Essen. Die Pflicht zum Heizungstausch setzt gerade ältere Hausbesitzer unter enormen Druck – wie diese zwei Beispiele aus Essen zeigen.

Helmut Sander lebt in einer Doppelhaushälfte in Essen-Steele. Das Häuschen stammt aus den 1960er Jahren. Mittlerweile gehört es den beiden Töchtern. Der 68-Jährige hat in den vergangenen Jahren viel ins Haus gesteckt, vieles modernisiert. Doch das Problem steht im Keller: Die Gasheizung ist in die Jahre gekommen. 22 Jahre alt ist sie, sie tut es. Doch der Rentner fragt sich besorgt: Wie lange noch?

Im Moment könnte Helmut Sander sie noch durch eine neue Gasheizung ersetzen. Ab 1. Januar 2024 jedoch ginge das nicht mehr. Denn nach den Vorstellungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck müsste der Rentner dann eine Heizung einbauen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben wird. Am Mittwoch hatte das Bundeskabinett dem Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes zugestimmt und damit auch die Frist zum Austausch bestätigt. „Dass die Regierung das jetzt mit der Brechstange durchsetzen will, finde ich unmöglich“, schimpft der 68-Jährige.

Energieberater zum Heizungstausch: Es fehlen bezahlbare Alternativen

Solche Geschichten wie die von Helmut Sander hört Herrmann-Josef Schäfer momentan tagein tagaus. „Es gibt von morgens bis abends kein anderes Thema“, sagt der Energieberater, der am Freitag auf der Messe „Klimatage des Essener Handwerks“ am Stand der Verbraucherzentrale viele verunsicherte Hausbesitzer berät. Auch Schäfer sagt: Der von der Regierung forcierte Heizungstausch sei mit Blick auf den Klimawandel zwar richtig, aber in den meisten Fällen vor Ort nicht umsetzbar – vor allem nicht so schnell. Entweder seien die derzeitigen Alternativen technisch nicht möglich oder zu teuer oder beides. „Erst hat die Politik das Thema jahrelang verschlafen und nun setzt sie den Leuten die Pistole auf die Brust“, ärgert sich Schäfer.

Wenn sich Helmut Sander beispielsweise für eine Wärmepumpe entscheiden würde, so schätzt der Energieberater, müsste er 80.000 bis 100.000 Euro einplanen – mit Fenstertausch und Dämmung. Ohne das wäre eine Wärmepumpe nicht geeignet, weil der Energiebedarf in dem Altbau zu hoch ist. „Das können sich gerade ältere Menschen nicht leisten“, meint Schäfer und schiebt hinterher: „Von der Bank bekommen die auch keine 100.000 Euro mehr.“

Preise für Heizungskessel enorm gestiegen

Helmut Sander stimmt dem Berater nickend zu: „Eine solche Investition kann ich mir nicht leisten und kann ich auch nicht meinen Kindern zumuten.“ Er hat sich deshalb entschieden, noch in diesem Jahr seine alte Gasheizung gegen eine neue zu ersetzen. „Ich brauche jetzt eine Lösung. Ich werde ja auch nicht jünger“, sagt er.

In Habecks Sinne ist das zwar nicht. Und billig wird es auch nicht, zumal sich die Preise für herkömmliche Kessel wegen der hohen Nachfrage nahezu verdoppelt haben. Energieberater Schäfer schätzt, dass Helmut Sander der Heizungstausch rund 15.000 Euro kosten wird. Eine Summe, die den 68-Jährigen, aber deutlich weniger schreckt. Zumal er mit dem neuen Brennwertkessel etwa 15 Prozent Gas sparen würde. Helmut Sander fährt an diesem Tag mit einer Lösung und damit einer Sorge weniger nach Hause. Nun muss er nur noch hoffen, dass sein Handwerker die neue Heizung auch noch in diesem Jahr einbauen kann. „Ein paar Monate Zeit habe ich ja noch.“

Auch Dieter Straß aus Altenessen besucht am Freitag die Messe im Haus des Handwerks. Wie Helmut Sander treibt den 66-Jähren derzeit das Thema Heizung um. Der Gaskessel in seinem Reihenhaus ist ebenfalls über 20 Jahre alt. Dieter Straß ist ratlos: „Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich fühle mich von der Politik extrem schlecht informiert.“ Abgesehen von den hohen Kosten, weiß Dieter Straß gar nicht, ob er eine Wärmepumpe wegen des engen Platzes und den geforderten Abstandsflächen überhaupt installieren könnte. Ein Problem, das viele Hausbesitzer in dichtbesiedelten Großstädten wie Essen haben dürften. „Allein daran sieht man, wie handwerklich schlecht das Gesetz gemacht ist“, schimpft er. Hektisch seine Heizung austauschen will der Rentner jedoch nicht. „Ich hoffe, dass sie noch eine Weile durchhält.“ Und wenn nicht, dann hat er eine Alternative in seinem Keller stehen: „Bevor ich friere, hole ich den alten Kohleofen wieder nach oben. Was soll ich machen“, zieht er achselzuckend weiter.

>>> INFO: Mehr zu den Klimatagen des Essener Handwerks

Die Messe findet am Samstag, 22. April, von 10 bis 15 Uhr in der Katzenbruchstraße 71 in Essen statt. Der Besuch und die Teilnahme an den Fachvorträgen sind kostenlos. Das Fachvortragsprogramm ist im Netz unter www.handwerk-essen.de/klimatage2023 zu finden.

Themen sind unter anderem „Sparen dank Photovoltaik“ (10 Uhr) und um 13 Uhr „Wärmepumpe im Bestand“.

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