniveau, von dem Sie aus vollem Herzen sagen, das ist gerechtfertigt bei einer Institution in kommunaler Trägerschaft?

Es gibt Vergütungsrichtlinien für Sparkassen in NRW und an die hält sich auch die Sparkasse Essen.

Das klingt nach: Das haben wir schon immer so gemacht…

Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Sparkassenchef Jung liebt nicht nur Musik, sondern ist auch Fan des FC Bayern München. Rot-Weiss Essen zollt er Respekt für die diesjährige Saisonleistung.
Sparkassenchef Jung liebt nicht nur Musik, sondern ist auch Fan des FC Bayern München. Rot-Weiss Essen zollt er Respekt für die diesjährige Saisonleistung. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Wir merken schon, Sie sprechen darüber nicht gerne. Auch nicht über Ihre, naja sagen wir, „schwere Kindheit“? Denn wir haben gehört, Sie sind Bayern-München-Fan.

(Lacht) Ja, das stimmt. Ich steh’ auch dazu. Mein Vater war Fan von Eintracht Frankfurt und fand auch alle anderen Clubs gut, außer den FC Bayern München. Da war die Wahl für mich klar. Aber ich bin kein glühender Anhänger, der regelmäßig ins Stadion geht.

Hat Rot-Weiss Essen dennoch eine Chance, Sie als Fan zu gewinnen?

Die Sparkasse hat eine Loge, einen Tisch im Assindia-Bereich und Karten für die Rahn-Tribüne, die wir regelmäßig unter unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlosen. Auch ich bin immer mal wieder dort und war schon zweimal bei einem Spiel. Zuletzt habe ich mir die Begegnung gegen 1860 München angesehen. Das war kein gutes Spiel. Aber wenn man bedenkt, dass RWE erst 2022 in die dritte Liga aufgestiegen ist und jetzt um die Relegation mitgekämpft hat, kann Essen schon stolz sein.

Mit Blick auf den geplanten Ausbau des Stadions: Wird sich die Sparkasse als Sponsor bei Rot-Weiss Essen nochmal stärker einbringen?

Wir gehören zu denen, die jetzt schon relativ viel tun, und wir bleiben auch weiterhin engagiert.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]