Essen. Die Beziehung endet, Kinder werden als Druckmittel eingesetzt: In dieser Situation finden betroffene Elternteile eine Anlaufstelle in Essen.

Thomas Winter* war fast drei Jahrzehnte lang verheiratet. Dann verließ ihn seine Frau für einen anderen. Die Trennung? „Sehr belastend, sehr schwierig“, sagt der 48-Jährige. „Auch wenn nicht alles super lief, hatte ich nicht damit gerechnet.“ Das Ehepaar hat ein gemeinsames Kind. „Ich bin ein totaler Familienmensch, mein Kind bedeutet mir alles“, betont Winter. Hilfe bekam er beim Verein „Eltern für Kinder im Revier“ (Efkir).

Efkir ist ein Selbsthilfeverein für Väter, Mütter und Kinder, die von Trennung und Scheidung betroffen sind. Im Fokus steht nach Angaben des Vereins insbesondere die Aufrechterhaltung der Bindungen und Beziehungen der Kinder zu beiden Eltern und zu ihren jeweiligen Familien- und Freundeskreisen. Weitere Hilfen betreffen die Themen Sorge, Betreuung, Eltern-Kind-Entfremdung, Unterhalt und andere. Auch der richtige Umgang mit Behörden, Gerichten, Familienberatern und Rechtsanwälten ist ein zentrales Thema. Einmal im Monat trifft sich eine Selbsthilfegruppe.

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Betroffener Vater über Trennung: „Ich hätte die Eskalationsspirale gestartet“

Thomas Winter gesteht sich heute ein: Ihm habe der Verein vor allem dabei geholfen, nicht von sich aus den Konflikt mit seiner Frau eskalieren zu lassen. Nach der Trennung habe er einen wilden „Gefühlsmix“ empfunden, „Traurigkeit und Hass“, seien dabei gewesen. Bei der Suche nach Selbsthilfegruppen stieß er auf das Angebot von Efkir. „Ich bin zum Verein gegangen, habe meine Geschichte erzählt – und sofort einen wichtigen Rat bekommen“, erzählt Winter. Nämlich: „Triff in den ersten drei Monaten nach der Trennung keine wichtigen Entscheidungen.“

Im Schmerz nach dem Beziehungsende sei er bereit gewesen, Dinge zu tun, nur um seine Noch-Ehefrau zu verletzen. Im Verein habe man ihn beschwichtigt und ihn beispielsweise davon abgehalten, sofort mit einer Anwältin anzurücken. „Damit hätte ich eine Eskalationsspirale gestartet“, ist er sich sicher. Inzwischen hat er seinen Frieden mit dem Ehe-Aus gemacht, seine Ex-Partnerin und er haben ein Wechselmodell vereinbart. Das heißt, sie betreuen ihr Kind etwa zu gleichen Zeitanteilen. „Ich kann jedem nur empfehlen, zum Verein zu gehen, wenn er in einer ähnlichen Situation ist“, betont Winter. Zwar habe auch er sich zunächst schwer getan, „als gestandener Mann“ eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Doch es habe sich gelohnt: „Die Leute beim Verein haben wirklich viel Erfahrung.“

Essener Verein setzt sich für Mediation zwischen Getrennten ein

Vorsitzender des Vereins ist seit 2019 Stefan Dringenberg. Er hat selbst eine schwierige Trennung durchgemacht und berichtet von großem Zulauf bei Efkir: „Der Beratungsbedarf ist extrem hoch.“ Weil noch häufig klassische Familienmodelle gelebt würden, seien es meist Väter, die Hilfe beim Verein suchten. Schaue man sich die individuellen Probleme an, gebe es jedoch keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Ein typischer Fall sei zum Beispiel, dass Kinder von einem Elternteil als Druckmittel eingesetzt würden: „Du hast mich enttäuscht, also darfst du unser Kind nicht sehen“, sei dann der Tenor.

Stefan Dringenberg ist Vorsitzender des Essener Vereins
Stefan Dringenberg ist Vorsitzender des Essener Vereins "Eltern für Kinder im Revier". Auch er selbst hat eine schwierige Trennung durchgemacht. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Selbsthilfegruppe trifft sich jeden zweiten Dienstag

Die Selbsthilfegruppe von Efkir trifft sich an jedem zweiten Dienstag im Monat zwischen 19 und 21.30 Uhr in den Räumlichkeiten der Essener Kontakte (Frohnhauser Platz 1). Nach der Selbsthilfe besteht die Möglichkeit, noch weiter über den jeweiligen Fall oder die Thematik weiter zu sprechen, und/oder Getränke und Speisen im „Jetzt & Hier“ (circa 50 Meter entfernt) zu sich zu nehmen.

Wer Kontakt zum Verein aufnehmen möchte, kann sich per E-Mail an info@efkir.de melden. In dringenden Fällen sind die Verantwortlichen auch telefonisch erreichbar. Sollte sich niemand melden, können Rückrufbitten auf der Mailbox hinterlassen werden. Die Mobilrufnummer lautet 0157 32031663.

Was der Verein kritisiert: Wenn getrennte Eltern sich nicht auf ein Betreuungsmodell für die Kinder einigen können, lande der Fall irgendwann vor dem Familiengericht. „Das bedeutet oft die Eskalation, das schlimmste, was man einem Kind antun kann“, sagt Dringenberg. Unterstützung bei der Einigung und Konfliktlösung von institutioneller Seite, die einem Eskalieren vor Gericht vorbeugen würde, fehle dagegen aus seiner Sicht. Vom Jugendamt beispielsweise habe er sich nicht genügend unterstützt gefühlt.

Stefanie Kutschker, Sprecherin des Jugendamtes erklärt dazu: „Eltern haben einen Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei Partnerschaftskonflikten, einer Trennung oder einer Scheidung.“ Ziel dieser Beratung sei es, Konflikte zwischen den Elternteilen beizulegen und tragfähige, einvernehmliche Lösungen für die gemeinsamen Kinder zu finden. „Mit diesem Ziel beraten die Fachkräfte des Jugendamtes und wirken an Verfahren vor dem Familiengericht mit“, so Kutschker.

Dauerhafte Streitigkeiten ums Kind führen laut Stefan Dringenberg häufig dazu, dass es sich früher oder später schleichend von einem der Elternteile entfremde. Der Verein plädiert deshalb für eine verpflichtende Mediation, um bei einer Scheidung zwischen den beiden Parteien zu vermitteln. Viele würden denken, dass es nach der Trennung reiche, sich einen guten Anwalt zu suchen. Doch das sei nicht der Fall.

Essener Verein sucht neue engagierte Mitglieder

Der 50 Mitglieder zählende Verein berät Betroffene in Hinblick auf ihre Möglichkeiten und mit dem Ziel, Konfliktsituationen zu reduzieren, leistet politische Arbeit und versucht auch auf psychologischer Ebene, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Deshalb ist das Team immer wieder auf der Suche nach Engagierten, die die Arbeit des Vereins durch ihren fachkundigen Hintergrund – zum Beispiel in den Bereichen Psychologie oder Jura – unterstützen können.

*Name geändert, der richtige Name ist der Redaktion bekannt.

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