Essen. Das Deutsche Plakat Museum besitzt eine der größten Spezialsammlungen weltweit. Das Themen-Spektrum reicht von James Bond bis zur Reisewerbung.
Ein Museum geht auf Reisen. „Ferne Länder. Ferne Zeiten. Sehnsuchtsfläche Plakat“ heißt es seit dem 15. März im Deutschen Plakat Museum. Mit rund 240 historischen und zeitgenössischen Plakaten nimmt das Museum die Besucher mit auf die Reise – von Neapel bis zum Mond. Zum 50. Geburtstag schaut das Deutsche Plakat Museum in die Welt – und auf die eigene ebenso bedeutende wie wechselvolle Geschichte.
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Die Essener Plakat-Geschichte beginnt dabei schon früher. Die erste Sammlung französischer Plakate der Jahrhundertwende kommt 1964 zu Lehrzwecken an die Folkwangschule für Gestaltung. Stadt und private Unterstützer helfen bei der Erweiterung der Exponate. 1968 kann man mit „Französische Meisterplakate um 1900“ in der Villa Hügel bereits einen veritablen Ausstellungserfolg landen, ein Jahr später wird das Deutsche Plakat Museum e.V gegründet. 1974 übernimmt die Stadt die Trägerschaft in Abstimmung mit dem Trägerverein und gliedert das DPM organisatorisch dem Museum Folkwang an – die offizielle Geburtsstunde des Deutschen Plakat Museums (DPM), das heute eine der größten Spezialsammlungen in Europa mit mehr als 350.000 Exponaten beherbergt.
Einen ersten Standort findet das DPM in der Alten Synagoge. Der damalige NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau eröffnet dort 1970 die erste große Ausstellung. Der jüdische Sakralbau wird damals schon über mehrere Jahre als „Haus der Industrieform“ genutzt, dem Vorläufer des späteren Design-Zentrums NRW.
Staub und Schimmelbefall
Die Sammlung wächst schnell, bald müssen neue Räume her. 1979 wandern die Depots zunächst in die Theaterpassage an der Rathenaustraße, 1983 kommen dort auch Ausstellungsflächen dazu. Regelmäßige Präsentationen sorgen für Aufmerksamkeit. Schenkungen, Übertragungen und auch Ankäufe lassen die umfängliche, aber lose Sammlung weiter wachsen. Viel Material, wenig Systematik. Bald platzen die Depots aus allen Nähten und der bis heute beklagte bauliche Zustand der Theaterpassage wird schlechter. Schwankende Temperaturen, und Feuchtigkeit setzen der in den Kellerräumen untergebrachten Sammlung zu. Staub und Schimmelbefall sorgen zum Teil für einen beklagenswerten Zustand der Exponate. Ein Notprogramm rettet die Existenz der gewaltigen Sammlung, als es schon Schließungspläne gibt. Eine umfangreiche, anhaltende Sichtung, Sortierung, Restaurierung und systematische Erfassung läuft an. Und ein neuer Standort scheint Anfang der 2000er Jahre auch gefunden: das Welterbe Zeche Zollverein.
Doch es kommt anders. Seit 2008 ist das DPM eine eigenständige Abteilung des Museum Folkwang und kümmert sich als eigener Sammlungsbereich nicht nur um die wissenschaftliche und historische Aufarbeitung des Mediums Plakat, sondern setzt mit vielschichtigen Ausstellungsprojekten immer wieder neue Akzente. Mal sind es französische Meisterplakate der Jahrhundertwende oder herausragendes Grafikdesign aus Japan, mal sind es zeitgenössische Plakate aus den Bereichen Politik oder kreative Werbeträger für Kulturveranstaltungen, die der Direktor des Deutschen Plakat Museums, René Grohnert, seit vielen Jahren präsentiert.
Grohnert, dessen Plakatleidenschaft im Museum für Deutsche Geschichte der damaligen DDR geweckt wurde, kommt 2005 nach Essen und kann zunächst einmal die Möglichkeit nutzen, tief in die Sammlungsbestände einzutauchen. Eine „Schatzsucherzeit“ beginnt, die in den Folgejahren zu den schönsten und unterschiedlichsten Themenausstellungen führt, die das breite Spektrum europäischer Plakatkunst abbilden, vom innovativen Gestaltungsansatz bis zum Dokument der Alltagsgeschichte.
Mal betrachten die Ausstellungen bedeutende Lebenswerke wie die Theaterplakat-Kunst von Frieder Grindler und Volker Pfüller (Flächen, die die Welt bedeuten“, 2011) oder feiern die Schaffenskraft des Jazz-begeisterten Schweizer Grafikers Niklaus Troxler. Mal blicken sie auf zeitgeschichtliche Zusammenhänge „Anschläge von drüben (DDR-Plakate aus der Zeit von 1949 bis 1990) oder beschäftigen sie sich mit der Wirkung von Werbeflächen („Think Big. Plakatideen für große Flächen“ 2014). Mal gehen Ausstellungen der Frage, wann das Plakat zur Kunst wird oder wann Kunst zum Plakat werden kann („Emil Siemeister – Vom Rufen zum semiotischen Fallenstellen“ oder bringen mit einer Auswahl von Anti-Aids-Plakaten den Safer-Sex ins Museum. Auch populärkulturelle Themen wie „50 Jahre James Bond-Plakate“ sorgen für viel Publikumszuspruch.
Plakatkunst als Türöffner
Die Funktion der Plakatkunst als „Türöffner“ sei nicht zu unterschätzen, findet René Grohnert. Denn auch wenn die „Postermanie“ der 1970er und 1980er vorbei ist, als fast jeder den Hausflur mit Zeugnissen seiner kulturellen Vorlieben schmückte – das Thema fasziniert. Im Museum Folkwang sind die Plakate im Zuge der „Neue Welten“-Hängung längst fester Bestandteil der Sammlungspräsentation – auf Augenhöhe mit der Malerei, Fotografie und Skulptur.
Die Ausstellung „Ferne Länder, ferne Zeiten“
Ferne Länder, ferne Zeiten. Sehnsuchtsfläche Plakat. Bis 7. Juli 2024 im Museum Folkwang, Museumsplatz 1, Essen. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr, Donnerstag und Freitag 10-20 Uhr.
Der prachtvolle Katalog zur Schau ist in der Edition Folkwang/Steidl erschienen und kostet 38€.
Zur Ausstellung gibt es einen Audioguide mit eigens geschriebenen Texten von Felicitas Hoppe.
Weitere Infos, auch zu Führungen, gibt es im Besucherbüro, 0201-88-45444 und unter www.museum-folkwang.de/de
Gleichwohl: „In der digitalen Welt verliert auch das Plakat an Bedeutung“, weiß Grohnert. Gerade in der Produktwerbung seien die großformatigen Werbeträger oft nur noch ein Teil von kompletten Kampagnen, platziert zwischen Fernsehen und Internet. Wer nach besonderer Qualität Ausschau halte, findet sie aber nach wie vor; wie man auch in der jährlich in Essen gezeigten Leistungsschau „100 beste Plakate“ sehen kann.
Zum 50-jährigen Bestehen zeigt das DPM nun – genialer Zufall oder nicht – mit „Ferne Länder, Ferne Zeiten“ auch seine 50. große Ausstellung. Die Zeitreise blickt zurück in die frühen Tage des Tourismus und mit der NASA weit nach vorn auf den Urlaub im All. Die Zukunftsentwürfe für den Weltraum-Tourismus sehen dabei wieder erstaunlich nostalgisch aus.
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