Essen-Holsterhausen. 5000 Euro Preisgeld gehen mit dem Engagementpreis NRW an das Fachgeschäft für Stadtwandel in Essen-Holsterhausen. Was mit dem Geld passiert.
Der mit 5000 Euro dotierte Engagementpreis NRW geht in diesem Jahr nach Holsterhausen: Das Fachgeschäft für Stadtwandel an der Gemarkenstraße wurde mit dem Jurypreis 2022 ausgezeichnet. Insgesamt hatten sich 219 Projekte um die Auszeichnung beworben, die in diesem Jahr unter dem Motto „Für Engagement begeistern“ stand.
Zwölf Vorhaben kamen schlussendlich in die engere Auswahl und wurden in den vergangenen Monaten auf der Plattform engagiert-in-nrw.de vorgestellt – das Fachgeschäft machte im Januar den Anfang. Mit der damaligen Nominierung verbunden: eine Anerkennung in Höhe von 1000 Euro. Und jetzt also der Jurypreis. Geld, das das gemeinsame Stadtteilprojekt der Initiative für Nachhaltigkeit, des Runden Tisches Holsterhausen und des Vereins Standpunkt, ein Träger der Jugendhilfe, gut gebrauchen kann, wie Simon Knur aus dem Vorstand berichtet: „Im Ehrenamt ist das Geld immer knapp. Und auch wir schlagen uns schließlich mit der Energiepreiserhöhung herum.“
Ideen für das Preisgeld: Fahrrad-Rikscha und LED
Ein Großteil des Preisgeldes soll vor allem in die Professionalisierung des Ladenlokals fließen, nicht zuletzt, um auch Auflagen für den Café-Betrieb erfüllen zu können. Knur: „Wir haben mit einer Ikea-Küche begonnen und sind mittlerweile bei einer Edelstahlplatte angekommen. Das sind Kleinigkeiten, die vielleicht gar nicht so auffallen, die jedoch wichtig für einen geregelten Weiterbetrieb sind.“
Feier im Stadtteil
Das Fachgeschäft für Stadtwandel möchte die Verleihung des Engagementpreises NRW gemeinsam mit der Nachbarschaft feiern – und verbindet das Ganze mit einem Fest zum vierten Geburtstag des Projektes. Und zwar am heutigen Freitag, 9. Dezember, ab 15 Uhr. Das Programm:
15-17 Uhr Kinderprogramm
16.30-17.30 Uhr Modenschau mit Second Hand Mode
19 Uhr Musik mit dem Aramic Ensemble
20.30 Uhr Benno Justfelder mit Band
Der Eintritt ist frei.
Sylvia Schochow hat 2021 die Bewerbung um den Engagementpreis eingereicht und ergänzt: „Es gibt aktuell einige Denkanstöße. Wir möchten beispielsweise eine Fahrrad-Rikscha anschaffen, um einen Fahrservice für ältere Menschen anbieten zu können. Außerdem sind wir dringend auf der Suche nach einer Garage in der Nähe des Ladenlokals, um unsere Lastenräder, die wir im Quartier kostenfrei zur Verfügung stellen, unterbringen zu können.“ Und dann soll eigentlich auch noch der komplette Laden auf LED umgestellt werden, um langfristig Energie zu sparen.
Was schlussendlich konkret mit dem Geld geschieht, werde – wie immer im Fachgeschäft – gemeinsam im Team besprochen. Sicher ist: Es wird auch gefeiert, vor Ort und gemeinsam mit den Menschen im Stadtteil. Denn die Auszeichnung kommt zu einem besonderen Zeitpunkt: Das Fachgeschäft für Stadtwandel eröffnete am 7. Dezember 2018, feiert also mittlerweile seinen vierten Geburtstag. „Und damals“, so Knur, „haben alle geglaubt, dass wir nicht länger als ein Jahr machen“.
„Wohnzimmer für den Stadtteil“
Mit acht Leuten ist man seinerzeit gestartet, mittlerweile besteht der feste Kern aus rund 70 Aktiven, die auf gut 240 Quadratmetern einer ehemaligen Schlecker-Filiale einen „geschützten Raum“ für die Menschen aus der Nachbarschaft geschaffen haben. Einen „Netzwerkknoten für den Stadtteil“, wie es Martina Nies von der Initiative für Nachhaltigkeit formuliert, die als Träger des Fachgeschäftes fungiert. Knur nennt es schlicht eine „Mischung aus Wohnzimmer für den Stadtteil, Lagerhalle und Arbeitsfläche“, multikulturell, offen und nicht-kommerziell ausgerichtet.
Café, Secondhand-Kleiderverkauf, Foodsharing und Fahrradwerkstatt sind mittlerweile fest in Holsterhausen etabliert; das Ladenlokal fungiert zudem als Treffpunkt für Vereine und Initiativen. Knur: „Gerade Corona hat noch einmal gezeigt, wie wichtig das Thema Einsamkeit in unserer Gesellschaft heute ist. Und genau hier versuchen wir ein vielfältiges Angebot vorzuhalten. Bei uns ist jeder willkommen, auch um einfach nur einen kostenlosen Kaffee zu trinken, damit er oder sie nicht allein ist.“
Ein Aspekt, den auch Staatssekretärin Andrea Milz in ihrer Laudatio am vergangenen Montag noch einmal betonte. Es sei der Jury ein besonderes Anliegen gewesen zu honorieren, wie viel Engagement in einer Großstadt möglich sei. „Ob im sozialen, kirchlichen, kulturellen, sportlichen, politischen Bereich oder im Naturschutz und bei den Feuerwehren und Rettungsdiensten – wir brauchen diese engagierten Menschen. Sie verdienen unsere besondere Anerkennung und Wertschätzung.“
Wertschätzung der Arbeit vor Ort
Auch Knur hebt dies noch einmal hervor: „Wir verstehen den Preis – vollkommen unabhängig vom Geld – vor allem als Wertschätzung, denn er beweist, dass das, was wir machen, wichtig ist, dass dieser Ort wichtig ist.“ Dass die Anerkennung dabei unmittelbar auf Landesebene erfolge, sei ein entscheidendes Argument, nicht zuletzt, „wenn die nächsten Gespräche um Finanztöpfe anstehen“.
Zugleich hofft er, dass die Auszeichnung auch deutliche Signalwirkung in Stadt und Nachbarschaft habe. Denn nicht bei allen Menschen im Viertel stoße das Konzept des Fachgeschäftes auf ungeteilte Zustimmung. Stichwort: Parklet. „Wenn das Land unsere ehrenamtliche Arbeit zu schätzen weiß und Initiativen wie das Parklet als Pionierleistung würdigt, dann sollte das auch in der Stadt Essen und in unserem unmittelbaren Umfeld möglich sein. Solange jedoch ein Parkplatz wichtiger ist als Ruhezonen für Menschen, nützt uns selbst ein Schaufenster voller Preise wenig.“
Tatsächlich könnte es in absehbarer Zukunft nach dem Engagementpreis NRW 2022 und dem Nachbarschaftspreis NRW 2019 vielleicht schon eine weitere Auszeichnung für das Holsterhauser Projekt geben: Die Preisträger des Engagementpreises NRW sind automatisch für den Deutschen Engagementpreis 2023 nominiert, der im Dezember des kommenden Jahres in Berlin verliehen wird.