Essen. Fahrgäste der S9 in Essen-Gerschede klagen mehr über Zugausfälle, als über den Zustand der sanierungsbedürftigen Verkehrsstation.
Der S-Bahnhof Gerschede zählt zu den kleineren und unauffälligen Verkehrsstationen in Essen. Im engeren Umfeld mit ausgedehnten Wohnsiedlungen ist der Nordwesten hier ruhiger Vorort. Pendler schätzen den Haltepunkt, weil sie von dort bequem zur Arbeit oder Universität kommen. Bis zum Hauptbahnhof und zur Innenstadt sind es lediglich zehn Minuten. Der Haltepunkt ist aber auch ein Ort zum Ankommen: etwa für Schüler der nahen Gesamtschule Borbeck. Unübersehbar ist: Die Verkehrsstation ist in die Jahre gekommen und sanierungsbedürftig.
Taktung der Bahnen in Essen-Gerschede
Der S-Bahnhof Gerschede liegt an zwei Bahnlinien, aber nur eine hält hier: die S9 (Wuppertal – Haltern bzw. Wuppertal). Die andere, die Rhein-Ruhr-Bahn (vormals Nordwestbahn) bedient nur Borbeck und danach den Bottroper Hauptbahnhof.
Die Deutsche Bahn hat die S9 am 1. Februar 2022 von Abellio übernommen. Im Stundentakt fahren die Züge auf den Strecken Haltern-Wuppertal und Recklinghausen-Hagen. Das heißt: In Gerschede fahren die Züge – beispielsweise zum Hbf – im 30-Minuten-Takt: werktags ab 4.38 Uhr (Samstag/Sonntag ab 5.09 Uhr). Der letzte Zug fährt werktags um 1.09 Uhr und samstags bzw. sonn- und feiertags um 2.09 Uhr. In Gegenrichtung ist zu beachten, dass es zwei Linien-Äste gibt. Der eine führt via GE-Hassel und Marl-Mitte nach Haltern, der andere über den neuen Haltepunkt Herten nach Recklinghausen Hbf. Buer-Nord soll 2024/25 hinzukommen. Um 4.38 Uhr fährt werktags der erste Zug Richtung Hauptbahnhof.
Anbindung an Bus und Tram – Leihräder
Praktisch: In unmittelbarer Nähe an der Donnerstraße hält die Straßenbahn der Ruhrbahn-Linie 103, die Borbeck via Essen-Hbf zur Hauptverkehrszeit im 20-Minuten-Takt mit Steele verbindet. Fahrgäste an der Haltestelle berichten allerdings, dass die 103 leider häufiger ausfalle.
Die Bezirksvertretung dringt darauf, die Haltestelle in der Fahrbahnmitte für Fußgänger sicherer zu machen. „Entweder durch deinen Zebrastreifen oder durch eine Ampel“, so Bezirksbürgermeisterin Margarete Roderig. Nachts fährt hier der Nachtexpress NE 12. Etwa 400 Meter entfernt, an der Kreuzung Donnerstraße/Weidkamp hält die Buslinie 186.
Zwar gibt es an der Münstermannstraße direkt neben dem Treppenaufgang zum Bahnsteig einen „Bike & Ride“-Platz, der zum Teil sogar überdacht ist. Doch er macht einen ziemlich ungepflegten Eindruck und ist obendrein ein unsicherer Ort. So überrascht es nicht, dass beim Test am Vormittag kein einziges Fahrrad hier abgestellt ist. Eine Station für Leihräder hat der S-Bahnhof nicht.
Sauberkeit
Die beiden Bahnsteige vermitteln keinen schlechten Eindruck. Auch Fahrgäste berichten, dass sie den Bahnhof als „ziemlich gepflegt“ einstufen. An Wintertagen mit Nachtfrost und Glättegefahr werden Bahnsteige und Treppen gestreut. Ungepflegt wirkt eher das Gebüsch an beiden Seiten der Bahnsteige. Hier liegen Flaschen, ein leeres 5-Liter-Bierfässchen, Scherben, ein Einkaufswagen.
Der Bahnhofs-Check: Hier alle Folgen https://www.waz.de/staedte/essen/wir-checken-essener-bahnhoefe-das-sind-die-bisherigen-tests-id235253837.html
Die Bahn reinigt den Bahnhof zwei Mal in der Woche (Sonderreinigungen nach Bedarf). Ein Dauerproblem – wie nahezu an allen Haltepunkten – sind Vandalismus und Graffiti. Die „Rude Boys“ von Rot-Weiss Essen hinterlassen ebenso ihre „Tags“ wie linke Parolen-Sprayer („Gegen Faschismus - keine Stimme der AfD“).
Sicherheit
Ein unsicherer Ort ist der S-Bahnhof nicht, aber weibliche Fahrgäste dürften dies vor allem in der dunklen Jahreszeit und zu späterer Stunde subjektiv anders empfinden. Weil sich in unmittelbarer Nähe größere Wohngebiete befinden, ist der Bahnhof tagsüber gut frequentiert. Nach Erhebungen des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr gibt es hier täglich 1123 Reisende. Frequenz sorgt also indirekt auch für Sicherheit.
Service
Die Fahrgastinformation bewerten die Tester des VRR in ihrem letzten Stationsbericht mit der Farbe „Blau“, also als „hervorragend“. Neben der Digitalanzeige oben an den Bahnsteigen gibt es in den Vitrinen Fahrplanaushänge und Informationen über aktuelle Störungen. Der Fahrscheinautomat unten ist in gutem Zustand.
Im unmittelbaren Umfeld verdient der Kiosk auf der Donnerstraße namens „Verkaufsanstalt“ eine besondere Erwähnung. „Wir sind die Einflugschneise zum Bahnhof“, sagt Inhaber Frank Busch augenzwinkernd. Sein Geschäft hat von 6 bis 21 Uhr geöffnet. Morgens gibt es belegte Brötchen, später Schnitzel, Frikadellen und Bockwürstchen. Nachmittags trifft man sich in der gemütlichen Gerscheder Trinkhalle zum Feierabendbier.
Wartekomfort
Könnte besser sein: Bahnsteig 1 (stadteinwärts) hat zwei Wartehäuschen mit jeweils sechs Sitz- und mehreren Stehplätzen. Bahnsteig 2 (Richtung Bottrop) kommt mit einem aus, weil weniger frequentiert. Obwohl aus hartem Edelstahl sind einige Sitze demoliert oder beschädigt – die Folge roher Gewalt und Zerstörungslust. Ein Fahrgast beschwert sich darüber, dass an der Deckenverkleidung eines Unterstandes schon seit langer Zeit ein großes Loch klafft.
Barrierefreiheit
Ein großer Pluspunkt. Für beide Bahnsteige gibt es einen geräumigen Aufzug, der sauber und frei von üblen Gerüchen ist. Selbst die Mitnahme eines schweren E-Bikes ist problemlos möglich. Der Minuspunkt: Mehrere Fahrgäste, darunter der VHS-Pädagoge Holger Blumensaat, beschweren sich darüber, dass der Aufzug zu häufig defekt sei. „Zuletzt gab es sogar drei Ausfälle in kurzer Zeit.“ Die Bahn hat angekündigt, den Bahnsteig von 96 auf 76 Zentimeter absenken zu wollen.
Das plant die Bahn:
Neubau der beiden Außenbahnsteige an Gleis 1 und 2 mit einer Nutzlänge von 155 Metern und einer Höhe von 76 Zentimeter; Neubau des Wetterschutzes; Modernisierung der Treppen- und Beleuchtungsanlagen an Bahnsteig 1 und 2; Anpassung der Antrittsflächen im Bereich der Personenunterführung an die neue Bahnsteighöhe; Neubau der Bahnsteigausstattung und des Wegeleitsystems.
Fazit zum Bahnhof Essen-Gerschede
Der Bahnhof Gerschede hat für Pendler viele Pluspunkte. Hauptbahnhof und Innenstadt sind in wenigen Minuten erreichbar. Wer ins Grüne will, nimmt den Zug nach Haltern am See. DB und VRR-Tester kommen trotzdem übereinstimmend zum Urteil: sanierungsbedürftig. Fahrgäste würden dieses Manko eher hinnehmen, wenn nicht ständig Züge ausfielen. Im Zuge der Bahnsteig-Absenkung plant die Bahn zwar eine umfangreiche Rundum-Modernisierung. Leider fehlt dafür der präzise Investitionsplan.