Essen. Sie begleiten schwerkranke Menschen auf ihrem letzten Weg und berichten von Humor und Lebensfreude. Warum diese Essener Sterbebegleiter werden.
Es ist das Ehrenamt, bei dem das Ende am Anfang steht: Sterbebegleiter und Sterbebegleiterinnen stehen schwerkranken Menschen zur Seite, sie wissen, dass ihr Einsatz mit dem Tod endet. Wie sie Trauer aushalten und Lebensfreude schenken können, wird ihnen beim ambulanten Hospizdienst „Pallium“ in einem etwa halbjährigen Vorbereitungskurs vermittelt. Damit beginnt ein Abenteuer, auf das sich Jutta Doetsch nach vielen Jahren immer wieder freut.
Sie ist eine von drei hauptamtlichen Koordinatorinnen des Hospizdienstes, der im Jahr 2004 an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM) entstanden ist. Viele Menschen wünschen sich, ihre letzte Lebensphase zu Hause zu verbringen. Dabei helfen ihnen die Ehrenamtlichen auf unterschiedliche Weise: Sie machen Spaziergänge, lesen vor oder kaufen ein. In anderen Fällen übernehmen sie Nachtwachen oder passen auf die Kinder auf, entlasten so auch die Angehörigen.
Tröster am Krankenbett
Und sie können Tröster am Krankenbett sein, mit Betroffenen über deren Ängste sprechen oder über ungelöste Streitigkeiten, die diese quälen. Sie können letzte Wünsche erfüllen oder einfach nur da sein. Während der Vorbereitung befassen sie sich mit spirituellen Fragen, erwerben medizinisches und pflegerisches Grundwissen, machen Praktika im Hospiz und auf der Palliativstation. Wie gut ihr Einsatz am Lebensende glückt, hängt natürlich auch von ihrer Persönlichkeit ab und so freut sich Jutta Doetsch stets, „wenn wir zwei wildfremde Menschen in dieser Extremsituation zusammenbringen können und es passt“.
Hilfreich sei dabei, dass sie die Ehrenamtlichen während des Kurses nah kennenlernt, viel über ihre Motivation, ihre Lebensgeschichte erfährt. Auch die sieben Sterbebegleiter, die jüngst den Kurs abgeschlossen haben, sind einander vertraut, zur Gruppe zusammengewachsen. Das betont auch Marion de Jong, die viele Jahre im Sozialen Dienst im Seniorenheim gearbeitet und als Rentnerin eine neue Aufgabe gesucht hat. „Ich hätte mir vorstellen können, Kinder im Essener Norden zu unterstützen, mit ihnen Hausaufgaben zu machen. Aber dann führte mich mein Weg doch hierhin“, erzählt die 69-Jährige.
Viele schauen positiv auf ihr Leben zurück
Traurig finde sie die Aufgabe keinesfalls, im Gegenteil: Sie freue sich, dass sie sich den Menschen nun ohne Zeitdruck widmen könne. In ihrem Berufsalltag habe sie nicht immer die Muße gehabt, den alten Leuten zuzuhören, sie eng auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Dabei hätten die Senioren oft keine Angehörigen gehabt oder Kinder, die 300 km entfernt lebten. „Da ist viel auf der Strecke geblieben.“
Pallium: Wie ein schützender Mantel für Schwerkranke
Immer mehr schwerkranke Menschen wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. Der im Jahr 2004 gegründete, ambulante Hospizdienst Pallium (lat. Mantel) entstand im Zentrum für Palliativmedizin der Kliniken Essen-Mitte (KEM). Er will Menschen in der letzten Lebensphase helfen, selbstbestimmt und in Würde im gewohnten Umfeld zu leben. Er begleitet auch die Angehörigen.
Die kostenlose Begleitung erfolgt unabhängig von Weltanschauung, Religion und sozialem Status. Pallium lehnt aktive Sterbehilfe ebenso ab wie ungerechtfertigte Sterbeverlängerung. Pallium bildet regelmäßig ehrenamtliche Sterbebegleiter aus. Kontakt: 0201-174-24353 oder per Mail an: pallium@kem-med.com
In dem Kurs habe sie manches dazugelernt, anderes bringe sie berufsbedingt mit; zum Beispiel den Mut, auf Menschen zuzugehen. Außerdem hat de Jong schon die Erfahrung gemacht, wie beglückend die Biographie-Arbeit am Sterbebett sein kann: „Viele gucken doch positiv auf ihr Leben zurück – das muss man nur manchmal ‘rauskitzeln. Wie bei der Marktfrau, deren Augen leuchteten, wenn sie von ihrer Arbeit erzählte.“
Im Hospiz viel Humor erlebt
Marc Geß ist 53 Jahre alt und Vermessungstechniker. Er ist dem Tod vor einigen Jahren begegnet, als sein bester Freund gestorben ist. Er kannte ihn schon seit Schultagen und kam ihm doch in dieser letzten Phase noch näher. Anderthalb Jahre habe er ihn begleitet. „Das hat viel geändert. Es war noch intensiver als die gemeinsame Zeit davor.“
Wie bei den anderen Kursteilnehmern hat wohl auch bei Geß diese persönliche Erfahrung die Tür zur Sterbebegleitung geöffnet. Als für ihn feststand, sich sozial zu engagieren und er sich bei der Ehrenamt-Agentur erkundigte, hätte er sich auch eine „zukunftszugewandtere“ Aufgabe vorstellen können. Doch wie Marion de Jong spricht er nun nicht von Traurigkeit, sondern von dem Humor, den er im Hospiz erlebt hat, von der Lebensfreude, die er schenken möchte. „Wir alle wollen Menschen helfen.“
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