Essen-Rüttenscheid. Warum in Essen-Rüttenscheid künftig noch mehr Brötchen gebacken werden als bislang. Und was das mit dem Thema Stadtentwicklung zu tun hat.

Die südliche Rüttenscheider Straße ist weiterhin im Umbruch. Die jüngsten Leerstände sind schon wieder vom Tisch und beweisen: In Sachen Stadtteilentwicklung werden hier große Brötchen gebacken.

Schon beim Betreten des Ladenlokals strömt der Geruch von Marzipan in die Nase. „Das ist eine unserer Spezialitäten“, erklärt Birgit Heidrich, „das ist das Bittermandelaroma in unseren Waffeln, die gerade aus dem Ofen kommen.“ Am 17. Januar hat die Bäckerei und Konditorei Heidrich an der Ecke Rüttenscheider Straße/Lotharstraße ihre mittlerweile siebte Filiale eröffnet. „Alle Essener Bäcker sind in Rüttenscheid vertreten – nur wir waren es bisher nicht. Das haben wir jetzt behoben.“ Und zwar gleich doppelt – denn auch am Rüttenscheider Stern ist seit November eine Heidrich-Filiale zu finden. „Als Bäcker Schmitz erklärt hat, kürzertreten zu wollen und uns die zwei Standorte zu überlassen, haben wir sofort ja gesagt.“

Bäckerei Heidrich neu mit zwei Filialen in Rüttenscheid vertreten

Das Familien-Unternehmen, in dem mittlerweile die zweite Generation mit Sohn Tim das Sagen hat, zeigt sich begeistert vom Standort an der südlichen Rüttenscheider Straße. „Mir war gar nicht bewusst, wie viel auf der Rü los ist“, sagt Birgit Heidrich, der es besonders wichtig ist, nicht nur Backwaren anzubieten, sondern auch 23 gemütliche Sitzplätze, um Kuchen und Teilchen gleich vor Ort verzehren zu können. Dafür wurde eigens der Innenraum vergrößert. Im Sommer soll es zudem zwölf Außenplätze geben. Dann wird auch das Gerüst an der Hauswand verschwunden sein.

Borbäcker zieht in die ehemalige Schlemmermeyer-Filiale auf der Rü

Und bis dahin soll auch in den ehemaligen Räumen von Schlemmermeyer, die Ende November letzten Jahres ihren Standort in Rüttenscheid aufgegeben haben, noch ein weiterer Bäcker Einzug halten: „Borbäcker Siebers“ plant hier einen neuen Standort – Details werden gerade erarbeitet. Zu viele Bäckereien auf der Rü? „Nicht unbedingt“, sagt Rolf Krane. „Es kommt ja immer auf das Konzept an. Und ich denke, die werden sich auf der Rü gut vertragen.“ Prinzipiell ist der Vorsitzende der IG Rüttenscheid mit der Entwicklung hochzufrieden: „Es läuft also auch in diesen Lagen gut.“

Hochwertige Upcycling-Möbel statt Elektrogeräte

Barbara Battista macht sich im April mit Upcycling-Möbeln auf der Rüttenscheider Straße selbstständig.
Barbara Battista macht sich im April mit Upcycling-Möbeln auf der Rüttenscheider Straße selbstständig. © Casale Living

Ein weiteres Beispiel findet sich gleich nebenan, an der Rüttenscheider Straße 241 in den ehemaligen Räumen des Elektro-Meisterbetriebs Josten. Derzeit wird noch saniert, doch im April will Barbara Battista hier „Casale Living“ eröffnen. „Eine kleine italienische Markthalle“, die mit ihren 72 Quadratmetern „vielleicht etwas zu klein ist, um sie als Conceptstore zu bezeichnen“, wie Battista schmunzelnd erläutert.

Das Konzept setzt auf Upcycling, Kreidefarben und alte Möbel, die die 41-Jährige in Dänemark, Italien, Belgien und Frankreich ersteht und dann umgestaltet. „Die Möbel sind hochwertig und haben eine tolle Qualität, so wird heute gar nicht mehr gearbeitet. Aber Braun kommt als Farbe bei jungen Leuten einfach nicht so gut an. Deshalb verbinde ich Modernes und Altes.“ Das Ziel: Urlaubsatmosphäre für zuhause. Und wie so oft ist der Name quasi Programm: Casale bedeutet übersetzt Landhaus.

Workshops voraussichtlich ab Herbst

Und Möbel sind erst der Anfang: Langfristig will Battista die ganze Palette des Interior Designs anbieten, inklusive Oberböden und Tapeten. In der ehemaligen Backstube im Hinterhof steht ihr zudem wahrscheinlich ab Herbst die untere Etage für Upcycling-Workshops zur Verfügung.

Gelernt hat sie all das nicht. Bis zur Geburt ihres Kindes vor vier Jahren war sie als freiberufliche Maklerin unterwegs. „Die Liebe zu alten Möbeln habe ich von meiner Mutter. Ich mache also quasi mein Hobby zum Beruf.“ Im Sommer vergangenen Jahres ist sie ihre Idee erstmals konkret angegangen. Pläne für Geschäftsräume in einer Scheune in Kettwig allerdings haben sich zerschlagen.

Nun also Rüttenscheid. Eine Entscheidung, mit der Battista letztlich mehr als glücklich ist – schließlich ist der Stadtteil für sie eine zweite Heimat. „Ich wurde in Apulien geboren und bin 1992 mit meiner Familie nach Essen gekommen. Meine Eltern hatten eine Pizzeria auf der Rü. Ich bin hier gut vernetzt, gerade unter den italienischen Gastronomen. Ich liebe Rüttenscheid. Der Stadtteil ist für mich wie ein Zuhause.“ Ein Zuhause, das Battista jetzt aktiv mitgestaltet.