Essen. Die Mehrwertsteuer in der Gastro könnte steigen. Essener Wirte nennen das existenzbedrohend. Bei einem gibt es jetzt schon Schnitzel für 33 Euro.
Essener Wirtinnen und Wirte zeigen sich wütend und enttäuscht angesichts der drohenden Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Schon jetzt leide man extrem unter den Mehrausgaben in Folge der gestiegenen Energiekosten, der Inflation und des höheren Mindestlohnes. Einige rechnen sogar damit, ihre Betriebe schließen zu müssen, sollte die Erhöhung wirklich kommen.
Der Hintergrund: Wegen der Corona-Pandemie wurde der Mehrwertsteuersatz für Restaurants 2020 von 19 auf sieben Prozent abgesenkt. Vor dem Hintergrund stark gestiegener Energiepreise wurde die Regelung zuletzt noch einmal bis Ende 2023 verlängert, würde aber nach jetzigem Stand zum Jahreswechsel auslaufen.
Schon 2021 hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz für eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer in der Branche ausgesprochen. Nun kündigte er aber bei einer Bürgerveranstaltung in München an, dass die Entscheidung darüber erst zum Jahresende fallen solle. Dann erst werde man mit Blick auf die weitere Finanzentwicklung sehen können, „was da geht“, sagte Scholz.
Mehrwehrsteuererhöhung in der Gastro: Dehoga NRW befürchtet 2000 Schließungen
Der nordrhein-westfälische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) befürchtet laut einer Mitteilung nach der Steuererhöhung mehr als 2000 Betriebsschließungen, Arbeitsplatzverluste, Umsatzeinbußen und drastische Preiserhöhungen. „Eine Mehrwertsteuererhöhung auf 19 Prozent wäre eine Katastrophe für die Gastronomie - mit Ansage“, sagte Patrick Rothkopf, Präsident des Dehoga NRW. Die Vielfalt und Bezahlbarkeit der Gastronomie in NRW sei gefährdet.
Im Rellinghauser Restaurant Kockshusen sind die Preise – wie in vielen anderen Gastronomiebetrieben – aufgrund gestiegener Kosten für Energie und Lebensmittel bereits erhöht worden. Das Schnitzel kostet dort beispielsweise schon jetzt 33 Euro. Das gehe nicht anders, wenn man Qualität anbieten wolle, betont Inhaber Willi Hachenberg, der das Lokal seit 14 Jahren betreibt. Komme die Mehrwertsteuererhöhung, dann müsse der Preis noch einmal auf über 36 Euro steigen. Nehme man noch ein Dessert dazu, sei man schnell bei 45 Euro: „Das werden die Gäste nicht akzeptieren.“
Essener Gastronomen befürchten, dass viele Betriebe schließen werden
Für den Gastronomen ist es deshalb gar nicht unwahrscheinlich, dass er im Falle einer Mehrwerterhöhung schließen würde. „Vielleicht würde ich noch irgendwie über die Runden kommen. Aber wenn ich mir selbst nur noch einen Stundenlohn von 7 bis 8 Euro auszahlen kann, macht es einfach keinen Sinn mehr“, sagt Hachenberg. In seinem Lokal sei er nicht nur der Inhaber und trage das volle unternehmerische Risiko, sondern auch der Küchenchef und Buchhalter. 40 Prozent der inhabergeführten Betriebe, so schätzt er, könnten bei einer Erhöhung schließen.
Auch Lars Becker, Inhaber des Löwen am Kopstadtplatz, sagt: „Diese zwölf Prozent kriegt man nicht mal eben aufgefangen.“ Er halte die drohende Mehrwertsteuererhöhung für existenzbedrohend. „Das werden viele nicht überleben“, ist seine Prognose. Er hat deshalb Bundestagsabgeordnete aus Essen angeschrieben – drei Vertreter von CDU, SPD und Grünen meldeten sich zurück und teilten mit, sie würden eine dauerhafte Senkung befürworten. Dass erst Ende des Jahres über das Thema entschieden werden soll, ist für Becker eine „unverschämte Hinhaltetaktik.“
Gastronomen aus Rüttenscheid sprechen schon jetzt über hohe Mehrkosten
Ähnlich sehen das Gastronomen aus Rüttenscheid, dem Herzen der Essener Restaurantszene. „Für mich ist das schlimmste die fehlende Planungssicherheit“, sagt Patrick Chacinski, Inhaber des asiatischen Restaurants Luck in a Cup an der Rüttenscheider Straße. In der Gastronomie müsse man stets innovativ bleiben, die Gäste wollten mit neuen Ideen unterhalten werden. Aber wie Investitionen tätigen, wenn man nicht einmal weiß, ob und wie man im kommenden Jahr über die Runden kommt? „Die Margen in der Gastronomie sind schon immer sehr gering“, so Chacinski. Einen Puffer gebe es nicht – vor allem nicht angesichts der Schwierigkeiten, mit denen man schon jetzt zu kämpfen habe.
Die Preissteigerungen für die Lebensmittel, die die Gastronomen kaufen, gehen nach Chacinskis Erfahrung weit über die reguläre Inflation hinaus: „Die Asia-Produkte sind bis zu 50 Prozent teurer geworden.“ Das bestätigt Dzenan Karalic, dem das Frühstückscafé Emilia gehört: „Für das Kilo Hackfleisch hat man früher 7 bis 8 Euro gezahlt. Wenn man hochwertiges Fleisch möchte, sind es inzwischen 15 bis 16 Euro.“ Hinzu kommen die weiteren Kosten. „Statt 820 Euro bezahle ich mittlerweile 1700 Euro für Strom“, sagt Morteza Buljan, Inhaber des Café Oliv.
Essener Gastronomen befürchten, dass Gäste ihren Konsum herunterschrauben
Wenn die Mehrwertsteuererhöhung kommt, da ist Buljan überzeugt, muss er nicht nur die Preise seiner Gerichte anheben, sondern auch Personal entlassen. Und ob die Kundinnen und Kunden die Preiserhöhungen akzeptieren werden? Das bleibt abzuwarten. Dzenan Karalic ärgert sich schon jetzt über das Unverständnis, dass Gastronomen von manchen Gästen entgegengebracht werde, wenn sie die Preise erhöhen. „Und dass die Mehrwertsteuer erhöht werden soll, bekommen viele gar nicht mit“, befürchtet er.
Viele, da sind sich die Wirte in ihrer Prognose einig, würden wahrscheinlich ihren Konsum weiter herunterschrauben. „Vielleicht kommen sie seltener, vielleicht nehmen sie kein Dessert mehr oder verzichten auf den Aperitif“, sagt Natascha Pierazzi, Inhaberin des Pazza Italian Kitchen. Und irgendwann lohne sich der Betrieb einfach nicht mehr.
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