Essen. Der Essener Heinrich Hirtsiefer war Katholik, Minister und NS-Gegner. Seine Enkelin hat dem Haus der Essener Geschichte ein Ölgemälde überreicht.
Das Ölgemälde von 1926 zeigt ihren berühmten Großvater mit ziemlich ernster Miene. Dabei sei Heinrich Hirtsiefer (1876-1941) in Wirklichkeit ein liebenswerter Familienmensch gewesen, betont Maria Hirtsiefer. Das Bildnis des prominenten Zentrumspolitikers und Nazi-Gegners, das Jahrzehnte lang in der Wohnung der Enkelin hing, hat eine neue Bleibe im Haus der Essener Geschichte gefunden. Im großen Vortragssaal soll das Bildnis als Dauerleihgabe einen repräsentativen Platz finden: direkt neben Hans Luther, dem früheren Essener OB und Reichskanzler.
Heinrich Hirtsiefer, ein gebürtiger Essener, war gläubiger Katholik, preußischer Minister und eines der ersten Nazi-Opfer. Vor genau 90 Jahren, am 11. September 1933, also nur wenige Monate nach der Machtübernahme der Nazis, wurde er von SA- und SS-Leuten verhaftet und auf entwürdigende und erniedrigende Weise durch seine Vaterstadt getrieben: vom Polizeirevier bis zur Krupp’schen Gussstahlfabrik. Hier hatte der junge Hirtsiefer, der in der Siedlung Kronenburg aufgewachsen war, seine Schlosserlehre absolviert.
Entwürdigend Nazis machen Heinrich Hirtsiefer zum Gespött des Essener Mobs
Ein Foto dieses schaurigen Ereignisses zeigt den Sozialpolitiker, wie er ein Schild mit sich führt, auf dem steht: „Ich bin der Hungerleider Hirtsiefer“. Hinter ihm marschieren die NS-Schergen und ein fanatisierter Mob. Hirtsiefer kommt in Schutzhaft und wird vom Konzentrationslager Kemna bei Wuppertal in das KZ Börgermoor verlegt, das traurige Berühmtheit erlangte durch das Widerstandslied von den Moorsoldaten.
Unter der Auflage, seine Geburtsstadt Essen nie mehr in seinem Leben betreten zu wollen, kommt Hirtsiefer im Oktober 1933 wieder auf freien Fuß. Er zieht nach Berlin, wo er ganz offenbar an den Folgen von Folter und Misshandlung acht Jahre später stirbt.
Für die Übergabe des Hirtsiefer-Gemäldes haben die Verantwortlichen im Haus der Essener Geschichte einen würdigen Rahmen gefunden: Schülerinnen und Schüler des Geschichts-Leistungskurses von Tobias Liehs am Don-Bosco-Gymnasium waren zugegen und zwei von ihnen interviewten die Enkelin. Und diese sagte über ihren berühmten Großvater: „Essen war seine Liebe.“ Um mehr über das Leben (und Leiden) Heinrich Hirtsiefers zu erfahren, hatte sich Maria Hirtsiefer selbst auf die Suche begeben: auch im KZ Börgermoor.
Straße, Siedlung, Büste und Stolperstein: Essen erinnert an Heinrich Hirtsiefer
Als der Nazi-Terror vorbei war, erinnerte sich Essen an die Wohltaten, die der Zentrumspolitiker Heinrich Hirtsiefer einst über seine Heimatstadt gebracht hatte. Als preußischer Minister für Volkswohlfahrt hatte Hirtsiefer in Berlin Millionen-Zuschüsse lockergemacht, um den Grugapark und den Baldeneysee anzulegen. Außerdem war der Sozialpolitiker Mitbegründer der heutigen Wohnungsgenossenschaft Essen-Nord.
An posthumen Ehrungen mangelt es daher nicht: Es gibt in Essen die Hirtsiefer-Siedlung und die Hirtsieferstraße in Altendorf, eine Hirtsiefer-Büste, einen Gedenkstein und eine Gedenkplakette an seinem Wohnhaus sowie einen Stolperstein.
Schon zu Lebzeiten ernannten die Universitäten Bonn, Breslau und Graz den Essener Politiker zum Ehrendoktor. Der Vatikan verlieh ihm sogar das Großkreuz des päpstlichen St.-Gregorius-Ordens, eine der höchsten Auszeichnungen der römisch-katholischen Kirche.
Geschichts-LK des Don Bosco-Gymnasiums erforscht „Katholischen Widerstand in Essen“
Das Engagement des Geschichts-LK am Don-Bosco-Gymnasium geschieht auf Grundlage einer Bildungspartnerschaft mit dem Haus der Essener Geschichte. Die Übergabe des Hirtsiefer-Gemäldes ist Bestandteil des Gedenkjahres zur Machtübernahme der Nationalsozialisten vor 90 Jahren, gleichzeitig markiert sie den Start des gemeinsamen Studienprojektes „Katholischer Widerstand in Essen“.
Jenseits der hochoffiziellen Ehrungen für Heinrich Hirtsiefer gibt es die volkstümlichen Erinnerungen, die sich in das kollektive Gedächtnis der Essener Bevölkerung eingebrannt haben. Wenn der Politiker eine Gaststätte in Essen betrat, so heißt es, sei er gerne bereit gewesen, den anwesenden Zechern eine Runde zu spendieren und mit ihnen anzustoßen.
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