Essen. Die Schauspielerin, Autorin, Chefin Gabi Dauenhauer hält sich und das Essener Theater Courage mit all ihren Überlebenskünsten mutig in Gang.
Gabi Dauenhauer ist tiefenentspannt. So schnell bringt die 72-Jährige nichts aus der Fassung. Aber wenn Leute aus dem kleinen Theater Courage kommen und sagen: „Nicht schlecht für Amateure“, regt sie das auf. „Weil man in einem freien Theater auftritt, heißt das ja nicht, kein Profi zu sein“, sagt sie. Die studierte Schauspielerin zeigt ohne Scham und Scheu, was sie hat und was sie kann. Inzwischen blickt die Mutter des Courage auf eine 50-jährige Bühnenkarriere zurück. Das Jubiläum wird gefeiert mit dem Bühnenprogramm „Rock ‘n’ Roll & graue Schläfen“. Da singt sie und plaudert aus dem Nähkästchen.
Sie sitzt im Garten vor dem versteckten Bühneneingang. Sie trägt ein rotes, tief dekolletiertes Paillettenkleid mit Beinschlitz und breitet die Fotos ihres Lebens aus. Gabi süß als Baby und Kleinkind in den 1950er Jahren; Gabi auf der Bühne des Naturtheaters Reutlingen; Gabi kess im Bikini und auf dem Motorrad einer ihrer Brüder; Gabi nackt umschlungen mit ihrem ersten Mann, dem Regisseur Dietrich Hilsdorf; Gabi im Zungenkuss vereint mit dem Lebensgefährten Peter-Maria Anselstetter; Gabi als Schauspielerin 1975 am Theater in Dortmund in Turrinis „Der tollste Tag“ mit Kollegin Gudrun Landgrebe.
Gabi Dauenhauer lernt viel von ihrem Vater in Sachen Humor
Eigentlich soll sie Lehrerin werden wie ihre Eltern. Doch nach den Auftritten am heimischen Naturtheater, wo ihr Vater als zweiter Vorsitzender fungierte, ist sie Feuer und Flamme für die Bühne. Sie lernt viel von ihm in Sachen Humor. Doch die Schauspielschule in Frankfurt verheimlicht sie ihm. In Kassel erhält sie 1973 ihr erstes Engagement nach der Ausbildung. „Die Gagen waren klein. Da habe ich nach der Vorstellung als Striptease-Tänzerin gearbeitet, weil ich Geld für einen Umzug brauchte“, erzählt sie. In Dortmund spielt sie in der Regie von Dietrich Hilsdorf, lebt mit ihm zusammen und schwärmt von dieser tollen Zeit, in der sie auch schwanger wird und ihr Sohn Falk Hagen 1976 zur Welt kommt. Frankfurt und Essen sind weitere Stationen.
Jungmädchen-Rollen wie die Julia hat sie nie gespielt. „Ich war damals schon zu sehr Frau“, erzählt Gabi Dauenhauer. Aber auch als Nora oder Hedda Gabler wird sie nie besetzt. Stattdessen als mit Lehm beschmierte Priesterin in „Penthesilea“ oder in Essen als Hamlets Mutter Gertrude. „Ich habe die Wahnsinnigen, die Huren, die Außenseiterinnen gespielt“, erinnert sie sich. Für die extremen Figuren wird sie gern verpflichtet und für Nackt-Auftritte. Elf solcher Einsätze hat sie an Stadttheatern gezählt. Auch im fortgeschrittenen Alter würde sie das wagen, wenn es die Rolle erfordert. „Als der liebe Gott die Scham verteilt hat, war ich nicht anwesend“, meint sie lachend.
Am Theater Courage packt sie zunächst kritische Themen an
Unter Intendant David Esrig ist sie Mitte der 1980er Jahre am hiesigen Theater engagiert. Als ihr Vertrag und der von Peter-Maria Anselstetter nicht verlängert wird, sprechen sie im Theater Freudenhaus vor. 1987 haben die beiden in dem freien Theater an der Goethestraße Fuß gefasst. „Unser Stil war es, Themen mutig anzupacken. Und der setzte sich durch“, berichtet sie. „Jürgen Bartsch“ über den gleichnamigen Kindermörder und „Rosa Winkel“ über Homosexuelle im KZ gehören zu den ersten kritischen Stücken. 1992 übernehmen sie das Haus und nennen es Theater Courage. Dass dieses kulturelle Kleinod Krisen wie Corona überlebt hat, ist dem finanziellen und dem thematischen Geschick der gebürtigen Schwäbin zu verdanken.
Als ernsthafte Stücke immer weniger Zuschauende finden, „gingen wir auf Erotisches, Komödien und Musikrevuen über“, so Gabi Dauenhauer. Die meisten Stücke schreibt sie selbst. Inzwischen sind es 44. „Herzklopfen“ ist der erste Erfolg. Heute gehören „Peppermint Twist“, „Der Vampir von Rüttenscheid“, den sie mit Sohn Falk Hagen verdichtete, „Skandal im Sperrbezirk“ oder „Die schrecklich schöne Bescherung“ zu den Kassenschlagern. Dagegen findet das Widerstandsstück „Sophie Scholl“ kaum Publikum und muss aus dem Programm genommen werden. Wie das Alkoholikerdrama „Das verdammte Wochenende“ ankommt, wird sich ab 18. November (Premiere) zeigen.
Im fortgeschrittenen Alter erleichtert ihr der Glaube das Leben
Ausflüge an die Oper gibt es immer wieder in ihrer Laufbahn. Dass sie von Wegbegleitern wie Dietrich Hilsdorf oder Johannes Schaaf angefragt wird, freut sie. Wenn die Künstlerin bei der szenischen Aufführung „Deutsches Miserere“ in Leipzig, in „Der fliegende Holländer“ in Köln, „Die Nase“ oder „Die lustige Witwe“ in Essen mitwirkt, hat das immer für etwas Aufsehen gesorgt. Dennoch hat sie ein Engagement am Stadttheater in den letzten 36 Jahren nicht vermisst. „Etwas Eigenes zu machen, habe ich als Vorteil empfunden“, betont Gabi Dauenhauer.
Rock ‘n’ Roll & graue Schläfen
Mit dem Programm „Rock ‘n’ Roll & graue Schläfen“ feiert Mutter Courage Gabi Dauenhauer ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum.
Am 15. September (ausverkauft), 22. und 23. September, jeweils 20 Uhr, singt sie Songs wie „Touch Me Tiger“ und erzählt, was sie so alles auf und hinter der Bühne erlebt hat. So kann man erfahren, wie man es schafft, in einer Sekunde aus einem aufwendigen Barockkostüm ‘rauszukommen und splitternackt über die Bühne zu hüpfen, oder wie sie sich am Stadttheater Frankfurt 20 Meter über der Bühne als Birne an einem Baum hängend in Peter-Maria Anselstetter verliebt hat. In Dortmund hat sie mal einen Lachanfall nicht hingekriegt, in Essen eine Vorstellung einfach vergessen. „Das ist nie wieder passiert“, versichert sie.
Karten: telefonisch unter 0201 79 14 66 (11.30 - 17.30 Uhr) oder per Mail theatercourage@t-online.de
Das Make-up sitzt auch nach zwei Stunden Gespräch noch. Sie sieht viel jünger aus, als sie ist. Von grauen Schläfen keine Spur in der dunklen Mähne. Gabi Dauenhauer tut einiges dafür. Sie trinkt keinen Alkohol, raucht nicht mehr, achtet darauf, nicht zuzunehmen. Sie ist dankbar, dass sie trotz kardiologischer Vorbelastung noch auftreten kann. „Spielen, singen und tanzen klappt noch bestens. Nur 30-Kilometer-Wanderungen kann ich nicht mehr machen“, sagt sie und schaut auf ihren langjährigen Partner Peter-Maria Anselstetter. „Seit wir uns zum christlichen Glauben bekannt haben, ist vieles leichter. Ich mache mir nicht mehr so viele Gedanken.“
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