Essen-Rüttenscheid. Juliane Kühne aus Rüttenscheid bindet und repariert Bücher noch mit der Hand. In ihrer Werkstatt wurde sogar einmal ein BH gerahmt.

Aufhören? Daran mag Juliane Kühne noch lange nicht denken. „Ich arbeite einfach unheimlich gerne“, sagt die 59-Jährige. Stehe sie nicht gerade in der Werkstatt oder arbeite zu Hause mit einer Mini-Pappschere und -Presse, dann sitze sie oft vor Youtube-Videos und probiere neue Techniken aus. Kühne ist die letzte Anbieterin in Essen, die noch Bücher per Hand bindet und repariert. In diesem Jahr feiern sie und ihr Mann Peter Puk (68) das 25-jährige Jubiläum: So lange betreiben sie schon die Buchbinderei Löber in der Sibyllastraße.

Kühnes Kundschaft und deren Aufträge sind ganz verschieden. Mal bindet sie Urkundenmappen für die Stadt Essen, hat auch schon das Stahlbuch wieder in Schuss gebracht. Mal sind es die Bände unserer Lokalredaktion. Gerade liegt ein vergilbter, abgenutzter Zeitungsband von 1948 in ihrer Werkstatt. Der Bischof hat ebenfalls schon Zeitschriften von Kühne binden lassen. Privatkundinnen und -kunden lassen bei ihr ihre Lebenserinnerungen zu dicken Schmökern verarbeiten oder ihre alten Märchenbücher wieder so aufbereiten, dass sie ihren Enkeln daraus vorlesen können.

Rüttenscheider Buchbinderin: „Ich finde Papier einfach toll“

Mit traditionellen Geräten, darunter zum Beispiel die sogenannte Lumbeck-Bindemaschine, übt Kühne ihr Handwerk aus. Sie presst, schneidet und prägt Titel. Zum Beschweren nutzt sie metallene Bügeleisen. Etwas anderes würde sie nicht machen wollen. „Ich finde Papier einfach toll“, sagt sie. Nicht immer müssen es Bücher oder Zeitschriften sein: „Ich mache total gerne Pappmaché oder sogar Origami.“

Handgebundene Bücher und ein Buch mit Taschen: Auch so etwas kann man bei Juliane Kühne in Essen-Rüttenscheid herstellen lassen.
Handgebundene Bücher und ein Buch mit Taschen: Auch so etwas kann man bei Juliane Kühne in Essen-Rüttenscheid herstellen lassen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Vor 25 Jahren hat Kühne die Buchbinderei von ihrem Vorgänger übernommen. Namensgeber Wilhelm Löber hatte sie an der Kastanienallee in der Innenstadt gegründet, später übernahm sein Sohn Friedhelm. Seit der Zeit, in der sie Leitung des Betriebes übernahmen, sei der Markt schon kleiner geworden, sagt Kühne. Fachzeitschriften würden beispielsweise seltener gebunden, ganz verschwunden sei dieser Zweig aber noch nicht. Grundsätzlich hat die Buchbinderin immer noch gut zu tun. Das liege auch daran, dass es immer weniger handwerkliche Buchbinder gebe, erklärt Ehemann Peter Puk, der im Geschäft für die Rahmung von Bildern zuständig ist: „Da muss man teilweise schon richtig weit fahren.“

Essener Buchbinderei stellt auch Prüfbücher für Funkmasten her

Zu Kühnes Aufträgen gehören auch solche, an die man im ersten Moment nicht denken würde. So bindet Kühne regelmäßig Prüfbücher, zum Beispiel für Zelte oder Karussells, die regelmäßig ab- und wieder aufgebaut werden – oder zuletzt für Funkmasten. Solche Bücher müssen immer bereitliegen, um nachprüfen zu können, ob sich jede Schraube am richtigen Platz befindet.

Peter Puk und Juliane Kühne stehen jeden Tag gemeinsam in ihrer Werkstatt in Essen-Rüttenscheid.
Peter Puk und Juliane Kühne stehen jeden Tag gemeinsam in ihrer Werkstatt in Essen-Rüttenscheid. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Handwerkliche Arbeit hat Kühne schon immer begeistert. Dass sie nach dem Abitur nicht studieren, sondern eine Ausbildung machen wollte, stand für sie schon früh fest. Buchbinderei hätte es zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht unbedingt sein müssen. „Ich hätte mir auch vorstellen können, Tischlerin zu werden“, erinnert sie sie. Inzwischen sei sie allerdings sehr froh, dass alles so gekommen sei, wie es gekommen ist.

Buchbinderei Löber in Essen-Rüttenscheid: Inhaberin schätzt besondere Begegnungen

Nach dem Abi ging die Suche nach einer Lehrstelle los. „Meine Eltern fragten sich: Was kann das Kind denn mal werden?“, erzählt Kühne. Ihr Vater hätte dann in den Gelben Seiten eine Buchbinderei direkt um die Ecke entdeckt, die einen Ausbildungsplatz anzubieten hatte. Später erlernte sie Handvergoldung in Portugal, lernte ihren Mann in der Meisterschule kennen und schulte Langzeitarbeitslose in einer Maßnahme. Schließlich wagten Puk und Kühne zusammen den Sprung in die Selbstständigkeit.

In ihrer Werkstatt in Essen-Rüttenscheid benutzt Juliane Kühne noch altes Werkzeug – zum Beispiel diesen Vergoldesatz.
In ihrer Werkstatt in Essen-Rüttenscheid benutzt Juliane Kühne noch altes Werkzeug – zum Beispiel diesen Vergoldesatz. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Neben dem Handwerk sind es vor allem die Menschen, die Kühne so an ihrem Job schätzt. Berührende Lebensgeschichten auf Papier und besondere Begegnungen. So kam zum Beispiel einst ein Mitglied des Rettungstrupps vom Grubenunglück von Lengede in ihre Buchbinderei, um ein Buch mit vielen Lebenserinnerungen binden zu lassen. Aber auch die eine oder andere Spezialbestellung erlebten Kühne und ihr Mann in all den Jahren. Da gab es zum Beispiel einen Kunden, der sich den E-Mail-Verkehr mit seiner Liebsten binden ließ. Ein BH wurde in der Werkstatt ebenfalls schon gerahmt.

Die Buchbinderei Löber befindet sich in der Sibyllastraße 12 und ist montags, dienstags, donnerstags und freitags von 9 bis 17 Uhr sowie mittwochs von 9 bis 13 Uhr geöffnet.

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