Essen. Rund 3000 Teilnehmer folgten dem Aufruf zu einer Anti-Israel-Demonstration am Rand der Essener Innenstadt. Eine Lehrstunde über den Islamismus.
Gegen 18.30 Uhr setzt sich der Demonstrationszug am Jakob-Funke-Platz in Bewegung, vorne die Männer, hinten getrennt in einem eigenen Block die zumeist verschleierten Frauen. Es ist die bisher größte, vom Nahost-Krieg getriebene Versammlung im Essen. 3000 statt der angemeldeten 1500 Teilnehmer zogen am Freitagabend in einer Anti-Israel-Demo rund um die Stadtmitte. Für die Essener Polizei war es ein Großeinsatz.
Die Demonstration wurde nach Angaben der Polizei von einer Privatperson angemeldet, dürfte tatsächlich aber das Werk straff organisierter islamistischer Gruppen sein. Anders ist die große Zahl, aber auch der disziplinierte Ablauf kaum zu erklären. In den sozialen Netzwerken ist stark für die Teilnahme getrommelt worden, auch mit dem Hinweis, dass der Aktivist Ahmad Tamim erwartet wird. Tamin ist Sprecher der Organisation „Generation Islam“ und war vor wenigen Tagen auch Redner bei einer Demo in Berlin. Er ist einer der bekanntesten Gesichtern der islamistischen Szene in Deutschland.
Redner stellt die Täter-Opfer-Kausalität schamlos auf den Kopf
Ahmad Tamin enttäuscht sein Publikum bei der Abschlusskundgebung am Jakob-Funke-Platz nicht: In seiner Rede variiert er die immer gleiche These, die die Täter-Opfer-Kausalität schamlos auf den Kopf stellt: Israel sei an allem Schuld, bombardiere angeblich wahllos in Gaza, ermorde Kinder – es ist die in diesen Kreisen übliche anti-israelische Propaganda, die den nackten Antisemitismus dahinter nur mühsam kaschiert.
Nur sehr indirekt und beiläufig geht der Redner auf den Terrorangriff auf Israel mit 1400 Toten ein, der den Bemühungen Israels vorausgegangen war, die Hamas-Terroristen auszuschalten, um Wiederholungen zu verhindern. Bedauern über den Mord an den wehrlosen israelischen Zivilisten bleibt aus, stattdessen zitiert Tamin genüsslich UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Dessen umstrittener Satz, der Anschlag habe „nicht im luftleeren Raum“ stattgefunden, ist Wasser auf den Mühlen des Redners.
Fahnen und Parolen ähneln der Bildsprache des Islamischen Staat
Schon beim Marsch erschallen ähnliche Parolen durch die Essener Straßen, von einem Sprecher mit Mikrofonanlage skandiert, die Sprache wechselt zwischen arabisch und deutsch. Die Menge antwortet dann im Chor mit den gleichen Worten. Viele führen Banner und Schilder mit sich, auch diese in arabischer wie deutscher Sprache. Sie ähneln optisch den Fahnen der Terrorgruppe Islamischer Staat. Auf einem Schild, das neben dem Mikrofonwagen hochgehalten wird, steht der verstörende und provokative Satz: „Deutsche Staatsräson fordert das Töten von Kindern“.
Die „Generation Islam“ gehört dem Vernehmen nach zur islamistischen Organisation „Hizb ut-Tahrir“, die die Einführung eines islamischen Kalifats anstrebt und die Auslöschung Israels fordert. Das dürfte den Veranstaltern dieser Demonstration nicht nur bewusst gewesen sein, es ist hörbar Programm, den Nahostkonflikt für Mobilisierung und Radikalisierung zu nutzen.
Passanten sind erschüttert über das Demonstrationsgeschehen
Einige Passanten verfolgen das Demonstrationsgeschehen, in ihren Gesichtsausdrücken kämpfen Sorge und Entsetzen. „Ich finde das unglaublich, dass so eine Demo erlaubt ist in unserem Land. Und es ist unglaublich, dass diese Leute wirklich Pro-Hamas sind“, empört sich eine Sozialarbeiterin vor dem Café Nord am Rheinischen Platz, die nach eigenen Angaben selbst mit Flüchtlingen arbeitet.
Die Vorsprecher wie auch später der Redner sind nicht ungeschickt und hangeln sich bei ihren Wortbeiträgen immer haarscharf an dem vorbei, was verboten ist. Ein Organisator erklärt gleich zu Anfang die Regeln, die bei Nichtbeachtung zur Auflösung der Veranstaltung durch die Polizei führen könnten: „Das Existenzrecht Israels darf nicht in Frage gestellt werden.“ Ein Satz, den die versammelte Menge lautstark mit Buh-Rufen quittiert.
Die Polizei hatte im Vorfeld klare Ansagen gemacht: Neben den auch sonst üblichen Demonstrationsauflagen dürfe nicht zu Gewalt und Hass aufgerufen und das Existenzrecht Israels nicht geleugnet werden. Auch Parolen wie „Tod den Israelis“ sind verboten. Fackeln dürfen nicht entzündet werden. Vor Ort wurde die Polizei von Juristen unterstützt, die auf mögliche verbotene Fahnen und Symbole achteten.
Aus einsatztaktischer Sicht zog die Polizei am Ende dieses Fazit: keine Straftaten festgestellt, die Demo blieb friedlich.