Essen. Lebertransplantierte Kinder und ihre Eltern brauchen Disziplin. Jetzt kamen Betroffene aus ganz Deutschland zum Austausch in die Uniklinik Essen.
Wo sie sich sonst zu Untersuchung und Behandlung, zu Blutabnahme oder Biopsie aufhalten, verlebten am Samstag (15. April) kleine Patienten aus ganz Deutschland einen unbeschwerten Tag mit Fußballspiel, Musizieren, Rudern, Skaten und Kinderschminken.
Der Verein Leberkrankes Kind e.V. hatte zum Familientag in die Essener Uniklinik eingeladen. Das Netzwerk mit 300 Mitgliedsfamilien steht Betroffenen zur Seite.
Lebererkrankung: Diagnose ist für die Familien erstmal ein Schock
„Wenn eine Familie die Diagnose erhält, dass das Kind eine Lebererkrankung hat, womöglich sogar transplantiert werden muss, ist das erstmal ein Schock“, sagt die Vereinsvorsitzende Berit Kunze-Hullmann. „Wir vom Verein sind der erste Ansprechpartner und möchten den Familien vor allem eines vermitteln: Ihr seid nicht allein!“, betont die Essenerin, deren Tochter im Alter von einem Jahr lebertransplantiert wurde.
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Rund 150 Gäste kamen am Samstag ins Hörsaalzentrum der Uniklinik; darunter 60 leberkranke oder lebertransplantierte Kinder sowie ihre Geschwister. Für sie gab es ein Freizeitprogramm, während ihre Eltern Fachvorträge zu Krankheit und Therapie hörten. So sprach Prof. Dr. Michael Berger, seit Januar Leiter der Kinderchirurgie, über die chirurgischen Besonderheiten von Lebertransplantationen bei Kindern.
„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, das müssen wir als Chirurgen immer berücksichtigen“, betonte Berger. Gemeinsam mit seinem Team arbeite er daran, die Operationstechniken weiter zu verbessern und intelligente Drainage- und Katheter-Systeme zu entwickeln – auch mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. „Wir möchten die Gefahr von Komplikationen nach Operationen so gering wie möglich halten, damit die Kinder schnell wieder nach Hause können.“
Für den Erfolg der Transplantation ist die Mitarbeit der Eltern essenziell
Bergers Kollegin, Oberärztin Prof. Dr. Elke Lainka, ging auf die Frage ein, die alle Eltern transplantierter Kinder umtreibt: Wie lange hält eine transplantierte Leber? „Das lässt sich natürlich nicht allgemeingültig beantworten“, sagt die Kinderhepatologin und Transplantationsmedizinerin. „Aber man kann einiges tun, um die Chancen zu erhöhen, dass das Transplantat möglichst lange hält.“ Die Mitarbeit der Eltern sei für den Erfolg der Transplantation von essenzieller Bedeutung.
„Transplantierte Kinder brauchen ihr Leben lang Medikamente. Diese Immunsuppressiva müssen unbedingt regelmäßig und zuverlässig eingenommen werden, um vor einer Abstoßung zu schützen“, erklärte Lainka. „Hier sind die Eltern gefragt, in der Familie ein Bewusstsein dafür zu schaffen.“ Auch regelmäßige Blutentnahmen und Ultraschalluntersuchungen seien wichtig.
Netzwerk für Familien mit leberkranken Kindern
Die Klinik für Kinderheilkunde II der Uniklinik Essen ist ein hoch spezialisiertes Zentrum für die interdisziplinäre Behandlung und Erforschung komplexer Lebererkrankungen und pädiatrische Lebertransplantationen. 2022 wurden hier 14 Kinder lebertransplantiert, davon vier Säuglinge.
Viele der Patienten nehmen mit ihren Eltern weite Wege für die Behandlung in Essen auf sich. So Familie Menges aus Ransbach-Baumbach im Westerwald: Sohn Moritz (*2015) hat die seltene Lebererkrankung PFIC Typ 2; sein Vater konnte ihm 2017 ein Stück seiner Leber spenden. Klaus Menges ist ehrenamtlich Schatzmeister des Vereins Leberkrankes Kind e.V.
Der Verein ist ein bundesweites Netzwerk für Familien mit leberkranken Kindern und hat gut 300 Mitgliedsfamilien. Vorsitzende ist die Essenerin Berit Kunze-Hullmann, deren Tochter mit einem Jahr lebertransplantiert wurde. Der Verein veranstaltet jährlich einen Familientag an einer auf Lebererkrankungen spezialisierten Uniklinik. Infos: www.leberkrankes-kind.de
Behandelt wurde am Familientag auch das deutsche Transplantationsgesetz, nach dem Organe und Gewebe nur dann nach dem Tod entnommen werden dürfen, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Ein Organspendeausweis soll dies dokumentieren. In anderen Ländern gilt dagegen die Widerspruchslösung, nach der Organe eines Verstorbenen entnommen werden dürfen, sofern sich dieser zu Lebzeiten nicht dagegen ausgesprochen hat. Angesichts fehlender Spenderorgane wird diese Regelung auch hierzulande diskutiert.
Organspende ist in Deutschland streng geregelt
Noch hinke Deutschland bei der Organspende hinterher, sagt Berit Kunze-Hullmann. Berührend nennt die Vereinsvorsitzende den Erfahrungsbericht eines jungen Erwachsenen beim Familientag: Er musste mit zwölf Jahren aufgrund eines akuten Leberversagens transplantiert werden und arbeitet heute selbst im medizinischen Bereich.