Essen. Verschwunden sind Supermärkte, Getränkehandel, Schreibwaren, Apotheke, Friseur, jetzt gibt es wieder einen Einkaufsbus in Essen-Leithe.

Supermärkte, Getränkehandel, Schreibwaren, Apotheke, Friseur, Physiotherapie: An all diese Geschäfte und Angebote erinnert sich Brigitte Müller sehr gut. All das lag einst in Leithe gleich vor ihrer Wohnungstür. Die 75-Jährige wohnt seit 1970 im Stadtteil, erlebte den Niedergang der Nahversorgung. Jetzt ist sie erleichtert, dass es wieder einen Fahrdienst gibt. Den bieten das Wohnungsunternehmen Allbau und die Awo erneut an.

Die nächsten größeren Geschäfte liegen nun an der Wattenscheider Straße. „Als ich ins Viertel hier eingezogen bin, konnte ich noch mit dem Einkaufstrolley losziehen“, berichtete Brigitte Müller (73), die wie ihre Namensvetterin gern im Quartier Meistersinger Park lebt. Geblieben ist hier noch der Bäcker, eine Versicherung hat ihr Büro nebenan. Vor sieben Jahren bezog sie ihre Wohnung und ist nun erleichtert, dass sie Unterstützung beim Wocheneinkauf erhält, da sie inzwischen auf den Rollator angewiesen ist.

In Essen-Leithe gibt es im Quartier Kaffeetrinken, Seniorenclub und freitags Bingo

„Wir haben eine Einstiegshilfe, damit auch jeder die Treppen in den Bus schafft“, sagt Fahrerin Sonja Späder. Wenn es darum geht, den Rollator dann im Einkaufsbus zu verstauen, packt auch Michael Minuth mit an. Dann hält er den Seniorinnen den Schirm, trägt ihre Taschen oder ist beim Ein- und Aussteigen behilflich. Er ist beim Allbau für das soziale Management in der Leither Siedlung zuständig, in den Räumen neben seinem Büro treffen sich die Bewohnerinnen regelmäßig zum Kaffeetrinken, beim Seniorenclub, freitags zum Bingo oder eben auch nach dem Einkaufen.

Dienstags geht es am Isingplatz los. Punkt neun Uhr steht der Bus bereit, in dem insgesamt acht Personen mitfahren können. Es geht zum kleinen Einkaufszentrum an der Wattenscheider Straße mit Discounter, Supermarkt, Ärzten, Apotheke und Tierfuttergeschäft. Nach einem halben Jahr Pause ist der Einkaufsbus nun wieder wöchentlich unterwegs. Dabei hat das Angebot sogar die Corona-Zeit überstanden, als der Einkaufsfahrdienst allein losfuhr und die Einkaufstüren dann bei der Stammkundschaft ablieferte.

Der Leiter des Julius-Leber-Hauses, Jürgen Zips-Zimmermann, springt als Ersatzfahrer beim Einkaufsbus in Essen-Leithe ein.
Der Leiter des Julius-Leber-Hauses, Jürgen Zips-Zimmermann, springt als Ersatzfahrer beim Einkaufsbus in Essen-Leithe ein. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Jetzt sitzt Fahrerin Sonja Späder als Honorarkraft am Steuer, Jürgen Zips-Zimmermann springt bei Bedarf ein. Diese Kosten trägt die Awo, finanzielle Unterstützung gibt es vom Allbau. Eine Kooperation, die bereits in Altendorf und Huttrop existiert, und die in Leithe schon vor elf Jahren ins Leben gerufen worden ist. Damals modernisierte der Allbau als Eigentümer seine Wohnungen und lernte dabei auch viele der Senioren unter den insgesamt 1250 Bewohnern (rund 550 Mietparteien), deren Bedürfnisse und Nöte kennen.

Senioren der Siedlung in Essen-Leithe sollen ihre Selbstständigkeit lange erhalten können

So sei das Projekt gemeinsam mit der Awo entstanden, den Mietern im Isinger Feld ein Einkaufserlebnis zu bieten, da diese ihr „wohnortnahes Einkaufsparadies“ verloren hatten, erinnert sich Allbau-Prokurist Samuel Serifi. Damit verbunden sei eine verlässliche Struktur, der Kontakt unter Nachbarn und vor allem auch die Möglichkeit, so lange wie möglich gut versorgt in der eigenen Wohnung leben zu können.

„Wir suchten nach einer Idee, die einerseits zum Erhalt der Selbstständigkeit beiträgt und andererseits vielleicht auch die Nachbarschaft stärkt“, sagt Serifi. Durch den Einkaufsdienst kämen ältere Menschen aus ihren vier Wänden und blieben in ihrem Umfeld mobil. „Gleichzeitig erleben unsere Mieter etwas, treffen vielleicht Bekannte, halten ein Schwätzchen und haben vor allem einen Termin, auf den sie sich freuen“, erläutert er.

Stellen gemeinsam den Einkaufsbus in Essen-Leithe auf die Beine: Awo-Chef Oliver Kern, Jürgen Zips-Zimmermann, Fahrer und Leiter Julius-Leber-Haus, Michael Minuth, Sozialarbeiter Allbau, und Allbau-Prokurist Samuel Serifi.
Stellen gemeinsam den Einkaufsbus in Essen-Leithe auf die Beine: Awo-Chef Oliver Kern, Jürgen Zips-Zimmermann, Fahrer und Leiter Julius-Leber-Haus, Michael Minuth, Sozialarbeiter Allbau, und Allbau-Prokurist Samuel Serifi. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Möglicherweise profitierten auch die Angehörigen von dem Service, ergänzt Awo-Chef Oliver Kern: „Während Angehörige vielleicht durch den eigenen Alltag stark gebunden sind, können die älteren Menschen unabhängig davon ihren Einkauf selbst organisieren.“ Das Angebot ist kostenlos und sollte die Nachfrage steigen, bleibe niemand stehen, versichert Kern: „Bei Bedarf fahren wir eben zweimal.“ Vor Ort warten dann Fahrerin oder Fahrer, bis die Einkäufe erledigt sind. Gegen elf Uhr geht es wieder zurück.

Mieterinnen werben in der Nachbarschaft in Essen-Leithe für den Einkaufsbus

Nicht nur Brigitte Müller (75) war glücklich darüber, dass der Einkaufsbus nun wieder bereitsteht. Groß war ihre Sorge, wie es sonst hätte weitergehen sollen, nachdem sie all die Jahrzehnte mit ihrem Mann in der Siedlung gelebt hat, in der nach und nach sämtliche Geschäfte verschwanden. Ihr Mann ist inzwischen gestorben, ihr Sohn wohnt nicht in Essen, so ist sie auch bei den täglichen Besorgungen auf sich gestellt und nutzt den Bus regelmäßig wie dankbar. Gleiches gilt für Anne Schramm, die 1968 mit ihren Eltern ins Quartier zog und nach einiger Zeit außerhalb vor etwa 20 Jahren zurück nach Leithe kam. Auch die 64-Jährige kennt noch die Zeiten, da alle Geschäfte mit wenigen Schritten erreichbar waren.

Nun sind es vor allem die drei Seniorinnen, die dienstags nicht nur in den Einkaufsbus steigen, sondern auch für diesen werben. „Früher waren wir mal neun“, sagt Brigitte Müller über Mitfahrerinnen, die inzwischen im Pflegeheim lebten oder verstorben seien. Es hätten aber schon weitere Nachbarinnen Interesse bekundet. Immerhin wartet nicht nur der Einkauf auf sie, sondern vor allem viel gute Laune. Ramba-Zamba nennt es Brigitte Müller (73) lachend. Und Anne Schramm sagt schmunzelnd: „Wenn wir ins Auto steigen, könnte man das auch Partybus nennen.“

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