Essen-Werden. Ob mit Rad, ÖPNV, dem Auto oder zu Fuß: Zum Start der Essener Mobilitätsforen in Werden ging es um Vorschläge, aber auch Konflikte.
Was brauchen die Essenerinnen und Essener, um in Zukunft komfortabel und sicher mobil zu sein? Die Stadt möchte mit „Mobilitätsforen“ ihre Bürger in die Meinungsbildung einbinden. Die Ergebnisse fließen in den „Mobilitätsplan 2035“ ein. Zum Auftakt im Werdener Mariengymnasium waren rund 50 Teilnehmende angehalten, sich einzubringen, kreative Vorschläge zu unterbreiten, aber auch drohende Zielkonflikte zu benennen.
Moderator Gregor Schnittker von der Agentur IKU betonte: „Solch ein Plan kann nicht am Bürger vorbei entstehen.“ Im Mobilitätsplan sollen konkrete Strategien und Maßnahmen für eine Verkehrs- und Mobilitätsentwicklung bis zum Jahr 2035 erarbeitet werden.
Es bleiben noch knapp zehn Jahre Zeit für die Realisierung
Es bleiben nur noch knapp zehn Jahre, um durchaus hochgesteckte Ziele einer gerechten und nachhaltigen Mobilität zu erreichen. Aus der Grünen Hauptstadt 2017 entsprang der Gedanke, dass diese Ziele nur mit einer massiven Verschiebung zugunsten eines „Umweltverbundes“ aus Radverkehr, Fußverkehr und ÖPNV zu bewältigen sei.
Zulasten des Autoverkehrs. Denn zuletzt 2019 vorgenommene Haushaltsbefragungen ergaben einen Auto-Anteil von 55 Prozent, so Stadt- und Verkehrsplaner Robert Hänsch: „Mehr als eine Million der täglich etwa 1,9 Millionen Wege werden mit dem Auto unternommen.“ Dabei mache der Berufsverkehr weniger als die Hälfte der Fahrten aus. Zunehmend gebe es Freizeitverkehr, Holen und Bringen, das Einkaufen.
Er sehe durchaus Potenziale in Essen: „Lastenfahrräder werden von vielen belächelt, haben aber in einer Großstadt wirkliche Chancen, relevante Anteile zu übernehmen.“ Weiterhin sehe er Carsharing, Fahrgemeinschaften, neue Arbeitszeitmodelle und verstärkt Homeoffice. Zu beachten seien Onlinehandel und dessen Logistik. Sicherlich ein Kontrapunkt zum verstärkt auf der „grünen Wiese“ angesiedelten Handel.
Modal Split: Der Autoanteil ist mit 25 Prozent fixiert
Julian Scheer ist bei der Stadt für „Neue Mobilität“ zuständig und gab den gültigen Ratsbeschluss wieder: „Das Ziel ist es, alle Wege in Essen gleichmäßig auf die vier Mobilitätsarten zu verteilen.“ Eine „gravierende Veränderung“ des Mobilitätsverhaltens sei erforderlich. Wobei lediglich der Autoanteil mit 25 Prozent fix sein solle, es aber bei Bus/Bahn, Fahrrad und Zu-Fuß-gehen durchaus Verschiebungen geben könne. In Kleingruppen wurden spezifische Mobilitätsanforderungen besprochen im Alter, im mittleren Alter, für junge Erwachsene, für Kinder und Jugendliche. Was ist mit den Berufspendlern?
Vieles wurde wiederholt thematisiert, so die Forderung nach einem ÖPNV, der besser getaktet sei, zuverlässiger, ohne längere Wartezeiten, in den Vororten mit Quartierbussen, die mittelfristig mit Strom fahren. Radwege sollen überall ausgebaut werden und sicher sein, zusätzlich bedürfe es speziell für Ältere Informationen über moderne, viel leichtere E-Bikes und die Möglichkeit von Fahrtrainings. Bürgersteige müssten sicher zu begehen und besser beleuchtet sein.
Quartierparkhäuser ein wenig abseits der Zentren bringen eine Entlastung
Das allgegenwärtige Problem mit dem Parkraum könne durch Quartierparkhäuser ein wenig abseits der Zentren eine Entlastung erfahren. Der ÖPNV müsse attraktiver werden, auch finanziell, als der bequeme Pkw mit Sitzheizung und Musikanlage.
Zweite Runde für den Herbst geplant
Die Ergebnisse dieses Treffens werden dokumentiert und können in den kommenden Foren, aber auch online unter www.essen.de/mobilitaetsforen kommentiert und ergänzt werden.
Die weiteren Mobilitätsforen: Steele, 21. Februar, Gemeindezentrum St. Laurentius, Laurentiusberg 1; Borbeck, 4. März, Residenzsaal Schloss Borbeck, Schlossstraße 101; Innenstadt, 5. März, Unperfekthaus, Friedrich-Ebert-Straße 18; Altenessen, 8. April, Paul-Humburg-Gemeindehaus, Hövelstraße 71. Jeweils von 18 bis 20.30 Uhr.
Anmeldung erbeten auf www.essen.de/mobilitaetsforen oder unter 0201 8866632. Im Herbst 2024 ist eine zweite Foren-Runde geplant.
Es gab etliche mahnende Stimmen. So gab ein Teilnehmer angesichts des bisherigen Tempos der klimafreundlichen Veränderungen zu Protokoll: „Ob ich das alles noch erlebe?“ Selbstkritik kam von Robert Hänsch: „Sorgen bereiten mir die Menschen, die heute nicht hier waren.“ Den jüngeren Essenern fehle offenkundig die Motivation, zu einem Mobilitätsforum zu kommen: „Vielleicht müssen wir noch mal übers Format nachdenken.“
Politiker aus dem Essener Süden zeigten sich enttäuscht
Enttäuscht zeigte sich Bezirksvertreter Michael Nellessen. Der Kettwiger CDU-Mann hatte einen konkreten Bezug zum südlichsten Stadtbezirk mit seinen spezifischen, auch geologischen Besonderheiten erwartet: „Das alles hier ist viel zu allgemein gehalten, um uns vor Ort wirklich weiterzuhelfen.“ Gemeinsam mit Bezirksbürgermeisterin Gabriele Kipphardt verließ Nellessen die Veranstaltung vorzeitig.
IKU-Moderatorin Bianca Bendisch hielt fest: „Wenn man so früh dran ist mit einer Bürgerbeteiligung, ist es noch nicht konkret. Doch Sie werden sehen, dass Ihre Vorschläge und Anmerkungen sich später im Mobilitätsplan wiederfinden werden. Vermutlich nicht eins zu eins umgesetzt, aber doch im Grundgedanken.“
[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]