Essen. Plötzlich waren sie mitten im Krieg: Jetzt ist eine Essener Jugendgruppe nach Tagen aus Israel zurück. Sie mussten noch am Flughafen zittern.
Die sechs Essener Jugendlichen und ihre vier Betreuer, die in Tel Aviv den akuten Beschuss durch die radikal-islamische Hamas miterlebten, sind wieder sicher bei ihren Familien in Deutschland. Bis zur Ankunft mit dem Flieger in der Nacht zum Mittwoch (11. 10.) sei die Reisegruppe allerdings noch einigen Gefahrensituationen ausgesetzt gewesen – und beinahe hätte es mit dem Anschlussflug nicht geklappt, berichtet der Teamleiter des Stadtverbandes der Essener Kinder- und Jugendverbände, Gordon Wenzek, über den letzten Teil der Odyssee.
Zwar verlief die Fahrt zum Ben-Gurion Airport in Israel ohne Alarm und die Autobahnen waren frei: Doch im Flughafen selbst mussten die Reisenden, die auf ihren Flug nach Istanbul warteten, mehrmals den „Shelter“, sprich einen Sicherheitsraum aufsuchen. „Tel Aviv stand massiv unter Beschuss. Der Raketenalarm ging los und wir wurden durch das Sicherheitspersonal aufgefordert, in den Bunker zu gehen.“
Im Flughafen Tel Aviv werden Erinnerungen an Nächte im „Safe Room“ wieder wach
Da seien bei den Jugendlichen wieder die Erinnerungen an die Nächte im Appartementhaus in Tel Aviv hochgekommen. „Der Safe Room dort war nichts anderes als einer der Räume, in denen wir untergebracht waren. Nur halt mit Stahlbetonwänden ausgestattet und einer Platte, die man vor das Fenster schieben konnte.“ Zwar habe man dann die Sirene nicht mehr gehört, aber die Knallgeräusche der Raketen immer noch deutlich vernommen. Wenzek: „Wir konnten dann ganz gut zwischen Einschlägen und abgefangenen Raketen unterscheiden.“
Eigentlich sollte der Flughafen nun ein sicherer Ort für die Gruppe aus Essen sein – die Ausreise aus dem Kriegsgebiet war in greifbarer Nähe. Aber die Raketen der radikal-islamischen Palästinenser-Gruppe Hamas richten sich natürlich auch gegen den Airport. Und das Abfangen der Geschosse sei unmittelbar spürbar gewesen, berichtet der 39-jährige Teamleiter. „Einige Jugendliche standen dicht an einer der Glasfronten, als gerade der dumpfe Knall eines solchen Abfangmanövers zu hören war. Es gab eine Druckwelle, die die Jugendlichen erwischte.“
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Die Scheibe habe stark vibriert, sei aber nicht gesprungen. „Ein großer Schrecken. Etwas, das wir den Eltern, mit denen wir ja stets in Kontakt waren, im Übrigen erst später erzählt haben“, gesteht Gordon Wenzek.
Zerstörungen in Tel Aviv waren aus dem Flugzeug gut zu erkennen
Die Maschine der Turkish Airlines habe dann Verspätung gehabt, berichtet er weiter, was aber noch zu keiner Verzögerung der Reise hätte führen dürfen. Nach dem Check-in sei es allerdings im Flugzeug selbst zu angespannten (und zeitraubenden) Situationen gekommen: Eine Russin habe mit ihren zwei Kindern wieder aussteigen wollen. Das Personal habe sie dann beruhigen können. „Aber als wir gerade vom Gate losgerollt waren, sprang im hinteren Teil plötzlich ein Mann auf und wollte das Flugzeug verlassen. Die Crew hatte Mühe, ihn zu beruhigen und zum Bleiben zu veranlassen.“
Wenzek: „Ich bin schon sehr viel geflogen, auch weite Strecken. Aber so schnell, wie wir diesmal abgehoben und an Höhe gewonnen haben, habe ich es noch nie erlebt.“ Aus den Bullaugen des Fliegers heraus habe die Essener Reisegruppe dann nach unten geschaut – und das ganze Ausmaß der bereits erfolgten Zerstörungen in Tel Aviv gesehen. „Wir haben uns angesehen und haben alle ganz feuchte Augen gekriegt.“
In Istanbul wäre um ein Haar der Anschlussflug verpasst worden
Aber die Odyssse der Gruppe war noch nicht vorbei. Denn in Istanbul angekommen und durch die Zollformalitäten geschleust, hieß es: „Der Anschlussflieger ist nicht mehr zu kriegen.“ Nur durch viel Überredungskunst sei es schließlich gelungen, dass der Counter für die zehnköpfige Gruppe nochmals geöffnet wurde. „In letzter, aber wirklich absolut letzter Minute haben wir den Flieger nach Köln bekommen“, schildert Wenzek die bangen Minuten der Ausreise nach Deutschland.
Und erst dann, nach einer guten halben Stunde im Flieger von der Türkei nach Deutschland, habe er selbst erst einmal realisiert, was alles in den letzten Tagen passiert sei. „Und was für ein unglaubliches Glück wir hatten.“ Er habe in dieser Zeit ja nur funktioniert als Teamleiter. „Im Flugzeug habe ich den Cut gespürt. Und ich war froh, dass in Köln nun andere Menschen, ausgeruhte Leute, alles weitere übernehmen würden.“
Der Transport von Köln nach Essen sei übrigens abgeschirmt von der Öffentlichkeit vonstattengegangen. Auch in Essen selbst hätten die Familien die Rückkehrer erst einmal in einer neutralen Umgebung empfangen. „Ich wurde dann gefragt, ob ich denn je wieder nach Israel reisen könnte – nach diesen Erlebnissen. Ich war schon dreimal vorher dagewesen. Und ja, ich würde es wieder machen.“ Einer der mitgereisten Jugendlichen habe gesagt: „Ich auch.“
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