Essen. Essen größter Kita-Träger mahnt: In vielen seiner Kitas kann kaum noch die Mindest-Personalbesetzung garantiert werden. Das System sei am Limit.
Der Fachkräftemangel bringt die Kitas an ihre Grenzen. Der katholische Kita-Zweckverband im Bistum Essen warnt bereits vor einem Kollaps des gesamten Kita-Systems: „Pädagogische Fachkräfte sind am Limit, Teams unterbesetzt, Kitas müssen zu Lasten von Familien ihre Öffnungszeiten reduzieren und Gruppen schließen.“ Die Politik müsse dringend Entlastungsmaßnahmen auf den Weg bringen, mahnt Verena kleine Holthaus, Geschäftsleiterin des Verbandes. Dieser ist der größte Kita-Träger in Essen.
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Von den 306 Kindertageseinrichtungen in der Stadt betreibt der Kita-Zweckverband 63, also gut 20 Prozent. Die Lage sei je nach Standort sehr unterschiedlich, doch mit den genannten Problemen kämpfe man auch in Essen, teilt eine Sprecherin mit. Komme es zu reduzierten Öffnungszeiten oder Gruppenschließungen, müssten „Eltern gebeten werden, private Betreuungsmöglichkeiten ihrer Kinder zu prüfen“.
Dabei hatte der Zweckverband erst vor wenigen Jahren begonnen, in einigen Modell-Kitas die Betreuungszeiten deutlich zu erweitern: Da wurden Kinder bis 19 Uhr oder am Samstag betreut, punktuell gab es Übernachtungen. Damit wollte man Alleinerziehenden oder Eltern im Schichtdienst entgegenkommen und generell die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Das Ziel gilt bis heute und doch sagt die Sprecherin: „Erweiterte Öffnungszeiten werden nur noch in wenigen Fällen angeboten.“
In vielen Essener Kitas fehlt Personal
Die Stadt habe den Kitaausbau in den vergangenen Jahren zwar vorangetrieben, um dem wachsenden Betreuungsbedarf der Familien gerecht zu werden. Doch nun lasse sich das damit verbundene Versprechen kaum noch einlösen: „Es gestaltet sich immer schwieriger, für die Einrichtungen bzw. zusätzlichen Gruppen qualifiziertes pädagogisches Personal zu finden.“ In 23 seiner 63 Essener Kitas müsse der Verband die personelle Mindestbesetzung ständig im Blick haben.
Doppelspitze leitet den großen Kita-Träger
Der Zweckverband Katholische Tageseinrichtungen für Kinder im Bistum Essen, kurz Kita-Zweckverband, ist einer der größten freien Träger von Kitas in Deutschland. In mehr als 250 Einrichtungen im Ruhrbistum bietet er über 16.000 Plätze für Kinder im Alter von vier Monaten bis zum Schuleintritt an.
Nach dem Ausscheiden von Mirja Wolfs als Geschäftsführerin mit pädagogischem Schwerpunkt übernahm Verena kleine Holthaus ab Dezember 2022 interimistisch die Leitung des Zweckverbandes. Im Juli 2023 übernimmt sie die pädagogische Geschäftsführung offiziell. Sie ist Heilerziehungspflegerin, langjährige Kita- und Fachbereichsleiterin, hat zudem ein Wirtschaftsstudium. Kleine Holthaus bildet eine Doppelspitze mit der zweiten Geschäftsführerin Anne Berger, die das Knowhow in den Bereichen Organisationsentwicklung, Betriebswirtschaft und Controlling mitbringt. Berger verantwortet seit April 2022 den kaufmännischen Bereich und die Personalentwicklung.
„Die Politik ist gefordert, dem Arbeitsfeld der frühkindlichen Bildung mehr Wertschätzung entgegenzubringen und zielgerichtet zu investieren“, sagt Verena kleine Holthaus. Skeptisch bewertet sie den Vorstoß, die Engpässe mit Personal ohne einschlägige Berufsausbildung auszugleichen, wie es etwa das „Sofortprogramm Kita“ der Landesregierung vom Februar vorsehe. „Ergänzungskräfte könnten helfen, die Situation zumindest kurzfristig zu entspannen“, hatte jüngst auch der Vizepräsident des Städtetags NRW, Thomas Eiskirch erklärt.
Fachfremdes Personal springt bei der Kinderbetreuung ein
Auch der Kita-Zweckverband arbeitet längst mit sogenannten Bildungsbegleitern sowie mit Ergänzungskräften. Ihnen könne man in Einzelfällen anbieten, sich mit einer 160-Stunden-Qualifizierung als Fachkraft weiterzubilden. „Der Einsatz von nicht-pädagogischem Personal löst kurzzeitig den Betreuungsengpass, da hiermit die Mindestbesetzung gewährleistet werden kann“, sagt der Verband dazu.
Um den gesetzlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag zu gewährleisten, seien Kitas langfristig aber auf mehr pädagogisches Fachpersonal angewiesen, betont Verena kleine Holthaus. Es gelte, den Beruf attraktiver zu gestalten und den Fachkraft-Kind-Schlüssel zu verbessern.
Wie knapp die Besetzung ist, hatte kürzlich eine Erzieherin in diesem Medium geschildert. Die Kitas seien für den massiven Ausbau der Betreuung unter Dreijähriger (U3) nicht gewappnet, kritisierte sie. „Wir haben heute personell schlecht aufgestellte, altersgemischte Gruppen mit Kindern von einem halben Jahr bis sechs Jahren.“ So werde man den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mädchen und Jungen nicht gerecht. Falle Personal aus, verschärfe sich der Kita-Alltag für die Kinder – und für die Erzieherinnen. Tatsächlich erreichte der Krankenstand in den Essener Kitas zuletzt im Januar eine rekordverdächtige Quote von 20 Prozent.
Forderung nach einem Sondervermögen Bildung
Der Kita-Zweckverband schließt sich nun der Forderung von SPD-Chefin Saskia Esken nach einem Sondervermögen Bildung an. Die Bundesregierung müsse „das Kita-System mit dem Einsatz von 100 Milliarden Euro entlasten“. Diese Mittel sollten in die Digitalisierung, die Sanierung der Infrastruktur sowie in die Gewinnung von Fachkräften investiert werden. Auch langfristig müsse sich der Bund an der finanziell an der Kinderbetreuung beteiligen.
Der Zweckverband selbst hat eine „Taskforce“ eingerichtet, um seine Personalgewinnung zu modernisieren, die Mitarbeiterinnen bestmöglich zu unterstützen und zu entlasten – und seinen Forderungen auf politischer Ebene Nachdruck zu verleihen.