Polizisten wollten einen Autofahrer stoppen. Der flüchtete und überfuhr einen Beamten. Seitdem kämpfen Ärzte um das Leben des Familienvaters.

Nach der brutalen Auto-Attacke eines 39-Jährigen auf einen Polizisten am Montag in Essen-Borbeck schwebte der Beamte am Dienstag immer noch in akuter Lebensgefahr. Der mutmaßliche Angreifer, der nach einer Fahndung mit Hubschrauber und einer Vielzahl von Streifenwagen etwa eine Stunde nach der Tat in Dellwig gestellt werden konnte, wird einem Haftrichter vorgeführt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: versuchter Totschlag.

Eine Mordkommission ermittelt und hat erste Erkenntnisse: Der polizeibekannte Deutsche meinte wohl, allen Grund zu haben, vor der Polizei zu flüchten. Das Auto, in dem er saß, war nicht zugelassen, hatte fremde Kennzeichen und er selbst keine gültige Fahrerlaubnis.

Eine erste Annahme der Ermittler, dass gegen den 39-Jährigen ein offener Haftbefehl vorliege, hat die Staatsanwaltschaft inzwischen korrigiert. Dem sei nicht so. Durch welche Delikte der 39-Jährige in der Vergangenheit aufgefallen ist, machen die Strafverfolger bislang keine Angaben.

Inzwischen liegen der Polizei zudem Hinweise vor, „dass sich im Verlauf des Unfallgeschehens ein Schuss gelöst hat“ - vermutlich aus der Dienstwaffe des überfahrenen Beamten. Die genauen Umstände dafür seien aber noch unklar.

„Wir drücken ganz fest die Daumen“

Auf ihren Social Media-Kanälen veröffentlichte die Essener Behörde am Dienstag eine Botschaft an den Familienvater: „Bei einem feigen Angriff wurde gestern Nachmittag unser Kollege Marcel schwer verletzt. Entsetzlich, welche Brutalität ihm völlig unerwartet entgegengeschlagen ist. Wir sind in Gedanken bei dir und drücken ganz fest die Daumen, damit du ganz schnell wieder gesund bei uns bist.“

Der Autofahrer wurde nach der Attacke auf einen Polizisten abgeführt.
Der Autofahrer wurde nach der Attacke auf einen Polizisten abgeführt. © Justin Brosch

„Wir hoffen, dass er diesen Angriff überlebt und wieder ganz der Alte wird“, heißt es in einem Statement der Essener Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deren Kreisgruppen-Chef Jörg Brackmann ist fassungslos: „Die jüngsten Vorfälle in Kusel, Ratingen und nunmehr in Essen-Borbeck werfen erneut die Frage auf: Wie verroht ist unsere Gesellschaft? Polizisten, die den Schutz und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten sollen, werden immer häufiger Opfer brutalster Gewaltakte.“

Tod und Verletzung billigend in Kauf genommen

Die schockierenden Ereignisse zeigten deutlich, dass die Gesellschaft an einem Wendepunkt angelangt sei. Respekt und Achtung vor den Vertretern des Staates werden zunehmend verletzt, während Gewalt gegen Polizeibeamte immer mehr zur Normalität wird, ist Brackmann überzeugt: „Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Polizistinnen und Polizisten zu bloßen Objekten degradiert werden, deren Tod und Verletzung billigend in Kauf genommen wird.“

Nach bisherigen Erkenntnissen hatten Polizisten den Autofahrer gegen 16.20 Uhr am Montag an der Haltestelle Düppenberg anhalten wollen, weil er nicht angeschnallt war. Als er die Beamten sah, flüchtete er in seinem Renault Megane über die Flurstraße, landete aber in einer Sackgasse.

Der Polizist wurde mehrere Meter mitgeschleift

Er wendete, gab Gas und hielt auf den Beamten zu, der ausgestiegen war, erfasste ihn und schleifte ihn mehrere Meter mit. Nach notärztlicher Versorgung am Unfallort wurde der lebensgefährlich Verletzte in ein Krankenhaus transportiert.

Oberbürgermeister Thomas Kufen zeigte sich in einem Beitrag im Netzwerk Facebook noch am Montagabend erschüttert und berichtete, die Familie des Polizisten werde seelsorgerisch betreut. „Ich hoffe sehr, dass der junge Kollege sich von seinen schweren Verletzungen schnell wieder erholen kann“, schreibt der OB.

Die Gewaltbereitschaft gegenüber Helfern und Rettern steigt

Die Gewaltbereitschaft gegen Helfer, Retter und Ordnungshüter in Essen hat in einem erschreckenden Maße zugenommen: 349 Fälle von Widerständen und tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte und „gleichstehende Personen“, wie es heißt, registrierte die Polizei im vergangenen Jahr. Das waren immerhin 60 mehr als im Jahr zuvor. 482 Polizisten und zwei Feuerwehrleute wurden dabei zu Opfern.

Für die Gewerkschaft der Polizei, Kreisgruppe Essen/Mülheim, ist daher klar, dass es einer konsequenten Bestrafung der Täter aber auch einer verstärkten Unterstützung der Polizeikräfte bedarf. „Es ist an der Zeit, dass unsere Gesellschaft ein klares Signal sendet“, fordert ihr Vorsitzender Jörg Brackmann: „Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten darf nicht toleriert werden. Wir müssen uns als Gesellschaft hinter jene stellen, die Tag für Tag ihr Bestes geben, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.“