Essen-Borbeck. Mit einer besonderen Stolperstein-Aktion wurde nun in Essen der Opfer des NS-Regimes gedacht. Etwa 50 Menschen begleiten den Rundgang in Borbeck.
Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz wurde in Essen-Borbeck mit einer besonderen Aktion der Ermordung von Borbecker Jüdinnen und Juden und weiterer Opfer des Naziregimes gedacht. Etwa 50 Menschen folgten am Samstag, 27. Januar, dem „Stolperstein-Putzen“, zu dem ein Bündnis rund um die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ in Essen aufgerufen hatte. „Wir wollen damit auch ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen“, erklären die Organisatoren des VVN-BdA Essen.
An 11 Stationen gedachte die Gruppe an diesem Samstagvormittag insgesamt 19 Menschen, deren Leben von den Nationalsozialisten auf brutalste Weise beendet wurde. Mit der Verlesung kurzer Biographien, dem Polieren der Stolpersteine, Blumen und Kerzen wollten die Organisatoren an diesem Tag gemeinsam das Gedenken wach halten.
Gesellschaft soll sich durch Einzelschicksale stärker berühren lassen
„Man geht im Alltag so häufig über die Steine hinweg, dabei stehen alle diese Namen für einzelne Menschen und Geschichten“, so erklärt eine Teilnehmerin aus dem Verein. Sie wünsche sich, dass mehr Menschen durch diese öffentliche Aktion angeregt werden, genauer hinzuschauen und sich durch die Einzelschicksale berühren lassen.
Das Putzen der Stolpersteine in Borbeck-Mitte stellt den Auftakt einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe unter dem Motto „Rechtsextremismus in Essen-Borbeck entgegentreten“ dar, mit das Organisationsteam deutlich einen Bezug zu den Gefahren durch Rechtsextremismus und Rassismus der Gegenwart herstellt. „Es ist ganz wichtig zu sagen: Wir leisten hier Erinnerungsarbeit, der es aber immer mit der Gegenwart und Zukunft zu tun ist“, so ein Mitglied der VVN BdA Essen. „Nie wieder ist jetzt, ein Versprechen, das es ständig zu erneuern gilt.“
Bündnis gegen Rechtsextremismus vereint in Essen-Borbeck viele lokale Akteure
So hatte sich das Bündnis, dem neben der VVN BdA Essen auch „Essen stellt sich quer“, das „Antirassismus-Telefon Essen“, „Die Falken“ Kreisverband Essen, die Initiativen „Es reicht!“ – Oberhausen solidarisch gegen Rechts“, „Aufstehen gegen Rassismus Essen“ sowie das Coffee Corner und das Café Nova angehören, als Reaktion auf den vereitelten rechtsterroristischen Anschlag an zwei Schulen in Essen-Borbeck im Mai 2022 und die bis Anfang 2023 wöchentlich stattfindenden Reichsbürger-Kundgebungen gegründet.
Das Bündnis moniert, dass die Aktivitäten der Reichsbürger in Borbeck wie auch der vereitelte Anschlag auf die Borbecker Schulen sowohl auf politischer als auch zivilgesellschaftlicher Ebene nicht angemessen bearbeitet worden sei. Nicht zuletzt deshalb habe sich das Bündnis gegründet, so die VVN BdA.
Mit Aktionen wie in Essen-Borbeck, aber auch gut aufgearbeiteten Infomaterialien zur vernetzten Reichsbürgerszene in Essen will man nun Aufklärungsarbeit leisten, aber auch unbequeme Fragen stellen: Wie steht es um die Auseinandersetzung mit Rechtsradikalismus in den Schulen? Wieso werden Vorfälle wie die in Borbeck nicht im Kontext gesehen, sondern als Taten Einzelner verharmlost? Am Samstag wurde daher an einem Stand auf dem Borbecker Marktplatz informiert.
Weitere Vorträge zum Thema Rechtsextremismus am 21. Februar im Coffee Corner
Die nächste Veranstaltung wird am Mittwoch, 21. Februar, um 18.30 Uhr im Coffee Corner stattfinden. Dort wird die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ und „Essen stellt sich quer“ Vorträge über die rechtsextreme Szene allgemein und lokal halten. Mit dem Ziel, die Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus im Stadtteil zu aktivieren, aber auch, um zu einer weiteren Aufarbeitung des Themas anzuregen.
Am Stolperstein-Rundgang in Essen-Borbeck nahm auch eine Borbeckerin teil, die sich seit vielen Jahren in der Counter-Speech-Initiative „#Ichbinhier“ gegen Hassrede im Netz engagiert: „Ich wohne hier in der Nachbarschaft und finde es wichtig, gerade diese kleinen Aktionen mit Lokalbezug zu unterstützen“. Viele aus ihrem Bekanntenkreis hätten die Vernetzung rechter Vereinigungen unterschätzt und sich über ihr hartnäckiges Engagement gewundert. Dabei sei gerade die kontinuierliche Arbeit im nächsten Umfeld so wichtig.
„Von der Politik wünsche ich mir, dass sie sich nicht von der AfD vor den Karren spannen lässt und nicht deren Stammparolen übernimmt.“ Sie sei vor allem froh, dass in den letzten Wochen eine schweigende Mehrheit aktiviert werden konnte und gezeigt hat, dass sie nicht alleine steht.
Bundesweite Demonstrationen gegen die AfD machen Mut
Die Organisatoren der Borbecker Stolperstein-Aktion fühlen sich nach eigenem Bekunden durch die Demonstrationen von 100-tausenden Menschen gegen die AfD, die auch dieser Tagen bundesweit stattfinden, bestärkt: Auch wenn sie von der Vernetzung radikaler Rechter und ihren Plänen zur massenhaften Deportation von Menschen nicht wirklich überrascht waren, seien sie froh, dass nun auch eine breite Öffentlichkeit und die Medien aufmerksam geworden seien, so eine Vertreterin vom Antirassismus-Telefon: „Diese Aufmerksamkeit dient der guten Sache“.
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