Essen-Überruhr. Nach einem Unfall ist eine Essenerin (87) von der Ruhrbahn entschädigt worden. Geändert habe sich nichts, es sei hektisch. Aufmerksamkeit fehle.

Busfahrten sind für Erika Feldhoff nicht mehr nur eine bequeme Fortbewegungsart, sondern inzwischen auch Gefahr: So beschreibt es die 87-Jährige, die bereits schwer gestürzt ist, als sie aussteigen wollte. Die Tür habe sich zu früh geschlossen. Kein Einzelfall, sagt sie und beklagt die fehlende Aufmerksamkeit mancher Fahrer. Die Ruhrbahn erklärt ihre Sicht.

Eigentlich fährt Erika Feldhoff gern Bus, ist treuer Fahrgast, da doch die Bushaltestelle Keveloh in Überruhr für sie gut erreichbar ist, wo sie in die Linie 166 ein- und aussteigt. Genau dabei ergebe sich das Problem, da sie das Gefühl habe, längst nicht jeder Fahrer achte auf die Fahrgäste, darunter eben auch Senioren und Seniorinnen wie sie. Die 87-Jährige sei mit einem Rollator unterwegs, steige dazu rückwärts aus dem Bus aus, so wie sie es einst bei einem Seminar gelernt habe, brauche aber keinesfalls deutlich länger beim Aussteigen als andere.

Essenerin habe bei dem Unfall Blutergüsse davongetragen

Doch genau dabei ist ihr der Unfall passiert: „Die Tür schloss sich vorzeitig, als ich dazwischen war“, beschreibt sie. Da sie bereits mit einem Fuß draußen war und keinen richtigen Stand hatte, sei sie gefallen, als die Tür sich wieder öffnete. Zuvor hätten andere Fahrgäste geschrien, dann hätten zwei Helfer sie wieder hochgehoben. Sie habe Blutergüsse am Bein davongetragen, das bis heute schmerze.

Von dem Unfall im September 2022 existiert ein Video. Um den Fall kümmerten sich Ärzte und Juristen. Mitte März habe nicht nur sie erneut in der Tür geklemmt, auch von anderen höre sie vermehrt ähnliche Ereignisse. Es sei hektischer geworden im Bus, beschreibt sie. Das führe auch dazu, das vor allem ältere Fahrgäste oftmals sehr früh aufstehen würden, da sie sich sorgten, nicht aussteigen zu können.

„Das Stehen im Bus während der Fahrt birgt dann ebenfalls Gefahren, wenn stark gebremst wird“, sagt Erika Feldhoff verständnislos. Immerhin hätten die Fahrer doch große Spiegel auch außen, könnten doch genau sehen, ob alle bereits aus- und eingestiegen seien.

Von dem Unfall hat die Ruhrbahn Videoaufzeichnungen

„In unserer Videoaufzeichnung war zu sehen, dass die Dame damals rückwärts aus dem Bus ausstieg und sich bereits außerhalb des Busses befand, als die Tür sich schloss“, schildert Ruhrbahn-Sprecherin Sylvia Neumann. Der Fahrer habe wegen anderer Fahrgäste zunächst nicht bemerkt/gesehen, dass sich der Rollator noch im Bus im Bereich der Türflügel befand. Als die Tür sich geschlossen habe, habe sie den Rollator berührt.

„Die Dame versuchte daraufhin, den Rollator aus der Tür zu ziehen, dieser kippte dann nach links, begünstigt durch eine schwere Tasche am Griff des Rollators, und riss die Dame mit sich. Unser Fahrer hat sofort die Tür wieder freigegeben“, erläutert die Sprecherin. Die Türen der Busse seien mit fühlenden Kanten versehen, sobald dort Druck aufkomme, öffneten diese sofort, unabhängig davon, ob es sich um eine Automatiktür oder eine durch das Fahrpersonal freizugebende Tür handele.

Beschwerden gebe es bei der Ruhrbahn äußerst selten

Während der Fahrt sollten Senioren sich einen sicheren Stand/Sitzplatz sowie einen sicheren Halt verschaffen und beibehalten, so lautet der Appell der Ruhrbahn. Dieses sei auch den Beförderungsbedingungen zu entnehmen. „Um Fahrgästen diese Unsicherheiten zu nehmen, bieten wir kostenlose Bus- und Bahntrainings an“, sagt Sylvia Neumann. In diesen werde etwa richtiges Sitzen während der Fahrt, Festhalten bei einer Vollbremsung, Halteknöpfe drücken, Ein- und Aussteigen und Abstellen des Rollators in Bus und Bahn vermittelt und geübt (Bustraining Generation 50 Plus: ruhrbahn.de).

Was im Umgang mit älteren Fahrgästen im Bus gilt

Was für Busfahrer und -fahrerinnen im Kontakt mit Senioren, die mitunter langsamer aussteigen und/oder mit dem Rollator unterwegs sind, gilt, erklärt die Ruhrbahn und zitiert dazu in Auszügen die Dienstanweisung Fahrbetrieb für den Bereich Bus, die die Türöffnung/Türschließung beschreibt:

Bei der Anfahrt einer Haltestelle ist im Sinne des Kundendienstes der Abstand zwischen Bus und Bordsteinkante möglichst gering zu halten. Wartende Kunden und andere Fußgänger dürfen nicht gefährdet werden. Sollte beim Heranfahren an eine Haltestelle erkennbar sein, dass ein Rollstuhlfahrer, ein Fahrgast mit Kinderwagen oder ein Fahrgast mit sichtbarer Behinderung zusteigen will, ist abzusenken.

Das Fahrpersonal ist verpflichtet, aktiv zum Zusammenrücken der Fahrgäste aufzufordern, um Platz für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste zu schaffen.

Alle Busse sind mit Klapprampen ausgestattet, damit mobilitätseingeschränkte Fahrgäste bequem ein- und aussteigen können. Vor dem Ausklappen der Rampe ist zu prüfen, ob genügend Platz vorhanden ist,um die Rampe gefahrlos umzulegen. Außerdem ist zu beachten, dass Einbauten das Ein- bzw. Ausrollen des Fahrgastes nicht behindern. Die Rampe darf nur durch Fahr- bzw. Betriebspersonal bedient werden.

Ist der Bus besetzt oder eine Abfahrt aus betrieblichen Gründen erforderlich, sind weitere Kunden darüber zu informieren, dass die Einstiegs- bzw. Türbereiche zu räumen sind und das Einsteigen nicht mehr möglich ist. Die Leitstelle ist zu informieren.

Bei der Türbedienung dürfen Kunden nicht gefährdet werden, ggf. sind sie zu warnen. Nach Schließen der Türen hat sich der Fahrer vor dem Abfahren durch einen Blick in die Spiegel Gewissheit darüber zu verschaffen, dass an den von ihm einsehbaren und zu erkennenden Türen seines Busses der Fahrgastwechsel abgeschlossen ist. Beim Abfahren dürfen Personen nicht gefährdet werden.

Während und auch nach der Ausbildung wird das Fahrpersonal im Rahmen der Weiterbildung für Berufskraftfahrer und -fahrerinnen im Umgang mit mobilitätseingeschränkten Fahrgästen geschult (alle 5 Jahre).

Insgesamt landeten Beschwerden nur äußerst selten bei der Ruhrbahn, die darüber keine Statistik führe. In diesen Fällen stiegen die Fahrgäste zu spät ein oder aus, dann sei die Tür bereits in Bewegung. „Bei unseren modernen Bussen wird den Fahrgästen mit einer (roten) LED-Trittleiste angezeigt, wann sie nicht mehr zusteigen sollten“, erklärt die Sprecherin.

Für Busfahrer gilt wiederum: Sie sollten und dürften die Tür erst schließen, sobald keine Fahrgäste mehr aus- oder einsteigen möchten. Das Fahrpersonal vergewissere sich, bei Türen mit manueller Türbetätigung, durch Blick in den Innen- sowie Außenspiegel, ob Fahrgäste die Tür noch zum Ein- bzw. Aussteigen nutzen möchten. Erst dann werde die Tür geschlossen.

Fahrpersonal prüft vor Abfahrt die Situation durch Blick in den Innen- und Außenspiegel

Bei den Automatiktüren könne das Fahrpersonal nicht manuell einschreiten, die Türsicherung erfolge dann mit Hilfe von Lichtschranke und Drucksensoren. Der Blick in den Innen- und Außenspiegel gehöre dennoch auch hier dazu.

Dass es diese Vorgaben gebe, das bezweifelt Erika Feldhoff mitnichten. In der Praxis funktioniere das leider nicht immer. An den Tipps aus dem Verhaltenstraining übt sie ebenfalls keine Kritik: „Das wissen wir doch alles“, sagt die 87-Jährige. Sie wisse, wie sie sich verhalten müsse und komme grundsätzlich klar. Im Alltag sei es oftmals aber einfach sehr hektisch, ein sicheres Ein- und Aussteigen benötige schlichtweg etwas mehr Zeit.

Essenerin hat inzwischen Schmerzensgeld erhalten

„Als sich im September gestürzt bin, war ich die einzige, die aussteigen wollte“, sagt sie zu der Situation, die übersichtlich gewesen sei. Der Schilderung der Ruhrbahn mag sie jedoch nicht mehr widersprechen („sie wollten mir die Schuld zuweisen“), da diese Angelegenheit inzwischen erledigt sei und sie Schmerzensgeld erhalten habe. Wie oft dieses gezahlt wird, auch dazu führe die Ruhrbahn keine Statistik.

Erika Feldhoff wiederum mag sich nicht verkämpfen, wenn es aussichtslos scheine und lediglich Kraft koste. Dennoch liegt ihr am Herzen zu betonen: „Geändert hat sich nichts.“ Dabei gehe es nicht nur um ihre Sicherheit: „Es kann doch nicht sein, dass manche Senioren Angst haben, mit dem Bus zu fahren.“ Und weil das nicht nur für sie ein Thema ist, könnte sich vielleicht der Seniorenbeirat des Themas annehmen. Das Büro des Oberbürgermeisters habe sie bereits kontaktiert. Auf eine Antwort warte sie noch.