Essen. Essener Aalto-Theater zeigt spektakuläre „Dogville“-Inszenierung. Die Bühnenmaschinerie läuft auf Hochtouren. Oldtimer hat besondere Funktion.
Es kommt nicht allzu oft vor, dass der erste große Schlussapplaus in der Oper nicht den Musikern oder Sängern des Ensembles gilt, sondern den technischen Mitarbeitern. Nach der gefeierten Uraufführung von Gordon Kampes „Dogville“ im Aalto-Theater waren es die Bühnentechniker, die als erste mit jubelndem Applaus für einen zeitgenössischen Opern-Abend belohnt wurden, der auch optisch zu einem besonderen Ereignis gerät.
Theatermeister David Spaccavento und sein Team haben im Theater schon so manches scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Mal haben sie die große Aalto-Spielfläche unter Wasser gesetzt oder Menschen mitten auf der Bühne Kettenkarussell fahren lassen. Die „Dogville“-Produktion stellt das Team aber noch einmal vor ganz neue technische Fragen: beispielsweise wie man Kulissenwände mit dem Auto so umfährt, dass man die Bühnenteile auch in den nächsten Vorstellungen noch nutzen kann.
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Für das spektakuläre Schlussbild ist Seitenmeister Salih Carkci zuständig, der sich ans Steuer eines Renault Primaquatre Sport von 1938 setzt. Den chromblitzenden Oldtimer hat die Requisite in Norddeutschland aufgetan und extra einen Elektromotor eingebaut, damit das Gangster-Gefährt auf der Bühne auch abgasfrei verkehrt. Carkci macht damit am Ende jedes Dogville-Abend kaputt, was die Kollegen vor jeder Vorstellung in mühsamer Handarbeit aufbauen.
Nachmittags um drei herrscht deshalb in „Dogville“ zumindest hinter der Bühne schon Hochbetrieb. Allein die schräge Rampe, auf der Titelfigur Grace später gegen die menschlichen Abgründe einer bigotten Dorfgemeinschaft ankämpft, um am Ende doch blutig Rache zu nehmen, ist eine technische Herausforderung. Sie besteht aus mehreren Bühnenwagen, die eine scheinbar endlose Zahl von Zimmern und Orten Stück für Stück über die 55 Meter breite Bühne ziehen und beim Publikum den Eindruck erwecken, als hätte das Opernhaus seine Seitenwände für diese Bilder-Karawane einfach eingerissen.
Wenn die Vorstellung läuft, kommt es auf Zehntelsekunden an
Mehr Infos zu „Dogville“
Die Oper „Dogville“ basiert auf dem gleichnamigen Kinofilm von Lars von Trier. Der in Herne geborene Komponist Gordon Kampe hat daraus nun erstmals eine Oper gemacht.
Kampes Werk besteht aus 18 Szenen und wird in englischer Sprache aufgeführt (deutsche Übertitel). Die musikalische Leitung hat Essens Generalmusikdirektor Tomáš Netopil. Regie führt David Hermann.
Weitere Vorstellungen: 26. März, 18 Uhr sowie am 1., 16., 30. April. Karten: Tel. 0201-8122-200 und online www.theater-essen.de
Spaccavento lächelt zufrieden, wenn man so etwas erzählt. Die optische Täuschung funktioniert! Dafür haben die Ausstattungsteams zusammen mit Bühnenbildner Jo Schramm monatelange Vorarbeit geleistet: „Wir reizen die Maschinerie komplett aus“, sagt der 42-jährige Theatermeister. Wenn die Vorstellung läuft, muss das Timing auf die Zehntelsekunde genau passen. Denn die Bühnenwagen werden am Ende der Rampe in voller Fahrgeschwindigkeit ab- und dann auf der anderen Bühnenseite wieder angekoppelt, ohne dass das Publikum davon etwas mitbekommt. Kein ungefährliches Vorhaben. „Da wirken schon tonnenschwere Kräfte“, sagt Spaccavento.
Jeden Arbeitsablauf haben sie in den vergangenen Monaten deshalb zigmal geprobt, damit all die Kollegen der Bühnentechnik, der Ober- und Untermaschinerie oder Requisite an der richtigen Stelle stehen, wenn Carkci mit dem blitzblanken Oldie zum spektakulären Finale die Rampe hinunterrollt und die Wände von „Dogville“ einfach umnietet. Das sei wie bei der Formel 1, erzählt der Theatermeister. Alle Beteiligten bekommen per Durchsage ein Start-Signal, „und dann muss alles passen“.
Wie nach einem WM-Sieg sind sich alle in die Arme gefallen
Bei den Proben sei noch manches kaputt gegangen, berichtete Spaccavento. In den Theaterwerkstätten hätten die Nerven manchmal schon ziemlich blank gelesen. Zur Premiere lief das große Finale mit viel Feuer und ordentlich Bühnenwumms dann aber wie geschmiert. Danach seien sich alle Beteiligten „wie nach einem WM-Sieg“ in die Arme gefallen, erzählt der 42-Jährige. Musiktheater hat manchmal sogar eine sportliche Dimension – auch für die Sänger, die beim Singen in steiler Lagerung diesmal nicht nur die Stimmbänder, sondern auch den Rücken strapazieren.
Mehr Infos zu „Dogville“
Die Oper „Dogville“ basiert auf dem gleichnamigen Kinofilm von Lars von Trier. Der in Herne geborene Komponist Gordon Kampe hat daraus nun erstmals eine Oper gemacht.
Kampes Werk besteht aus 18 Szenen und wird in englischer Sprache aufgeführt (deutsche Übertitel). Die musikalische Leitung hat Essens Generalmusikdirektor Tomáš Netopil. Regie führt David Hermann.
Weitere Vorstellungen: 26. März, 18 Uhr sowie am 1., 16., 30. April. Karten: Tel. 0201-8122-200 und online www.theater-essen.de