Essen-Altenessen. Auch über zwei Jahre nach Kriegsbeginn kommen Ukrainer nach Essen. In einer ehemaligen Klinik zu leben, bietet für manche Vorteile.
Krankenhaus bleibt Krankenhaus, daran ist nicht zu rütteln. Die Flure, die Fußböden, die Türen: unverkennbar. Im ehemaligen Marienhospital in Altenessen versucht ein Team der CSE (Caritas-SkF-Essen gGmbh) dennoch, es möglichst wohnlich zu gestalten. Denn hier leben Menschen: viele seit Monaten, und einige wenige schon seit Jahren. 152 sind es aktuell, zwischen 0 und 91 Jahren.
Kurz nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine eröffnete die Stadt Essen gemeinsam mit der CSE ein Übergangswohnheim für Geflüchtete: erst auf zwei Etagen, später kam eine dritte hinzu. Bis zu 200 Menschen pro Monat kamen hier phasenweise an. „Anfangs dachten wir: Das wird nicht lange dauern. Planen wir mal mit drei Monaten“, sagt die Leiterin Stefanie Horstmann. Doch bis heute nimmt die Einrichtung Geflüchtete auf: aktuell etwa einen bis zwei pro Woche.
Die meisten Geflüchteten im Essener Marienhospital besuchen Sprach- und Integrationskurse
Um diese Menschen und ihre Belange kümmert sich Stefanie Horstmann gemeinsam mit einem 14-köpfigen Team und einigen Ehrenamtlichen. Sie bieten Sprechstunden an, vermitteln Experten, etwa bei rechtlichen Fragen, organisieren Workshops, unterstützen bei der Suche nach einem Sportverein, oder einer Wohnung. „Natürlich nur, wenn eine Familie diese Unterstützung auch will“, so Horstmann. Einige Menschen nämlich würden sich sehr schnell selbst um einen Job und eine eigene Wohnung kümmern, oder zu Angehörigen weiterreisen.
Andere hingegen täten sich schwer damit, einen Neuanfang zu versuchen. „Einzelne haben für sich noch keine Perspektive gefunden und warten ab“, sagt Stefanie Horstmann. Das seien beispielsweise alleinstehende Mütter mit Kindern, die nur darauf warten, zu den Vätern in die Heimat zurückkehren zu können, oder Senioren, die nicht mehr arbeitsfähig sind, oder nicht mehr allein zurechtkämen. „Für sie ist es besonders hart, sich in einem fremden Land neu zu orientieren und Fuß zu fassen“, sagt die Sozialarbeiterin Marghalei Nayebkhail-Popal.
Insgesamt aber würden sie die ukrainischen Menschen, insbesondere die Frauen, als sehr energiereich erleben, berichten Popal und Horstmann. Natürlich geprägt von ihren Erfahrungen und Erlebnissen, aber auch „im Arbeitsmodus“: „Sie wollen etwas erreichen und weiterkommen.“ Fast alle seien an Sprach- und Integrationskurse angebunden.
Unterkunft im Marienhospital Altenessen bietet 300 Plätze für Geflüchtete
300 Plätze, davon 50 für Notfälle, bietet das Übergangswohnheim aktuell. Alle Schilder in der Unterkunft sind zweisprachig. Es gibt ein Spielzimmer für die Kinder, und eine Kleiderkammer, außerdem ein kleines Musikzimmer mit drei Gitarren und ein paar Sitzmöbeln. Nebenan soll ein Raum für Gymnastik oder Yoga hergerichtet werden.
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Bei den Zimmern für die Bewohner handelt es sich um klassische, barrierefreie Patientenzimmer, allerdings mit normalen, schlichten Einzelbetten ausgestattet. Je nach Größe und Bedarf der Familie bieten die Zimmer zwei bis sechs Schlafplätze. Dass Dusche und Toilette direkt in den Zimmern vorhanden sind, mache es für die Bewohner etwas bequemer, so Stefanie Horstmann. „In manchen anderen Unterkünften ist das nicht der Fall.“
Der Tagesablauf wird hauptsächlich durch Kita und Schule, Sprach- und Integrationskurse, und die Mahlzeiten strukturiert. Hinzu kommt bei manchen Kindern ein Hobby wie Sport oder Musikunterricht, und bei einigen Erwachsenen ein Job. Zudem bemühen sich Mitarbeiter und Ehrenamtliche, immer wieder auch gemeinsame Aktionen und Ausflüge zu organisieren. „Daran nehmen dann die meisten Bewohner auch teil“, so Horstmann.
Stadt Essen hat Mietvertrag mit Contilia bis März 2025 verlängert
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Noch immer werden auch Notfälle aufgenommen: Menschen, die „ohne Gepäck, nur mit ein paar Plastiktüten“ ankommen. Um sie zumindest mit Hygieneartikeln ausstatten zu können, benötigt das Team Spenden. „So lange noch kein Leistungsantrag bewilligt wurde, fließt kein Geld“, erklärt Stefanie Horstmann. Die Menschen könnten sich also noch nicht selbst versorgen.
Team benötigt weiterhin Spenden
Zu Beginn habe man „enorm viele Spenden“ erhalten, sagt Einrichtungsleiterin Stefanie Horstmann. Das habe jedoch stark nachgelassen. Der Bedarf an Kleidung sei gedeckt, doch weiterhin würden regelmäßig Hygieneartikel für die Erstversorgung der Ankommenden benötigt. Dazu gehören: Duschgel, Shampoo, Zahnbürsten und Zahnpasta, Damenhygienartikel, Handtücher, Inkontinenz- und Babywindeln. Der aktuelle Bedarf kann auf der Internetseite https://www.cse.ruhr/sachspenden/ eingesehen werden.
Um beispielsweise Ausflüge für alle anbieten und in Einzelfällen Menschen flexibler und besser unterstützen zu können, nimmt das Team auch Geldspenden entgegen. „Das Spiel- und Kreativangebot ist rein über Spenden finanziert“, erklärt Stefanie Horstmann.
Zudem wird noch jemand gesucht, der Zeit und Lust hätte, ehrenamtlich Yoga oder Gymnastik in einem Raum des Übergangswohnheims anzubieten.
Prognosen zufolge könnten der Stadt Essen 2024 insgesamt 2100 aus der Ukraine geflüchtete Menschen zugewiesen werden, erklärt Stadtsprecherin Jacqueline Riedel. Basis für diese Schätzung sei der Newsletter des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration NRW. Dieser rechne für das Jahr 2024 mit 70.000 Geflüchteten, die in NRW bleiben. „Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, werden nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Für Nordrhein-Westfalen sind das 21,08 Prozent aller Flüchtlinge. Davon werden dann 3 Prozent auf die Stadt Essen verteilt“, Jacqueline Riedel.
Weil der Betrieb der Übergangswohnheime von diesen jährlichen Prognosen abhängig gemacht wird, ist auch der Vertrag für die Unterkunft im Marienhospital befristet. Der Mietvertrag werde je nach Bedarf verlängert, oder eben nicht, erklärt Stefanie Horstmann. „Wir sind eine klassische Behelfsunterkunft, die irgendwann geschlossen werden wird.“ Die Stadt Essen, die die Räumlichkeiten vom Krankenhauskonzern Contilia mietet und die CSE mit dem Betrieb beauftragt, geht laut Sprecherin Jacqueline Riedel aktuell von einer Laufzeit bis Ende März 2025 aus. Was danach mit den drei Etagen passieren könnte, ist noch unklar: „Nachnutzungsperspektiven sind der Stadtverwaltung derzeit unbekannt“.
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