Essen. „Sommernachtstraum“ wird zu Leistungsschau der Essener Theater. Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert sorgt für eine besondere Premiere.

Viereinhalb Stunden lang kreiste der diesjährige „Sommernachtstraum“ um Ludwig van Beethoven. Für die Theater und Philharmonie Essen war es wieder eine große spartenübergreifende Leistungsschau zum Saisonausklang, für das Publikum die Gelegenheit, sich dem Wiener Klassiker aus Bonn nicht nur wie gewohnt musikalisch zu nähern, sondern auch in Tanz und Schauspiel.

Und sogar kulinarisch, denn in den Bayreuth-formatigen Pausen gab’s für das leibliche Wohl Kostpröbchen aus Beethovens Speiseplänen von Kalbstafelspitz mit Mandelkren bis Maccheroni mit Käse „von damals“ und für die Ohren fetzigen Jazz vom brillanten Frank Dupree Trio.

Bundesjugendballett lässt Beethovens Sehnsucht nach Liebe erkennen

Das späte Streichquartett op. 130 vertanzt und dramatisch zerpflückt – war das ein Sakrileg? Man hatte im fast ausverkauften Alfried-Krupp-Saal nicht den Eindruck, als das Bundesjugendballett in achtköpfiger Besetzung John Neumeiers Choreografie zeigte. Geschmeidig und harmonisch in der Körpersprache mochte man den Einzelgänger mit Beethoven und seiner Sehnsucht nach Liebe assoziieren.

Auch ein fiktiver Autor, der in einem raffiniert angelegten Stück von Marijke Malitius (nach Texten von M.Frisch und V.Schlöndorff) seinen Roman über den Komponisten vorstellte, erwies sich dank des exzellenten Schauspielers Gerhard Mohr zunehmend als zeitgenössisches Alter Ego des unwirschen, die „unsterbliche Geliebte“ anbetenden Meisters vor den ausgefeilten Klängen des Mannheimer Streichquartetts.

Essener Philharmoniker sorgen für helle Begeisterung

Die helle Begeisterung indes lösten die Essener Philharmoniker unter dem scheidenden GMD Tomáš Netopil aus, nicht nur mit dem heiß ersehnten Schlusssatz aus der „Neunten“, sondern auch der „Chorfantasie“ op. 80, in der die allbekannte Hymne bereits vorformuliert ist. Altbundestagspräsident Norbert Lammert, nunmehr auch Beethoven-Librettist, hat dazu einen neuen, dem europäischen Gedanken verpflichteten und politisch ungeahnt aktuellen Text geschrieben („Denn es gibt noch die Dämonen, die in manchen Köpfen sind“). Wie eine stille Gedenkminute fügte sich da Gordon Kampes Madrigal „Je deviens fou“ ein, die das exquisite Calmus Ensemble subtil, ja körperlos in den Raum stellte. Die leise Sensation.