Essen-Katernberg. Sanierungsstau: In der Siedlung Meerkamp in Katernberg häufen sich die Probleme. Die Mieter vernetzen sich und fordern Verbesserungen.

Es ist nicht alles schlecht in der Siedlung Meerkamp. Ruhig ist es, stellenweise beinah idyllisch: Auf einer Wiese spielen Kinder, Vögel zwitschern von den Bäumen. Thomas Rockel und Christine Schmidt leben gerne hier, sie möchten gar nicht weg: „Die Wohnungen sind gut geschnitten und man wohnt zentral“, sagen beide. Der Supermarkt sei zu Fuß erreichbar,

Bus- und Bahnhaltestellen

weitere Videos

    in der Nähe. Man könnte also ganz zufrieden sein. Eigentlich.

    Christine Schmidt und Thomas Rockel wollen die Siedlung nicht verlassen. Doch auch sie können von zahlreichen Problemen mit der Hausverwaltung berichten.
    Christine Schmidt und Thomas Rockel wollen die Siedlung nicht verlassen. Doch auch sie können von zahlreichen Problemen mit der Hausverwaltung berichten. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Doch dann zeigt Christine Schmidt den Keller: Eine trübe Brühe tropft von der Decke, darunter haben die Anwohner ein rundes Speisfass gestellt, das halb voll ist. Alle drei bis vier Tage, erklärt die 65-Jährige, würden sie dieses Abwasser, das aus den Rohren tropft, mit einem Eimer aus dem Bottich durchs Kellerfenster nach draußen schöpfen. „Wir wechseln uns damit ab.“

    Mieter der Essener Wohnsiedlung müssen regelmäßig Abwasser aus dme Keller schöpfen

    Im Keller tropft es von der Decke. Alle paar Tage müssen die Anwohner das Wasser nach draußen schöpfen.
    Im Keller tropft es von der Decke. Alle paar Tage müssen die Anwohner das Wasser nach draußen schöpfen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Die Decke, aus der die undichten Rohre kommen, sieht feucht und marode aus. „Irgendwann gehen die oben auf Toilette, und fallen bis hier runter“, scherzt Christine Schmidt. Galgenhumor. Im August hätten sie den Schaden gemeldet - repariert werden solle er im März, habe es von „Adler“ geheißen.

    Adler Wohnen Service GmbH ist das Unternehmen, das vom Eigentümer, der AFP III Germany GmbH, 2018 mit der Verwaltung der Siedlung beauftragt wurde. Von Adler können sie hier alle erzählen, und zwar nichts Gutes: Löcher im Bad, die nicht zugemacht werden; undichte Dächer, Feuchtigkeit in den Wänden, defekte Rohre. Faktisch sind die Häuser hier immer nur geflickt worden“, sagt Stadtteilmoderatorin Anne Burzlaff. Sie unterstützt die Betroffenen gemeinsam mit Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen.

    Wohnungen der Meerkamp-Siedlung in Katernberg haben mehrfach den Eigentümer gewechselt

    Zwei Mieterversammlungen haben sie bereits abgehalten, damit sich die Betroffenen austauschen, informieren, vernetzen können. Beim ersten Mal kamen 24 Menschen, beim zweiten Mal schon doppelt so viele. Auch der Vorsitzende des Katernberger Werberings und Quartiershausmeister Johannes Maas ist erschüttert von den Berichten, die er zu hören bekommt: von Familien, die mit ihren Kindern in völlig verschimmelten Wohnungen sitzen und krank werden. „Ich bekomme Gänsehaut vom Erzählen, so sehr nimmt mich das persönlich mit.“

    Die Immobilien aus den 1960er Jahren sind in der Vergangenheit durch viele Hände gegangen: „aus unserer Sicht als reines Spekulationsobjekt“, sagt Anne Burzlaff. 2004 übernahm die Ruhrboden Liegenschaften GmbH die ehemaligen Werkswohnungen von der ursprünglichen Eigentümerin Viterra, 2006 wurden sie von der Vivacon AG gekauft. 2007 übernahm ein australischer Investor, danach ein luxemburgisches Immobilienunternehmen, dann AFP. Auch die Liste der Verwalter ist lang.

    Büro der Adler-Group in der Essener Meerkamp-Siedlung bleibt unbesetzt

    Als Adler die Verantwortung für die 396 Wohnungen übernommen habe, sei es anfangs ganz gut gelaufen, sagt Siw Mammitzsch. Dass sich das Unternehmen allerdings laut zahlreicher Berichte in wirtschaftlicher Schieflage befindet, macht sich längst auch im Meerkamp bemerkbar. Das Essener Mieterbüro von Adler, das regelmäßig öffnen soll, sei ständig unbesetzt. „Die Familien fühlen sich ignoriert“, sagt Anne Burzlaff, „ihre Beschwerden kommen nicht an“. Eine Sprecherin der Adler Group entgegnet schriftlich, dass alle Schadens- und Mängelmeldungen „von unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Hausverwaltung kurzfristig geprüft und bearbeitet“ würden.

    Die Eigentümer der Gebäude haben in den vergangenen Jahren immer wieder gewechselt.
    Die Eigentümer der Gebäude haben in den vergangenen Jahren immer wieder gewechselt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Aysegül Tosun hat etwas anderes erlebt. Sie ist, das sagt sie gleich, mit den Nerven am Ende. „Schauen Sie sich das an!“ Die Küchenwände sind sichtbar feucht, an vielen Stellen hat sich schwarzer Schimmelbelag gebildet. Das gleiche Bild auf der anderen Seite der Wand, in einem kleinen Durchgangszimmer. Feuchtigkeit und Schimmel auch im Wohnzimmer. „Wann immer ich hier sitze, kann ich an nichts anderes denken als an die Probleme mit der Wohnung“, sagt die 56-Jährige.

    Viele Mieter der Meerkamp-Siedlung klagen über Schimmel und undichte Rohre

    Von Problemen mit Schimmel durch Feuchtigkeit in den Wänden berichten viele Mieter.
    Von Problemen mit Schimmel durch Feuchtigkeit in den Wänden berichten viele Mieter. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

    Ihre Nachbarin habe Eimer auf dem Tisch stehen, weil es von der Decke tropfe. Von Adler heißt es dazu auf WAZ-Anfrage: „Das beschädigte Dach ist größtenteils repariert, im Meerkamp 36 und 38 wurden neue Schweißbahnen verlegt. Wenn es die Witterung zulässt, werden auch die Arbeiten am letzten Objekt (Meerkamp 33) abgeschlossen.“ Für Anne Burzlaff ist diese Information neu: „Ich habe diese Antwort bisher nicht bekommen, und auch die Mieter und Mieterinnen nicht. Es gab einfach keine entsprechende Kommunikation“.

    Verwalter Adler-Group ließ Zwischentüren aus Wohnungen der Meerkamp-Siedlung entfernen

    Von chaotischer Kommunikation berichtet auch Thomas Rockel. „Da war zum Beispiel die Sache mit den Türen: Ich war an diesem Vormittag noch im Bademantel“, erzählt er. „Es schellt, ich mache auf und da steht ein Arbeiter, der meine Zwischentür mitnehmen will.“ Man habe ihm angedroht, Heizung und Warmwasser abzustellen, wenn er die Tür nicht hergebe. Laut Schornsteinfeger würden die Türen ein Sicherheitsrisiko darstellen, weil sie die Durchlüftung verhindern. „Aber statt einfach Lüftungsgitter in die Türen einzusetzen, haben sie die alle mitgenommen“, sagt Rockel. Er habe das Schauspiel dann noch beobachtet: Erst seien die Türen unten vor dem Haus aufgereiht und dann abtransportiert worden.

    Austausch und Beratung

    Betroffene aus dem Meerkamp, die sich mit anderen Mieterinnen und Mietern zusammenschließen möchten, können sich im Bürgerzentrum Kon-Takt oder bei der Stadtteilmoderation ISSAB, melden. Das nächste Treffen findet am 18. März um 16.30 Uhr im Bürgerzentrum Kon-Takt statt.

    Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die allgemeine soziale Beratung im Kon-Takt aufzusuchen: mittwochs von 14 bis 15.30 Uhr sowie freitags von 11 bis 12.30 Uhr. An jedem ersten Mittwoch im Monat findet außerdem eine Mietersprechstunde von 15 bis 16.30 Uhr statt.

    Zur Erreichbarkeit bei Beschwerden schreibt die Adler-Sprecherin: „Das Mieterbüro konnte in diesem Jahr aus betrieblichen Gründen noch nicht voll besetzt werden.“ Das solle sich jedoch ändern. Im übrigen verweist sie auf das Büro in Oberhausen, das Mieter ebenfalls aufsuchen könnten. Siw Mammitzsch hat starke Zweifel daran, dass Betroffene dort mehr Erfolg haben: Vor dem Besuch müsse telefonisch ein Termin vereinbart werden. Doch auch hier sei schon die Erreichbarkeit ein Problem, zudem werde regelmäßig auf das Büro in der Siedlung verwiesen.

    Essener Wohnungsaufsicht greift ein, wenn sich Vermieter nicht kümmern

    Die städtische Wohnungsaufsicht kenne die Siedlung Meerkamp „aus einzelnen Verfahren in der Vergangenheit“, wie Pressereferentin Maike Papenfuß mitteilt, bisher allerdings nicht im Zusammenhang mit undichten Dächern. Im Fall einer Erdgeschoss-Wohnung habe man die Verantwortung für Schimmelbefall bei den Mietern gesehen, Ergebisse zu einem anderen Fall stünden noch aus. Sie weist darauf hin, dass sich Betroffene an die Wohnungsaufsicht wenden könnten, „wenn die von ihnen angemietete Wohnung oder das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, schwerwiegende Mängel aufweist“. Undichte Dächer würden ebenso dazu gehören wie defekte Heizungen, nicht ordnungsgemäß zu nutzende Grundausstattungen, also Toiletten oder Bäder, beschädigte Fenster oder Eingangstüren.

    „Die Instandsetzung der von Feuchtigkeit betroffenen Wohnungen konnte aus terminlichen Gründen noch nicht durchgeführt werden“, schreibt die Adler-Sprecherin. „Wir gehen aber davon aus, dass ein Handwerksbetrieb mit ausreichenden Kapazitäten zeitnah beauftragt werden kann.“ Für Anne Burzlaff ist die Ankündigung zu schwammig: „Für jemanden, der mit gesundheitsschädlichem Schimmel in der Wohnung lebt, reicht das einfach nicht!“ Man werde die Mieter und Mieterinnen weiter dabei unterstützen, dass ihre Wohnungen in Ordnung gebracht würden, sagt sie. Denn da seien ja nicht nur die, die nicht wegzehen wollen - sondern auch die, die es einfach nicht können.

    [Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]