Essen-Altendorf. Trotz ihrer Gehörlosigkeit bricht Stella Kernchen aus Essen zum Freiwilligendienst nach Tansania auf. Wie sie an ihren Erfahrungen wächst.
Stella Kernchen aus Altendorf hat den Sprung ins große Abenteuer gewagt – sie verbringt ein Jahr in Tansania. Die besondere Herausforderung dabei: Die 21-Jährige ist von Geburt an taub. Trotz ihrer Gehörlosigkeit träumte sie vom Auslandsjahr in Afrika und bereitete sich während ihrer Schulzeit am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg (RWB) in Frohnhausen darauf vor. Nun lebt sie schon seit mehreren Monaten in Tansania, gemeinsam mit Freund Elvis, der ebenfalls gehörlos ist, hat sie sich in der Stadt Dar es Salaam einen neuen Alltag aufgebaut.
„Am Anfang war ich schon überrascht“, sagt Kernchen. „Wir hatten ganz klar einen Kulturschock.“ Die gemeinsame Wohnung liegt auf dem Schulgelände der „Tanzania Society for the Deaf“, auf dem gehörlose Kinder und Jugendliche lernen. Sicher sei die Unterkunft, anfangs hätten aber erst einmal Insekten vertrieben werden müssen, berichtet Kernchen per Mail. Eine Person in ihrem Umfeld sei zudem aktuell an Malaria erkrankt und auf zahlreiche Medikamente angewiesen, „so etwas haben wir noch nicht erlebt“, schreibt sie.
Aus Essen zum Freiwilligendienst nach Tansania
Trotz alldem habe sie bisher eine gute Zeit in Tansania und bereue den Schritt keinesfalls. Den Traum einer Reise nach Sansibar hat sie sich ebenfalls bereits erfüllen können. Das Urteil über die Strände dort: „Einfach wow!“ Sie hoffe vor ihrer Rückreise nach Deutschland noch einmal dorthin reisen zu können. Das Tauchen zu lernen, habe sie sich bisher nicht getraut – aber vielleicht komme es ja noch dazu. Ihre Freizeit in Tansania genießt das Paar in vollen Zügen, aber auch die Arbeit in der Schule für Gehörlose mache Spaß. Gemeinsam mit den Kindern treiben sie Sport, lesen ihnen Bücher auf Gebärdensprache vor, malen und spielen mit ihnen.
Unterstützung bekam Stella Kernchen vom Freiwilligendienst „weltwärts“ und vom Verein Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit (bezev), der junge Menschen mit Behinderung dabei unterstützt, in die Welt zu gehen. 15 bis 20 Freiwillige entsendet der Verein jedes Jahr zu Projekten nach Ecuador, Mexiko, Indien, Ghana, Uganda und eben Tansania. Etwa ein Drittel der Freiwilligen hat eine Behinderung. Einen Eigenanteil von 25 Prozent müssen die Freiwilligen selbst finanzieren. Stella Kernchen hatte vor ihrer Abreise per Crowdfunding Geld gesammelt und einiges zusammenbekommen, den Rest der insgesamt 3000 Euro werde sie nach ihrer Zeit in Tansania erarbeiten.
Stella Kernchen will Gebärden-Dolmetscherin werden
Anfangs sei sie bei den Kindern in der Schule für Gehörlose auf Skepsis gestoßen, sie hätten noch nie eine weiße Frau getroffen, die ebenfalls gehörlos sei. Die Kommunikation funktioniert per Gebärdensprache, dabei musste sich Kernchen aber erst einmal umstellen. „Ich musste eine neue Gebärdensprache in Suaheli lernen“, berichtet sie. „Im Vergleich zu International Sign ist sie sehr anders.“ Mittlerweile kommuniziere sie mithilfe einer Mischung aus beiden Gebärdensprachen. „Es funktioniert sehr gut.“
Und die Umstellung habe in ihr einen Berufswunsch geweckt: In Zukunft möchte sie gerne als Gebärden-Dolmetscherin arbeiten. In Berlin und Hamburg gebe es die Möglichkeit eines Studiums, darauf werde sie sich bewerben. In Tansania hat sie noch einige weitere Monate vor sich, ist aber schon jetzt dankbar für die Erfahrungen, die sie machen durfte.