Essen. Jecke Jubiläen sind nie rund: Das Festkomitee Essener Karneval besteht seit 88 Jahren und feiert schon im September. Ein Blick in die Geschichte.
Die fünfte Jahreszeit beginnt auch in Essen erst im November – mit Hoppeditz-Erwachen und Prinzipiade. Aber in diesem Jahr gibt’s schon vorher einen Grund zu feiern: Das Festkomitee Essener Karneval (FEK), der Dachverband der Essener Karnevalsgesellschaften, feiert das 88-jährige Bestehen. Aus diesem Anlass lädt das Festkomitee am Sonntag (3. September) ab 10.30 Uhr zu einem Festakt ins GOP Varieté Theater, der durch den Auftritt der bekannten Kölner Karnevals-Band „Paveier“ geadelt wird.
Ein Blick zurück in die Geschichte. Ende 1934 beschließen sechs Essener Karnevalsgesellschaften, sich zu einer „Arbeitsgemeinschaft“ zusammenzutun. Die Gründungsmitglieder sind die Karnevalsgesellschaften (KG) Essener Prinzengarde, Fidelio, Essener Funken, Essener Stadtgarde, Große Altendorfer und Buschkante. Von diesem Sextett sind nur die drei Erstgenannten übrig geblieben, dafür sind im Laufe von fast neun Jahrzehnten Dutzende neuer Karnevalsgesellschaften hinzugekommen. Der historische Höchststand lag bei 33 KGs, heute sind es weniger als 30.
Hier der Terror im Namen Adolf Hitlers, dort die schunkelnden Karnevalisten
Die Gründung des Jecken-Dachverbands in Essen fällt zusammen mit dem Beginn der Nazi-Diktatur, die bereits durch Juden-Pogrome und die Verfolgung politischer Gegner geprägt ist. Ein Kontrast, der aus heutiger Sicht verstörend wirkt: hier der Terror im Namen Adolf Hitlers, dort die schunkelnden Karnevalisten.
Schon vier Jahre nach Gründung der Arbeitsgemeinschaft ist erstmal Schluss mit Helau und Humba tätärä. Der Weltkrieg (1939 - 45) verwandelt weite Teile Essens in eine Trümmer- und Ruinenlandschaft, Zigtausende Essener haben an der Front, in KZs oder im Bombenhagel ihr Leben verloren. Erst drei Jahre nach Kapitulation und Zusammenbruch wagen die Essener Karnevalisten einen Neuanfang.
Zu den prägenden Persönlichkeiten in jener turbulenten Zeit zählt Oberpräsident Willi Webels. Er war es, der den alten Saalbau zur guten Stube des Essener Karnevals macht und darin 1935 neun Karnevalsgesellschaften zur ersten großen Gemeinschaftssitzung zusammentrommelt. 1948 ist Willi Webels, der sich auch einen Namen als Dichter von Karnevalsschlagern machte, erneut die treibende Kraft bei der Wiederbelebung des närrischen Brauchtums. Der wiederaufgebaute Saalbau ist auch 1951 Schauplatz der ersten Gemeinschaftssitzung seit dem Weltkrieg.
Die goldene Ära – von der legendären „Sternpils-Party“ bis zur „Lachenden Grugahalle“
Der Essener Karneval erlebt in den folgenden drei Jahrzehnten ein goldenes Zeitalter. Unvergesslich sind rauschende Events wie die legendäre „Sternpils-Party“ oder die „Lachende Grugahalle“, in der sich die Stars des närrischen Frohsinns die Klinke in die Hand geben. Die Älteren erinnern sich noch gut daran, dass der Rosenmontagszug damals mitten durch die Innenstadt führt – über die Kettwiger Straße, die noch nicht Fußgängerzone ist, und den neuen Kennedyplatz. Über das Jahr 1965 heißt es in der FEK-Chronik fast schon überschwänglich: „Der Rosenmontagszug entwickelt sich zur größten Open Air-Veranstaltung, die Essen nach dem Krieg je erlebt hat.“
1957 gibt sich der Dachverband die Bezeichnung „Festausschuss Essener Karneval“, erst 1990 wird daraus das Festkomitee. Für sein 25 Jahre langes Wirken an der Spitze des Festausschusses befördern die Essener Karnevalisten ihr Urgestein Willli Webels 1960 zum Ehrenpräsidenten. Als ein weiterer prägender Vollblut-Karnevalist an der Spitze des Festkomitees wird Helmuth Hagemann genannt, der auch Präsident der ältesten Essener KG Hahnekopp von 1862 war.
Nicht unerwähnt bleiben sollen verschiedene Rückschläge. „Der größte Verlust für uns Karnevalisten war Anfang dieses Jahrtausends der Umbau des Saalbaus zur Philharmonie“, sagt FEK-Sprecher Oliver Weiß. Und 1995 dreht die hoch verschuldete Stadt den Karnevalisten den Geldhahn zu. Um nicht auszutrocknen, legen sie in Essen das Mönchengladbacher Modell auf. Sie gründen den Freundeskreis Essener Karnevalisten, der private Sponsoren akquiriert und so die Zukunft des Rosenmontagszuges sichert.
70 junge Tänzerinnen aller Gesellschaften beleben den Gemeinschaftstanz wieder neu
Fast dreißig Jahre später sind die Karnevalisten voll des Lobes auf die Stadtverwaltung und ihren Chef. „Wir sind in der glücklichen Lage, einen jecken Oberbürgermeister zu haben und eine Verwaltung, die uns sehr gut unterstützt“, fügt der FEK-Sprecher anerkennend hinzu. Selbstverständlich spricht OB Thomas Kufen auch das Grußwort beim Festakt am Sonntag, der übrigens eine geschlossene Veranstaltung für geladene Gäste ist.
Im Jubiläumsjahr 2023 stehen die Essener Karnevalisten wieder vor großen Herausforderungen. Dazu zählt besonders die Überalterung der Vereine und Gesellschaften. Oliver Weiß weist deshalb gerne auf positive Trends hin. „Die Vereine haben in den letzten Jahren jungen Menschen dazu gewonnen, auch die Elferräte sind verjüngt worden.“ Symptomatisch für den neugewonnenen Elan sei der Gemeinschaftstanz, den 70 junge Tänzerinnen aus allen Essener Karnevalsgesellschaften bei der Jubiläumsparty im GOP nach jahrelanger Pause wieder aufführen werden.
Wie in Stein gemeißelt: Motto des Festkomitees gilt seit 88 Jahren unverändert
Als die Pioniere des Essener Karnevals 1935 den Vorläufer des Festkomitees gründeten, gaben sie sich dieses Motto: „Der Zweck der Arbeit ist es, karnevalistischen Geist und heimatliches Brauchtum zu fördern und zu erhalten“. Ein in Stein gemeißelter Satz, der im Laufe von acht Mal elf Jahren gänzlich unangetastet geblieben ist und auf der FEK-Homepage auch heute ganz oben steht.
Oliver Weiß, der selbst Karnevalsprinz von Essen war, schaut anlässlich des Jubiläums optimistisch in die Zukunft: „Wir stehen gut da, so soll es bleiben.“
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