Essen. Die Droge „Crack“ greift unter Süchtigen in Essen um sich. Der Konsum ist doppelt so hoch wie im letzten Jahr. Ein Ex-Crack-Abhängiger berichtet.
Die gefürchtete Droge Crack breitet sich unter den Suchtkranken in Essen aus. Die Hilfsorganisation „Suchthilfe direkt“ prognostiziert für das laufende Jahr mindestens eine Verdoppelung des Crack-Konsums unter Essens schwer Suchtkranken. „Während wir im Jahr 2022 mehr als 1700 Konsum-Vorgänge registriert haben, werden es im Jahr 2023 mindestens 3500 Konsum-Vorgänge sein“, sagt Frank Langer von der „Suchthilfe direkt“. Die Suchthilfe betreibt seit gut 20 Jahren einen sogenannten „Druckraum“ am westlichen Rand der Essener Innenstadt. Im „Druckraum“ können registrierte Süchtige ihren Stoff unter hygienischen Bedingungen und unter medizinischer Aufsicht konsumieren.
„Das Crack-Problem wird größer, aber Essen ist noch weit entfernt von den Zahlen anderer deutscher Großstädte“, klärt Langer auf. Nach Frankfurt und Hamburg, die seit Jahren mit massiven Crack-Problemen in ihren Drogen-Szenen zu kämpfen haben, steigen jetzt auch die Zahlen in NRW, vor allem in Düsseldorf und Dortmund. Von einer regelrechten Welle könne man in Essen noch nicht sprechen. Außerdem bleibe Crack eine Droge für Menschen, die bereits massive Sucht-Probleme haben und greife bislang nicht in das Milieu von Gelegenheitskonsumenten über.
Crack spielt in der harten Drogenszene weiter nur eine Nebenrolle
Bei Crack handelt es sich um aufbereitetes Kokain, das mit einer Pfeife inhaliert wird. Es wird vor dem Konsum mit Natron (zum Beispiel Bullrich-Salz) und Wasser aufgekocht. Das Kokain-Pulver verwandelt sich in Kristalle, die beim Rauchen knistern – daher der Name Crack. Es macht sehr schnell abhängig und hat verheerende gesundheitliche Folgen. „Gemessen an Heroin, spielt Crack weiter nur eine Nebenrolle“, sagt Frank Langer. Im Jahr 2022 wurde in nur sechs Prozent der registrierten Drogen-Konsumvorgänge Crack benutzt.
Ortstermin bei der „Suchthilfe direkt“ in der Hoffnungstraße, die nicht weit entfernt vom Limbecker Platz liegt. Vor dem „Druckraum“ sitzen mittags Männer, trinken Discounter-Bier und rauchen selbstgedrehte Zigaretten. „Ich hab’ jahrelang Crack geraucht“, erzählt Stefan (52).
Wie ist der Crack-Rausch? Stefan stellt grinsend die Gegenfrage: „Schonmal 1000 Orgasmen gleichzeitig im Kopf gehabt?“ Die Männer, die neben ihm sitzen, pflichten ihm bei: „Der Rausch ist mit fast nichts vergleichbar. Das Verlangen ist extrem hoch.“ Er halte nur wenige Minuten an, manchmal nur ein paar Sekunden. „Dann will man sofort mehr“, sagt Stefan. „In meinen härtesten Zeiten hab ich 500 Euro am Tag für meine Crack-Sucht gebraucht. Alle halbe Stunde brauchte ich einen neuen Kick.“
Wie er das finanziert hat? Stefan will nicht ins Detail gehen, sagt nur: „Ich hab 25 Jahre meines Lebens im Knast verbracht.“ Stehlen, Einbrechen, Überfälle – Beschaffungskriminalität eben. Aber Stefan wurde auch selbst zum Dealer, verkaufte die illegalen Drogen, wurde immer wieder gefasst.
Stefans Drogen-Karriere: 25 Jahre Knast, keine Aussicht auf Heilung
Warum wird jemand so schwer drogenabhängig? Stefan ist im Heim aufgewachsen, führte aber als junger Erwachsener zunächst ein normales Leben. „Ich hab’ eine Ausbildung als Laborant gemacht und mit 19 geheiratet.“ Doch er fand Spaß am Kiffen, „die klassische Einstiegsdroge“, und als Laborant-Azubi kam er an Chemikalien, produzierte seine Drogen selbst, es war der Beginn eines langen Absturzes, bei dem Stefan so gut wie alles verlor.
Und heute? „Sitze ich hier und trinke Bier und rauche Zigaretten, für Crack bin ich zu alt.“ Er habe es irgendwie geschafft, wieder aufs Heroin umzusteigen, und statt Heroin bekommt er heute einen Ersatzstoff verschrieben. „Substitution“ nennt man das, es ist für Süchtige, von denen man annimmt, dass sie nie mehr suchtfrei leben können, bei denen es nur noch um gesundheitliche Schadensbegrenzung geht. „Aber wer Crack raucht“, sagt Stefan, und die anderen am Tisch nicken wissend, „geht einen Bund mit dem Teufel ein.“
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