Essen. Es gab einige Diskussionen um die Anti-AfD-Demo in Essen. Letztlich sind doch Tausende gekommen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren.
Trotz Dauerregens füllte sich am Sonntag die Grüne Mitte in Essen mit Demonstrationsteilnehmern, die dem Aufruf des Bündnisses „Zusammen gegen Rechts“ gefolgt waren. Viele Tausend Menschen waren gekommen, um gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus zu protestieren und ein Zeichen für Vielfalt, Demokratie und Toleranz zu setzen, wie es die Veranstalter formulierten.
Die zeigten sich zufrieden mit der Resonanz – Ali Can als erster Redner verlangte mehr: „Belasst es nicht bei den Demonstrationen, seid institutionell aktiv. Findet bitte Euer Engagement“, rief der Gründer des Essener Vielrespektzentrums.
Redner dankt Teilnehmern bei Essener Anti-AfD-Demo
Zuvor hatte Can für die Solidarität all jener gedankt, die mit Spruchbändern und Regenschirmen vor der Tribüne am Jakob-Funke-Platz zusammengekommen waren. „Ich bin froh, dass Ihr hier seid“, sagte er vor allem jenen, die – anders als er selbst – in Deutschland geboren sind. Er habe hier zwölf Jahre lang mit einer Duldung gelebt, also jederzeit mit der Abschiebung rechnen müssen. Als Jugendlicher habe die stete Unsicherheit zu seinen Problemen in der Schule beigetragen, und die Erfahrung wirke bis heute nach: „Die Angst vor der Abschiebung steckt noch in den Knochen.“
Ali Can bezieht seine Überzeugungskraft insofern nicht allein aus seinem politischen Engagement, sondern auch aus seiner Biografie. Jene „Remigration“, die AfD-Politiker, Nationalisten, Rechtsextremisten sowie auch Mitglieder von CDU und Werteunion bei einem Geheimtreffen in Potsdam im vergangenen November verhandelt hatten, träfe Menschen wie ihn.
„Essen stellt sich quer“ mobilisierte im Januar 7000 Menschen
Was das Recherchenetzwerk „Correctiv“ im Januar enthüllt habe, sei keineswegs neu gewesen, und es sei hoch an der Zeit, „der AfD und Konsorten“ die Hoheit über den Diskurs zu nehmen, mahnt Can: „Wer die Grenzen des Sagbaren bestimmt, weitet die Grenzen des Machbaren.“
Was da in Potsdam sagbar war – der Plan, bis zu zwei Millionen Menschen aus Deutschland nach Afrika umzusiedeln – war bundesweit als Weckruf aufgefasst worden. Das Bündnis „Essen stellt sich quer“ rief spontan zu einer der ersten Anti-AfD-Demos auf und brachte Mitte Januar beachtliche 7000 Menschen auf die Straße – gerechnet hatte man mit 500. Seither hat die Empörung über das Geheimtreffen, über die rechtsextreme Agenda und die hohen Umfragewerte für die AfD eine bundesweite Protestwelle ausgelöst, die Millionen Menschen auf die Straße brachte.
AfD-Parteitag in Essener Grugahalle sorgt für Empörung
Durch die Nachricht, dass die AfD ihren Bundesparteitag Ende Juni in der Grugahalle veranstalten will, hat die Empörung in Essen in der Zwischenzeit neue Nahrung bekommen. Und so war vor der Demo am Sonntag vermutet worden, dass sich der verstärkte Unmut in eine entsprechende Mobilisierung für die Veranstaltung ummünzen ließe, die um 16.30 Uhr auf dem Jakob-Funke-Platz in der Grünen Mitte startete und dann vom Berliner Platz in die Innenstadt ziehen sollte.
Die Polizei stellte sich sogar auf 10.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen ein, die Veranstalter auf gut die Hälfte. „Wir denken, dass es groß wird“, formulierte Julian Pannen als einer der Pressesprecher des bundesweit aktiven Bündnisses, an dem lokal Aktivisten verschiedenster Initiativen teilnehmen – von „Essen stellt sich quer“ bis Fridays for Future“. Noch eine halbe Stunde vor Beginn der Kundgebung sah es danach allerdings nicht aus. Nur zögerlich füllte sich der Platz, die überschaubare Gruppe fand lange unter dem Vordach der Zentrale der Funke-Mediengruppe Schutz vor dem Regen. Erst kurz vor dem offiziellen Start strömten mehr Menschen aus dem U-Bahnschacht.
Kundgebung gegen Rechtsextremismus auch in Essen-Steele
Damit bestätigte sich die Zuversicht von Pannen, der zwar eingeräumt hatte, dass das Wetter die Veranstaltung nicht begünstige, aber davon ausgegangen war, dass sich der Platz noch füllen werde. Dass die ähnlich ausgerichtete Kundgebung des Runden Tisches Steele am Freitag gleichsam Demonstranten abgezogen haben könnte, hält Pannen für unwahrscheinlich. Das eine sei eine eher auf den Stadtteil ausgerichtete Veranstaltung, die Demo am Sonntag ziele auf die gesamte Stadt – und die jeweiligen Veranstalter seien miteinander im Gespräch.
Im Vorfeld hatte es eine Diskussion gegeben, ob Oberbürgermeister Thomas Kufen am Sonntag sprechen werde, doch das Stadtoberhaupt verwies auf einen geplanten Kurzurlaub. Kufen kam stattdessen zur Kundgebung in Steele und rief dort zum Protest gegen den geplanten AfD-Parteitag in der Grugahalle auf: „Wenn die AfD ihren Parteitag hier halten wird und wir es nicht verhindern können, werden wir zur Stelle sein und Haltung zeigen.“
Demo gegen Rechtsextremismus in Essen zog eineinhalb Stunden durch die Innenstadt
Das Bündnis „Zusammen gegen Rechts“ wiederum erklärte: „Bei der Redenauswahl fokussieren wir uns allgemein auf nicht parteipolitische Akteure und Akteurinnen. Wir haben ein breites Bündnis aus der gesamten Zivilgesellschaft.“ So sprachen neben Ali Can zum Auftakt Vertreterinnen von Falken und Antirassismustelefon, später sollte eine Verdi-Sprecherin ans Mikrofon treten. Zum Ausklang sorgten die Smartphones der Demonstranten für ein stimmungsvolles Lichtermeer vor dem Abendhimmel.
Zuvor aber zog die Demo anderthalb Stunden durch die Innenstadt, friedlich und diszipliniert. Einen kleineren Zwischenfall gab es offenbar, als ein Polizist einen Demo-Teilnehmer an der Kreuzung Huyssen-allee / Rüttenscheider / Friedrichstraße übersah und mit dem Motorrad anfuhr. Ein Krankenwagen wurde gerufen, der Mann wurde aber offenbar nicht schwer verletzt.
Am Ende sprachen die Veranstalter übrigens von stolzen 15.000 Teilnehmern, die Polizei von 6000.
AfD-Parteitag in Essen:
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