Essen-Rüttenscheid. Eine fast 100-Jährige hat Mode aus nahezu allen Jahrzehnten ihres Lebens behalten. Einen Teil verkauft nun der Essener Vintage-Laden Platzhirsch.
- Besondere Haushaltsauflösung: Eine Wuppertalerin, fast 100 Jahre alt, hat Kleidung von den 30er Jahren bis heute aufgehoben.
- Das Team des Rüttenscheider Vintage-Ladens Platzhirsch stieß auf die Schätze – und verkauft nun einen Teil davon an der Alfredstraße.
- Beim Platzhirsch in Rüttenscheid gibt es Vintage-Mode und Möbel aus zweiter Hand. Ein Teil davon stammt aus Haushaltsauflösungen.
Für Christian Wegmann war es ein wenig, als würde er das Leben der unbekannten Frau Revue passieren lassen. Der Inhaber des Vintage-Ladens Platzhirsch an der Alfredstraße 41 wurde zu einer Haushaltsauflösung nach Wuppertal gerufen. Auf dem Dachboden stieß er auf wahre Schätze: Die Verstorbene, fast 100 Jahre alt, hatte Mode aus nahezu allen Jahrzehnten ihres Lebens aufgehoben – darunter viele schicke, ausgefallene und hochwertige Stücke. Einen Teil dieser Kleidung kann man nun im Platzhirsch kaufen.
„Es war wie eine Zeitreise“, beschreibt Wegmann. Anhand der Kleidung lasse sich das Leben der Frau ein Stück weit nachzeichnen. „Man sieht, dass sie als junges Mädchen noch etwas ,lieber’ aussah, sie hatte viele Kleidungsstücke mit Blumen darauf“, sagt er. Die ältesten Teile stammten vom Ende der 30er Jahre. „Später ist sie mutiger geworden.“
Etwa die Hälfte der Kleidung muss das Essener Vintage-Team aussortieren
So enthielt der Kleiderschrank viele schicke Cocktailkleider mit auffälligen Mustern aus den 60er Jahren und knallbunte Roben aus den 70ern. Stücke wie ein langer, mintfarben gemusterter Rock mit Glitzer stechen sofort ins Auge. Auch ihr Brautkleid hatte die Verstorbene aufgehoben, das kann aber nicht mehr verkauft werden, weil es Flecken hatte. Etwa die Hälfte der Kleidung musste das Platzhirsch-Team aussortieren, etwa, weil die Klamotten beschädigt oder fleckig waren.
Für Christian Wegmann steht fest: „Die Dame hatte echt Geschmack.“ Wenn man all die tollen Stücke sehe, dann stelle man sich automatisch vor, wie die Besitzerin darin auf Partys gegangen und Besuch empfangen habe. Auch in den 90er Jahren, als die Frau schon in ihren Sechzigern war, trug sie noch einem stylishen, langen Ledermantel und verwaschene Jeanskleider. Schon in den 80ern wurde die Kleidung allerdings etwas weiter und gemütlicher. Zuvor hatte die Verstorbene meist Größe 36 getragen. Je näher die Mode an die heutige Zeit rückt, desto konservativer wird sie. Wegmann: „In höherem Alter hat die Frau schlichtere Kleidung getragen.“
Rüttenscheider Vintage-Laden Platzhirsch besteht seit zehn Jahren
In seinem Schaufenster hat Wegmann aus der besonderen Haushaltsauflösung eine kleine Ausstellung gemacht. „Ich wollte eigentlich nur die Vintage-Kleider ins Fenster stellen, dann hatte ich zufällig aus jedem Jahrzehnt einen Stuhl“, berichtet er. Nach und nach habe er das Schaufenster dann mit weiteren Accessoires aus den verschiedenen Dekaden ergänzt, zum Beispiel mit passenden Handtaschen und Hüten. Im Laden gibt es zwei lange Kleiderstangen mit Stücken aus der Haushaltsauflösung, die zum Verkauf stehen.
Fest zum Jubiläum
Der Vintage-Laden Platzhirsch ist montags bis freitags von 11 bis 18 Uhr sowie samstags von 11 bis 15.30 Uhr geöffnet. Telefonisch ist das Geschäft unter 0201 45857077 zu erreichen.
Am Samstag, 1. April, veranstaltet Christian Wegmann ein kleines Fest zum zehnjährigen Bestehen. Dann gibt es Waffeln, Sekt, andere Getränke und Rabatte.
Der Vintage-Laden Platzhirsch feiert 2023 sein zehnjähriges Bestehen. Neben Kleidung aus zweiter Hand gibt es dort Möbel zu kaufen. Ein Teil kommt aus Haushaltsauflösungen. Second-Hand-Cocktailkleider kosten im Platzhirsch etwa 50 bis 60 Euro, Blusen 20 bis 30 Euro. Wenn es sich um Stücke bekannter Designer handelt, kann es teurer werden. Eine alte Louis-Vuitton-Tasche sei etwa für 1000 Euro zu haben, so Wegmann. Vor allem bei jungen Menschen ist Vintage-Mode – also Kleidung aus älteren Kollektionen, die zu ihrer Zeit stark im Trend war – aktuell sehr beliebt.
Rüttenscheider Vintage-Händler appelliert: Alte Kleidung nicht wegwerfen
Nicht selten gingen bei ihm sehr ausgefallene Teile über den Tisch, erzählt Wegmann: „Letztens hat eine Kundin einen knallorangefarben, bodenlangen Strickmantel gekauft.“ Ebenfalls gefragt seien Vintage-Bademäntel. Junge Leute kombinierten die extravaganten Stücke zum Beispiel gern mit Sneakern. Ab und an kaufe auch mal ein Mann einen Damenmantel. „Diese Klamotten schenken einfach so viel Freude“, findet Wegmann.
Deshalb ist es für ihn auch ein Graus, wenn er zu einer Haushaltsauflösung kommt und feststellt: Die Kleidung ist weg. Das komme durchaus häufig vor. „Die Leute machen zuerst den Kleiderschrank leer, weil Klamotten eben einfach zu entsorgen sind“, sagt Wegmann. „Ich finde es aber schön, wenn man sie der jungen Generation zur Verfügung stellt.“ Zumal die noch erhaltene Mode aus älteren Jahrzehnten naturgemäß immer rarer werde. Damit sie erhalten bleibt, muss sie aber auch pfleglich behandelt werden. Würden die Sachen im Keller gelagert, erklärt Wegmann, dann nähmen sie oft Schaden.