Essen-Nord. Anna Sadatsharifi weiß, was Schmerz bedeutet. Sie hat ihren Mann verloren, als sie schwanger war. Darum möchte sie nun anderen helfen.

Viele Monate lang hat Anna Sadatsharifi „in zwei Welten“ gelebt, die gegensätzlicher kaum sein könnten.

Die eine Welt: ihre Schwangerschaft, „unkompliziert und schön“, wie sie sagt, voller Vorfreude auf dieses neue Leben. Die andere Welt: das Krankenzimmer ihres Mannes, in dem Verzweiflung und Hoffnung miteinander rangen, und in dem sie ständig mit Gedanken an den Tod konfrontiert war.

Essenerin hofft monatelang, dass ihr Mann geheilt werden kann

Es ist um Ostern herum, 2019, als Anna Sadatsharifis Mann eines Morgens nicht mehr reagiert. Im Krankenwagen hat er einen epileptischen Anfall, auf den weitere folgen. Er wird nicht mehr richtig wach, sein Gehirn ist ununterbrochen im Krampfzustand, so dass die Ärzte entscheiden, ihn in ein künstliches Koma zu versetzen.

Damit beginnt für Anna Sadatsharifi eine Zeit der Ungewissheit: Nach sechs Wochen wird ihr Mann von Essen nach Aachen verlegt. Doch auch dort können die Ärzte und Ärztinnen den Auslöser für die Anfälle nicht finden. „Es wurden wahnsinnig viele Dinge versucht, Proben aus dem Gehirn entnommen, aber er konnte nicht behandelt werden“, erzählt die heute 34-Jährige. Nach Monaten im Koma stirbt er. Ein paar Wochen später kommt das gemeinsame Kind zur Welt.

Familie und Freunde helfen der jungen Essenerin durch eine schlimme Zeit

Wie sie durch diese Zeit gekommen ist, weiß sie heute gar nicht mehr: „Ich habe abgearbeitet, was so anfiel und irgendwie von Tag zu Tag gelebt.“ Doch sie macht auch eine Erfahrung, die sie rückblickend als „schön“ bezeichnet: die Nähe und Unterstützung von Familienmitgliedern und Freunden, die „bedingungslos“ für sie da gewesen seien.

Diese positive Erfahrung in einer stark belastenden Lebenssituation möchte sie nun anderen ermöglichen: Ab April nimmt sie an einem Kurs des Hospizdienstes Nord teil, um ehrenamtlich schwerkranke Menschen und ihre Angehörigen zu begleiten. Ein kurzer Bericht in der Kirchenzeitung habe sie aufmerksam werden lassen: „Ich wusste gleich: Das ist meins, da passe ich rein.“

30 Ehrenamtliche unterstützen den Hospizdienst im Essener Norden

Aktuell würden sich 30 Ehrenamtliche in der Hospizarbeit im Norden engagieren, sagt Kurskoordinatorin Barbara Djaja. Die meisten würden die Trauerarbeit des Hospizdienstes aus eigener Erfahrung wertschätzen und „etwas zurückgeben“ wollen. Menschen im Rentenalter seien darunter, aber auch Berufstätige wie Anna Sadatsharifi, die als Bildungsreferentin an der Kolpingakademie arbeitet. Grundsätzlich müsse man für das Ehrenamt etwa eine Stunde pro Woche aufbringen, aber es stehe den Helfern und Helferinnen frei, mehr Zeit mit den Betroffenen zu verbringen.

Neuer Kurs beginnt im April

Der kostenfreie Kurs des Hospizdienstes Nord beginnt am Samstag, 13. April, 10 Uhr. „An insgesamt zehn Samstagen werden theoretische und praktische Grundlagen zu den Themen Sterben, Tod und Trauer vermittelt“, heißt es in der Kursbeschreibung.

Nach Abschluss des Kurses begleiten die Teilnehmer schwerkranke Menschen und ihre Angehörigen im stationären Hospiz und auf Palliativstationen, aber auch in Altenheimen, Krankenhäusern und im häuslichen Umfeld.

Aktuell sind noch PLätze frei. Interessierte können sich unter www.hospiz-essen.de oder telefonisch unter 0176 20318887 informieren, oder per Mail bei den Kurs-Koordinatoren Barbara Djaja, barbara.djaja@hospiz-essen, und Jens Klöckener, jens.kloeckener@hospiz-essen.de melden.

Der Hospizdienst begleite seine Ehrenamtlichen sehr intensiv, betont Barbara Djaja: Man führe regelmäßige Gespräche, treffe sich aber auch mal zum Feiern. Zu Beginn aber würden die neuen Mitarbeiter ganz behutsam an die Arbeit herangeführt.

Auch Anna Sadatsharifi hat mehrere Gespräche mit den Kurs-Koordinatoren geführt, hat sich informieren lassen, ihre Geschichte erzählt und über ihre Beweggründe gesprochen. Ihr ist vor allem wichtig, Trauernde nicht auf ihre Trauer zu reduzieren, wie sie selbst es nach dem Tod ihres Mannes manchmal durch entferntere Bekannte erlebt hat. „Man muss auch mal über etwas anderes nachdenken dürfen. Wenn man sich nur noch damit beschäftigt, geht man daran zugrunde.“

Sterben und Tod sollen keine Tabuthemen sein

In ihrem Freundeskreis habe der Tod ihres Mannes damals noch etwas anderes ausgelöst: Das Thema Sterben sei plötzlich in den Blick genommen worden. Freunde hätten direkt nach der Hochzeit angefangen, die Dinge für sich zu regeln: Vollmachten, Verfügungen, alles, was dazu gehört. „Man darf nicht vergessen: Ein Todesfall bedeutet auch viel Verwaltung“, sagt Anna Sadatsharifi. Die eigene Angst vor dem Tod dürfe einen nicht davon abhalten, mit dem Partner oder der Familie darüber zu sprechen, was am Ende des Lebens passieren solle, oder was man sich für den eigenen Tod wünsche. „Wir können uns alle nicht aussuchen, wie wir sterben - aber wir können vorher viel dafür tun, dass es uns und unseren Angehörigen damit etwas besser geht.“

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