Essen. Die Feuerwehr hat einen gestohlenen Smart aus dem Baldeneysee gezogen, am Nachmittag folgte ein Mercedes. Zwei weitere Wagen liegen noch im See.
Als Julian Linke an Bord der „Orca“ per Fernsteuerung das Seil des Arbeitskrans einfährt, bilden sich schnell Luftblasen auf der Wasseroberfläche. Vom Ufer aus beobachten Feuerwehrleute, DLRG-Helfer und Pressefotografen gespannt, was er da wohl am Haken hat. Sekunden später taucht das Dach eines Kleinwagens auf. Bald darauf schwebt der komplette Wagen über dem Wasser, bis Julian Linke das Gefährt vorsichtig auf dem Arbeitsschiff des Ruhrverbandes absetzt.
Der Kleinwagen, den die Feuerwehr am Dienstag (9. Mai) aus dem Baldeneysee barg, ist eines von vier Fahrzeugen, die auf dem Grund des Sees entdeckt worden waren. DLRG-Retter hatten drei davon zufällig von ihrem Boot aus geortet, als sie ein neues Sonargerät ausprobierten. Auf den Wagen, den die Feuerwehr am Hardenbergufer etwa 200 Meter vom Stauwehr entfernt als erstes an den Haken nahm, waren Taucher im vergangenen Sommer bei einem Übungstauchgang gestoßen.
Weil „keine akute Gefahr“ bestanden habe, wurde der Wagen erst jetzt, Monate später aus dem See geborgen. Für die Feuerwehr war es eine willkommene Übung. Am Nachmittag holten Wehr und Ruhrverband weiter flussaufwärts einen zweiten Wagen aus dem Wasser: eine Mercedes-Limousine älteren Baujahrs. Diese war allerdings in einem weitaus schlechteren Zustand.
Ausgelaufenes Benzin wurde mit einer Ölsperre an der Wasseroberfläche eingefangen
Feuerwehrtaucher Christian Hoppius war sich sicher, dass es sich bei dem Kleinwagen, der am Morgen geborgen wurde, um einen Smart handeln würde – trotz der schlechten Sicht, die dort unten in fast sechs Meter Tiefe herrscht. Tastend hatte er sich vorgearbeitet, um einen „Schlupf“, eine Art Tragegurt, an der Karosserie zu befestigen. An die Achsen kam der Taucher im tiefen Schlick nicht heran. So waren die Wehrleute gespannt, ob die Bergung gelingen würde. Doch alles lief wie am Schnürchen. Benzin, das auslief, als der Kran den Wagen in die Höhe hievte, sammelte sich auf der Wasseroberfläche und wurde von einem Sperrgürtel aufgefangen, den die Feuerwehr sicherheitshalber an der Fundstelle ausgelegt hatte.
Und Christian Hoppius sollte Recht behalten. Dass es sich bei dem Wagen um einen Smart älteren Baujahres handelte, war unverkennbar. Unter der Schlammschicht, die das Fahrzeug bedeckte, tauchten hier und dort weiße Lack-Stellen auf. Die beiden Türen standen offen, so wie es Hoppius beschrieben hatte. Das Fenster auf der Fahrerseite war heruntergefahren. Merkwürdig nur: Das Lenkrad fehlte. Die Lenksäule sah aus, als hätte man es mit Gewalt herausgebrochen.
Wie kam der Smart in den Baldeneysee? War es ein Unfall? Hatte jemand beim Parken die Handbremse nicht fest genug angezogen? Oder war der Wagen mit Absicht im See versenkt worden? Vieles spricht dafür. Eines der beiden Kennzeichen war noch dem Fahrzeug angebracht. Zugelassen wurde der Smart in Essen.
Wie die Polizei am Nachmittag auf Anfrage der Redaktion mitteilte, wird der Wagen als gestohlen gemeldet geführt. Die Ermittler werden den Wagen nun in Augenschein nehmen und prüfen, ob es sich tatsächlich um das gesuchte Fahrzeug handelt. Die „Orca“ brachte es dafür zum Hafen des Ruhrverbandes nahe Haus Scheppen.
Die Mercedes-Limousine lag wohl mehr als 40 Jahre lang im Baldeneysee
Dorthin transportierte das Arbeitsschiff auch die Mercedes-Limousine, die Stunden später weiter flussaufwärts am Hardenbergufer geborgen wurde. Der Wagen ist völlig verrostet. „Wahrscheinlich lag er mehr als 40 Jahre im Wasser“, schätzt Dominik Wirth von der Wasserrettung der Feuerwehr. Ein Kennzeichen ist zwar vorhanden, die Retter konnten es aber nicht identifizieren.
Wie der Mercedes und die beiden übrigen Fahrzeuge in den See gelangten, bleibt Spekulation, sagt Bernd Weichert, bei der Feuerwehr als Abteilungsleiter zuständig für die Gefahrenabwehr, für den der Einsatz kein alltäglicher war. Dass binnen einer Woche gleich vier Autos aus dem Baldeneysee geborgen werden, sei schon etwas Besonderes.
Etwa alle fünf Jahre wird ein Auto aus dem Baldeneysee geborgen
Dass Autos im See versinken, kommt hingegen öfter vor, als man vielleicht vermuten würde. „Alle fünf Jahre“ muss die Feuerwehr dafür anrücken, schätzt Peter Dankert, Betriebstechniker beim Ruhrverband – das letzte Mal sei dies auf der Heisinger Seeseite am Café Extrablatt der Fall gewesen. Der Polizei sei es damals gelungen, die Halterin, eine ältere Dame, ausfindig zu machen.
Am Donnerstag will die Feuerwehr die beiden im See verbliebenen Fahrzeuge bergen. Ein Wagen liegt nahe Schloss Baldeney, einer in der Nähe der DLRG-Station in Heisingen. Andreas Wieser, stellvertretender DLRG Bezirksleiter, ist sich sicher, dass es sich um einen Fiat 500 Cabrio handelt. Auf den Aufnahmen, die das Sonargerät gemacht hat, sieht man nicht viel mehr als einen Gegenstand im Schlick.
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