Essen. Ernüchternde Bilanz nach einem Jahr Bürgergeld: Mehr Arbeitslose lehnen Arbeit ab, verweigern sogar die Kooperation. Warum das abzusehen war.
Praktiker haben immer davor gewarnt, den Bezug von Transfermitteln durch das „Bürgergeld“ noch attraktiver zu machen, und sie haben natürlich recht behalten. Die Zahlen in Essen nach einem Jahr Bürgergeld sind eindeutig, und sie werden woanders nicht viel besser sein: Seit der missratenen Reform ist es noch schwerer geworden, arbeitslos Gemeldete zu motivieren, eine offizielle Arbeit anzunehmen, weil eine zunehmend größere Zahl offenbar auch so ganz gut klarkommt. Das gilt erst recht, wenn auf inoffiziellen Wegen der eine oder andere Euro hinzuverdient wird, was zu vermuten nicht sonderlich lebensfern ist.
Welches naive Menschenbild ist hier eigentlich die Grundlage?
Was sich besonders verheerend auf die Kooperationsbereitschaft der sogenannten „Kunden“ auswirkt, ist die deutlich erschwerte Sanktionsmöglichkeit. Zwar sind theoretisch weiterhin Kürzungen bis zu 30 Prozent möglich, doch nur über lange Zeiträume und in kleinen Schritten. Wer über ein gewisses Quantum an Raffinesse verfügt, wird leicht Wege finden, um sich den Sanktionen ganz zu entziehen.
Frechheit siegt, sagen sich da manche, ignorieren „Einladungen“ und kommen erst gar nicht mehr beim Jobcenter vorbei. Man fragt sich immer wieder, welches durch und durch naive Menschenbild bei solchen Gesetzen die Grundlage bildet. Ob die Macher wirklich selbst an ihre merkwürdig idealistischen Vorstellungen glauben?
Besonders tragisch ist, dass sich in Essen vor allem junge Leute durch das Bürgergeld zu einem Leben im bedingungslosen Transfermittelbezug eingeladen fühlen. Viele sind schulisch und/oder beruflich schlecht qualifiziert, was sich ändern lässt – oft aber nur, wenn die Angebotsebene mit dem nötigen Druck verknüpft wird. Wie aber will man jemanden, der von sich aus womöglich nur schwache Motivation verspürt, unter den Bedingungen des Bürgergeldes zu Anstrengungen bewegen, ohne die das Berufsleben nun mal leider nicht zu haben ist? Dass die Mitarbeiter des Jobcenters vielfach nicht mehr durchdringen, ist bei derart massiven Fehlanreizen nur logisch.
Schon der Begriff suggeriert: Auf Kosten anderer zu leben ist normaler Lebenstil
Schon der Ausdruck Bürgergeld ist psychologisch vollkommen falsch und suggeriert quasi, jedes Recht der Welt zu haben, auf Kosten anderer zu leben. Was mal als Hilfe der Solidargemeinschaft in einer Notlage gedacht war, wird faktisch zu einem Lebensstil unter vielen geadelt. Zu Recht fasst man sich vor Ort an den Kopf über eine derart schlechte Arbeit bei der Sozialgesetzgebung. Das letzte Wort kann dieser Stuss unmöglich sein. Dabei ist gerade Essens Sozialdezernent Peter Renzel wahrlich einer, der ein Herz für Menschen hat, die sich in echten Notlagen befinden. Die darf man aber nicht mit denen verwechseln, die einfach nur faul sind.
Mit dem Bürgergeld hat der Staat den Jobcentern eine Struktur verordnet, mit der die wirklich Bedürftigen und die Faulen noch schwerer als früher voneinander zu trennen sind. Wie all das bei jenen ankommt, die wenig verdienen und trotzdem jeden Tag zur Arbeit gehen, kann man sich leicht vorstellen.
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