Essen-Werden. Auf der Essener Denkmalliste stehen jetzt zwei Gärten: Sie befinden sich auf dem Areal des Kardinal-Hengsbach-Hauses. Was sie so besonders macht.

Eigentlich nur eine Formalität und doch eine Entscheidung von einiger Tragweite: Die Bezirksvertretung IX hat in ihrer Sitzung am 23. Mai die Eintragung des Teehaus-Ensembles und des Pergolagartens auf dem Areal der ehemaligen Villa Franzenshöhe als Gartendenkmal einstimmig beschlossen.

Über die Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Essen freuen sich viele Befürworter und Unterstützer des Antrags, der vom LVR, Amt für Denkmalpflege im Rheinland, angestoßen wurde, besonders aber eine Person: Norbert Fabisch. Der Werdener Historiker forscht seit mehr als drei Jahren intensiv über die jüdische Familie Hirschland, der das Anwesen Villa Franzenshöhe einst gehörte. Die verbliebenen Gebäude- und Gartenreste ebenso wie den bereits 1986 als Denkmal anerkannten Kutschenhof der Villa unter Schutz zu wissen, ist ihm ein besonderes Anliegen. „Ich hoffe, dadurch wird dieses Kleinod in der Öffentlichkeit bekannter und ähnlich dem Dingerkus-Gartenhaus wieder belebt“, sagt Fabisch.

Kunstvolle Wasserkaskaden ergossen sich über eine Bauminsel

Die Gärten gehören zu einem rund 45.000 Quadratmeter umfassenden Gelände hoch über dem Ruhrtal. Inmitten des Areals stand die Villa Franzenshöhe, die Georg Hirschland 1923 erwarb und die im Volksmund als „kleine Villa Hügel“ galt. Der Privatbankier ließ Haus und Park aufwendig modernisieren.

Die Reste des Japanischen Gartens hinter dem Teehaus stehen jetzt unter Denkmalschutz.
Die Reste des Japanischen Gartens hinter dem Teehaus stehen jetzt unter Denkmalschutz. © Fabisch

„Ein bekannter Berliner Gartenarchitekt gestaltete den Japanischen Garten. Es gab eine Bonsai-schalenförmige Bauminsel, umspielt von Wasser, das über eine kunstvolle Kaskade hineinfloß“, beschreibt Fabisch das Ensemble, das heute noch erkennbar ist. Der Entwurf für das Teehaus und der Villa-Umbau stammen von Georg Metzendorf, dem Architekten der Margarethenhöhe. Er gestaltete alles im Stil der neuen Sachlichkeit.

„Die Villa war Mittelpunkt der Familie Georg Hirschlands, die hier große Feste der jüdischen Gemeinde feierte und die Räume mit einer einzigartigen Kollektion wertvollster Gemälde schmückte“, berichtet Fabisch. Nach der Vertreibung der Hirschlands 1938 geriet das Anwesen in die Hände der Essener Parteileitung der NSDAP und wurde bei Kriegsende Quartier der amerikanischen, dann der britischen Militärverwaltung. In der Not der Nachkriegsjahre sorgte hier der Orden der Töchter vom Heiligen Kreuz für rund 170 alte Leute, deren Altenheim im Bombenkrieg zerstört war.

Ein Beispiel für moderne Gartenkunst in geometrischer Formensprache: der Pergolagarten des Kardinal-Hengsbach-Hauses.
Ein Beispiel für moderne Gartenkunst in geometrischer Formensprache: der Pergolagarten des Kardinal-Hengsbach-Hauses. © Fabisch

Zuletzt entstand im Park der Villa das moderne Priesterseminar des neuen Bistums Essen: das Kardinal-Hengsbach-Haus. Fabisch: „1964 befand das Bistum, dass die Industriellenvilla baufällig sei und nicht zu den neuen Gebäuden passe. Sie wurde deshalb abgerissen.“

So sah es früher aus: Das Becken war beheizt und von einer steinernen Pergola eingerahmt. Das Bistum ließ das Schwimmbad aus Kostengründen zuschütten.
So sah es früher aus: Das Becken war beheizt und von einer steinernen Pergola eingerahmt. Das Bistum ließ das Schwimmbad aus Kostengründen zuschütten. © Stadtarchiv Essen

2022 verkaufte das Bistum Essen das Gelände

Das zuletzt als Bildungs- und Exerzitienhaus genutzte Kardinal-Hengsbach-Haus hat indes 2022 den Eigentümer gewechselt. Der Essener Immobilien- und Projektentwickler FC Real Estate hat das große Areal vom Bistum Essen gekauft.

Dahinter steckt Jacob Fatih. Der Unternehmer musste mit 23 Jahren seine Heimat Iran aus politischen Gründen verlassen. Ihn fasziniere, so sagte er in einem Gespräch mit dieser Zeitung, die Geschichte der ehemaligen Eigentümer, der jüdischen Bankiersfamilie Hirschland, die sich trotz starker Repressalien durch die Nazis erst Ende der 30er Jahre zur Emigration in die USA entschloss. Sein Konzept sieht eine Rekonstruktion der Villa Franzenshöhe vor. Für das Kardinal-Hengsbach-Haus gebe es verschiedene Nutzungskonzepte. Modernisierungen und Anpassungen im Gebäude, immer unter Wahrung des historischen Bestands, seien nicht ausgeschlossen, so Fatih. Vorerst dient das Haus jedoch weiter der Unterbringung von Flüchtlingen.

Radtour auf den Spuren der Hirschlands

In Essen hat die Familie Hirschland bedeutende Spuren hinterlassen. Dazu gibt es am Dienstag, 6. Juni, eine Radtour. Die Stationen: das Bankhaus in der City, die Familiengräber auf dem jüdischen Friedhof Segeroth, die Alte Synagoge, das 1938 zerstörte Jugendheim und der Park ihrer Villa auf der Franzenshöhe (Kardinal-Hengsbach Haus).

Startpunkt ist um 10 Uhr der Treidelplatz Werden neben der Ruhrbrücke. Die Strecke führt circa 35 km auf fahrradfreundlichen Wegen zur und durch die City. Dauer: vier bis fünf Stunden. Es besteht die Möglichkeit zum Picknick im Park.

Die Tour leiten Norbert Fabisch, Günther Mayer und Peter Gabka. Die Teilnehmerzahl ist auf 18 Personen begrenzt. Bei Bedarf wird ein Folgetermin angeboten. Anmeldungen an: .

Besonders aufwendig gestaltete Beispiele moderner Gartenkunst

Neben der Reaktivierung des inzwischen schon verwitterten Teehauses nebst Japanischem Garten hofft Norbert Fabisch ebenfalls auf eine Aufwertung des früheren Badegartens, der sich heute als Pergolagarten präsentiert und nun ebenfalls unter Denkmalschutz gestellt ist. Es habe dort zu Zeiten der Familie Hirschland ein elektrisch beheiztes Badebecken gegeben, das von einem kleinen Badehaus und einer aus Natursteinstelen gestalteten Pergola eingerahmt war.

„Römische und griechische Kleinstatuen wurden in die frontseitige Bruchsteinmauer unregelmäßig eingelassen“, weiß der Historiker zu berichten. Ebenso wie die Villa sei dem Bistum aber der Unterhalt des Schwimmbeckens zu teuer geworden; es wurde zugeschüttet.

„Bei den beiden Sondergärten der ehemaligen Villa Franzenshöhe handelt es sich um originäre, von großem Erfindungsreichtum geprägte, besonders aufwendig gestaltete Beispiele moderner Gartenkunst in geometrischer Formensprache“, urteilt die Denkmalbehörde. Er habe vor, sagt Norbert Fabisch, künftig ab und zu Führungen zu den Gartendenkmälern Werdens anzubieten. Eine erste dieser Art sei bereits am 6. Juni mit dem Zentrum 60 plus geplant. Überdies erscheine demnächst sein Buch zur Geschichte der Familie Hirschland.

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