Essen. „Star-Crossed Lovers“: Caner Akdeniz zeigt eine zeitgemäße Fassung des Shakespeare-Klassikers im Grillo-Theater zusammen mit Essener Jugendlichen
Die größte Liebesgeschichte aller Zeiten? Mit der romantischen Vorstellung von bedingungsloser Liebe bis in den Tod kann Regisseur Caner Akdeniz wenig anfangen. „Was die Liebe angeht, hat die Zeit Romeo und Julia eingeholt“, findet der Theatermacher. Also wird die berühmteste Liebestragödie der Weltliteratur eine etwas andere Setzung bekommen, wenn das Essener Ensemble zusammen mit Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Nord und weiteren jungen Essenern „Star-Crossed Lovers“ auf die Bühne bringt.
Romeo und Julia sind im Titel gestrichen, gleichwohl basiere der Abend zu 90 Prozent auf dem Shakespeare-Klassiker in der Bearbeitung von Thomas Brasch, sagt Akdeniz über das Langzeitprojekt, das schon im vergangenen Herbst mit Workshops an verschiedenen Schulen angelaufen ist, darunter auch an der Gesamtschule Nord.
Verona trifft Vogelheim: Auch für die jungen Mitspieler sei die große, romantische Liebe dabei nicht das wesentliche Thema gewesen. Aspekte wie Gewalt, gesellschaftliche Ressentiments und soziale Spaltung hätten in den Diskussionen einen viel größeren Raum eingenommen, berichtet Dramaturgin Katharina Rösch.
Die Montagues und Capulets zu verfeindeten Clans zu machen, hätte bei einer Ruhrgebiet-Inszenierung natürlich nahe gelegen. Doch so leicht haben es sich Regisseur Caner Akdeniz und das Produktionsteam nicht gemacht. Die verfeindeten Familien stehen im Schauspiel Essen nicht für verschiedene Ethnien, sondern bilden jeweils die Gesamtheit der verschiedenen beteiligten Nationen ab. „Wir wollten keine Trennung. Es ist ein Abbild von Deutschland“, sagt Akdeniz, der als Sohn türkischer Gastarbeiter 1989 in Nürnberg geboren wurde.
Aus den verfeindeten Familien werden keine Clans
Der junge Regisseur hat zuletzt Büchner mit „(Making) Woyzeck“ in Essen auf seine Aktualitätsbezüge abgeklopft. Nach der Inszenierung in der kleineren Studio-Bühne „Ada“ wechselt Akdeniz nun auf die große Grillo-Bühne. Und sorgt dort für einen besonderen Perspektivwechsel. Die Theatergäste können nämlich sowohl klassisch im Zuschauerraum sitzen oder aber einen der 100 Plätze auf der Bühne einnehmen.
Hinzu kommt ein besonderer Erzählkniff. In Essen wird die Geschichte rückwärts gespult. Die toten Liebenden werden gewissermaßen wieder zum Leben erweckt. Die Erzählweise sei zusammen mit den Jugendlichen entwickelt worden, berichtet Akdeniz. Für ihn hat die Lesart auch mit der Wahrnehmung und Nutzung sozialer Medien zu tun. So wie er sich auf Youtube oder TicToc zunächst die aktuellen Beiträge ansehe und bei Interesse dann weiter zurückgehe, spult man in Essen nun auch bei Shakespeare zurück. Ein Vorteil sei dabei, dem von Shakespeare angelegten schicksalhaften Verlauf zu entgehen, findet Dramaturgin Katharina Rösch.
Durch das Rückwärtserzählen solle stärker deutlich werden, welche falschen Entscheidungen, verpassten Chancen und ungelösten Konflikte letztendlich zum tragischen Ende der beiden Liebenden geführt haben. Und wie man solche tragischen Zuspitzungen möglicherweise auch verhindern kann. Für Akdeniz geht das Konzept auf. Wer das Stück nicht schon unzählige Male gesehen habe, könne meinen, dass es so und nicht anders geschrieben worden sei.
Die Inszenierung arbeitet auch mit filmischen Mitteln
Um die aktuellen Lebenswelten der Jugendlichen stärker einzubeziehen, nutzt der Abend auch filmische Mittel. Eingeblendete Videosequenzen dokumentieren den Entstehungsprozess des Projekts, das auf eine Initiative des Theatermusikers Torsten Kindermann und des in Essen geborenen Dramatikers und Drehbuchautors Akin Emanuel Sipal zurückgeht. Mittlerweile hat Giovanni Berg die Musik übernommen.
Cander Akdeniz hat die Zusammenarbeit mit den jungen Darstellerinnen und Darstellern als sehr bereichernd empfunden. Das seien „extrem wache Menschen“, so der Regisseur, „da steckt Power dahinter“.
Die Premiere von „Star-Crossed Lovers“ ist am 13. April, 19.30 Uhr. Weitere Termine: 17. und 27. April, 19.30 Uhr, 28. April, 16 Uhr. Tickets unter Tel. 0201-8122-200 und online www.theater-essen.de
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