Essen. Das Stadtmarketing frohlockt: Am 26. August winkt ein Großevent des Profi-Radsports und verspricht beste Imagewerbung. Die aber hat ihren Preis.

Spektakuläre Fernsehbilder aus dem Hubschrauber, bei denen man sich die Schokoladenseiten der Stadt sogar aussuchen kann; ein nach Zehntausenden zählendes Publikum an der Strecke und gar Millionen Zuschauer im TV – kein Wunder, dass es Richard Röhrhoff da vor Begeisterung aus dem Sattel hebt: Der Chef der Essener Marketing-Gesellschaft EMG wirbt dafür, Essen zum Etappenziel der diesjährigen Deutschlandtour zu machen, dem größten Radsport-Ereignis zwischen Kiel und Konstanz. Ein entsprechendes Angebot des Veranstalters liegt auf dem Tisch.

Und gelandet ist es dort eher zufällig: Weil die örtliche Politik im sachsen-anhaltinischen Stendal vor fünf Wochen überraschend einen Rückzieher machte, klafft im fünftägigen Programm des Radsport-Festivals Ende August ausgerechnet am attraktiven Samstag eine Etappen-Lücke. Eine, in die Essen jetzt kurzentschlossen hineinsprinten will, auch wenn es den erhofften touristischen Werbeeffekt des Live-Spektakels keineswegs umsonst gibt, im Gegenteil.

300.000 Euro netto – für den Kostenbeitrag muss sich die Stadt ganz schön abstrampeln

EMG-Geschäftsführer Röhrhoff schätzt die Kosten einer städtischen Beteiligung auf insgesamt rund 300.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Davon sind allein 130.000 Euro als Lizenzgebühr für den Ausrichter, die Gesellschaft zur Förderung des Radsports (GFR), reserviert. Das restliche Budget geht dann für den organisatorischen Rahmen drauf – hier vor allem für Ordnungs-Personal und die erforderlichen Absperrungen.

Viel Geld für eine Stadt, die sich nach wie vor finanziell ganz schön abstrampelt und – erst recht in diesen Krisen-Tagen – mit ihrem dürftigen Etat-Überschuss haushalten muss. Einerseits. Andererseits herzlich wenig Geld für das, was sich die Marketing-Experten von der Deutschland-Tour an Image- und Tourismus-Förderung versprechen.

Im Süden rein in die Stadt, und dann ein Rundkurs zwischen Philharmonie und Zollverein

Röhrhoff sieht schon die schönsten Seiten der Stadt aus der Luft live in jene fünf Millionen TV-Haushalte flimmern, die im Schnitt jede Etappe verfolgen. Vom grünen Süden her sollen die Radsport-Profis – gut 20 Teams mit je sechs Fahrern – nach Essen einfahren und dann ab der Huyssenallee einen ca. 10 bis 15 Kilometer langen Rundkurs bestreiten. Wenn das Geld fürs Sicherheitspersonal reicht, sogar mit zwei Durchläufen. Die genaue Streckenführung, die dann auch erst das Ausmaß der Absperrungen und damit die Kosten kalkulierbar macht, soll an diesem Donnerstag in einer Arbeitsgruppe besprochen werden.

Fest steht: Das Weltkulturerbe Zollverein soll am Wegesrand liegen, damit wäre auch der Nord-Süd-Ausgleich gewahrt, zumal das Umfeld des Baldeneysee und namentlich das dortige Seaside Beach wegen eines Konzertes ohnehin als Veranstaltungsort ausfällt. Ein Rahmenprogramm, unter anderem mit einem Laufrad-Rennen für Kinder und einer mobilen Fahrradmesse, rundet das Ereignis ab.

Eine „Highlight-Veranstaltung“, die dennoch hie und da „Bauchschmerzen“ auslöst

Im städtischen Wirtschafts-Ausschuss signalisierte die Essener Politik am Dienstag schon einmal vorsichtige Zustimmung, wobei die Begeisterung zwischen der von der FDP gelobten „Highlight-Veranstaltung“ und finanziellen „Bauchschmerzen“ der SPD pendelt. Die AfD beklagte die prekäre Finanzlage des Veranstalters, die aber – sagt EMG-Chef Röhrhoff – nach zwei Corona-Jahren niemanden verwundern dürfe.

Der verbreiteten Skepsis, dass 300.000 Euro netto am Ende nicht reichen könnten, hält er den Hinweis entgegen, dass „der Veranstalter verstanden hat: Wir machen da einen Deckel drauf.“ Im Zweifel könne man immer noch im Detail justieren, und nicht wenig hänge beim Preis davon ab, ob sich als Streckenposten genügend Ehrenamtliche finden. Am kommenden Mittwoch (15. Februar) entscheidet der Stadtrat, ob Essen am 26. August in die Pedale steigt oder es überraschenderweise doch wie Stendal hält:

Hätte, hätte, Fahrradkette.