Essen. Projekt wird auf mehr Essener Stadtteile ausgeweitet. Stiftung sichert Finanzierung für die nächsten Jahre. Philharmonie kooperiert mit Jugendamt

Bevor die Musik um die Ecke kommt, lugt sie manchmal schon vorwitzig durch einen Türspalt und verkündet mit einem tiefen Ton, dass da etwa Großes im Anmarsch ist - zum Beispiel eine Tuba: „Alex“ rufen 90 begeisterte Kita-Kinder. Und tatsächlich ist der Musiker der Essener Philharmoniker Alexander Kritikos schon gut bekannt bei den Kindern der städtischen Kindertagesstätte Lysegang im Ostviertel. Dass die Drei-bis Sechsjährigen überhaupt wissen, wie so eine Tuba aussieht, wie eine Trompete klingt und warum eine Posaune manchen hier ein bisschen „an Straßenrennen“ erinnert, das ist der Aktion „Musik kommt um die Ecke“ zu verdanken.

Das Projekt der Philharmonie Essen vermittelt Kindergartenkindern seit der Spielzeit 2014/15 erste, spielerische Erfahrungen mit Musik - und wird nun in Kooperation mit dem Jugendamt der Stadt Essen weiter ausgebaut. Dank der finanziellen Unterstützung der Alfred Krupp und Friedrich Alfred Krupp-Stiftung in Höhe von 175.000 Euro kann die Aktion in den kommenden Jahren in vielen weiteren überwiegend sozial benachteiligten Essener Stadtteilen stattfinden.

Projekt soll auf 50 bis 80 Einrichtungen erweitert werden

33 Kindertageseinrichtungen von Karnap bis Kray, von Vogelheim bis Freisenbruch, von Bocholt bis Horst und Altenessen sollen im ersten Schritt von der Ausweitung profitieren. In den nächsten drei Jahren soll das Projekt sogar auf 50 bis 80 Einrichtungen erweitert werden. Das Format dieses unmittelbaren Klassik-Kontaktes kommt an, denn es bringt die Musik auch in die Stadtteile, wo der Besuch einer Musikschule oder eines Kinderkonzertes nicht unbedingt zur Selbstverständlichkeit gehört.

Um möglichst viele Mädchen und Jungen unabhängig vom familiären oder sozialen Hintergrund zu erreichen, kommen die Essener Philharmoniker jeweils mit einzelnen Vertretern unterschiedlicher Instrumentengruppen und zusammen mit einem Musikpädagogen oder einer Pädagogin während der üblichen Betreuungszeiten direkt in die jeweiligen Kitas. Am Ende der jeweils dreiwöchigen Projekt-Phase steht außerdem ein kleines Konzert, zu dem auch die Eltern eingeladen sind. Das Angebot ist für die kleinen Teilnehmerinnen und Teilnehmer kostenlos und schafft es so, auch Kindern die Welt der Klänge zu eröffnen, die von Hause aus vielleicht nicht so leicht die Möglichkeit hätten, ein Instrument wie das Horn oder die Posaune auszuprobieren.

Stolz auf das gemeinsame Projekt (v. li.): Merja Dworczak (Leiterin Education / Philharmonie), Aalto-Intendantin Merle Fahrholz, TuP-Geschäftsführer Fritz Fritz Frömming, Jugendamts-Leiter Carsten Bluhm, OB Thomas Kufen, Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain und Philharmonie-Intendantin Marie Babette Nierenz.
Stolz auf das gemeinsame Projekt (v. li.): Merja Dworczak (Leiterin Education / Philharmonie), Aalto-Intendantin Merle Fahrholz, TuP-Geschäftsführer Fritz Fritz Frömming, Jugendamts-Leiter Carsten Bluhm, OB Thomas Kufen, Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain und Philharmonie-Intendantin Marie Babette Nierenz. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

An diesem Vormittag dürften alle! Im RWE-Pavillon der Philharmonie wird zum groovigen „Summerholiday“-Titel der vier Philharmoniker nämlich nicht nur gepatscht und gepustet, geklatscht und geschnippt, sondern auch schon mal kräftig in Luftrohre gepustet und mit den Armen wild probedirigiert. Nach einer halben Stunde werden die großen Instrumente dann weggeräumt und die Kleinformate rausgeholt. Jedes Kind, das mag, darf sich am Horn oder an der Trompete versuchen. Und während Solotrompeter Lásló Kunkli im Minutentakt die Mundstücke reinigt, wippt die dreijährige Aurelia schon ganz aufgeregt mit den Füßen, weil sie gleich bei Michael Hufnagel an der Posaune dran ist. Papa Kai Konschak hat seine Tochter ins Konzerthaus begleitet und freut sich über das frühmusikalische Angebot, das auch seiner Dreijährigen Lust auf ein Instrument machen soll. „Ich hoffe ja auf Tuba oder Posaune.“

Für Aurelia und all die anderen Kitakinder ist es ein aufregender Moment und feierlich dazu. Denn zum Auftakt der neuen Kooperation von Philharmonie und Essener Jugendamt sind Intendantinnen und Geschäftsführer der Theater und Philharmonie (TuP), Jugendamtsleiter, Kulturdezernent, sogar der Oberbürgermeister gekommen. Schließlich gibt es nicht nur das 100-jährige Jugendamt-Jubiläum zu feiern. Als „kinderstark“-Kommune ist Essen nun Teil eines NRW-weiten Projektes, das mithilfe einer gemeinsamen Präventionsstrategie gesellschaftliche Teilhabe verbessern und Kinderarmut bekämpfen möchte. Unter Federführung des Jugendamtes sind daran auch das Sozialamt, das Gesundheitsamtes, Job-Centers Essen und der Fachbereich Schule beteiligt.

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