Essen. Fünf Wochen lang hat Michael Albrecht heimische Polizeikräfte in einem Bundeswehr-Camp in Afghanistan ausgebildet. Normalerweise versieht der 49-Jährige seinen Dienst im Essener Norden. Der Auslandseinsatz war vor allem mit Rücksicht verbunden - auch auf Gebetspflichten.

Normalerweise versieht Polizeihauptkommissar Michael Albrecht (49) seinen Wach- und Wechseldienst als Dienstgruppenleiter im Essener Norden (PI 1, Altenessen und Borbeck). Seine Behörde, das Essen-Mülheimer Polizeipräsidium, hat er allerdings gerade für mehr als fünf Wochen nicht gesehen. Albrecht war in Afghanistan, um dort die heimische Polizei für ihre Arbeit fortzubilden.

Es war nicht der erste Auslandseinsatz für Albrecht, der an fremden Ländern und Kulturen großes Interesse hat. 2000 war er schon einmal für ein ganzes, langes Jahr in Bosnien. Fünfeinhalb Wochen sind da schon familienfreundlicher, so fiel ihm der Entschluss, als „Kurzzeitexperte” nach Masar el Sharif, dem Hauptsitz der Bundeswehr, zu gehen und im dortigen Police-Training-Center zu arbeiten, nicht so schwer. Die NRW-Polizei trägt mit ausgewählten Beamten dazu bei, den Aufbau der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan zu unterstützen. Etwa 60 deutsche Polizisten, schätzt Albrecht, sind in Masar el Sharif ständig vor Ort.

Minenkunde und Ausbildung in Erster Hilfe

Vor dem Abflug stand allerdings die Vorbereitung: Auf einem mehrwöchigen Seminar wurde Michael Albrecht bei der Bundespolizei und der Bundeswehr nicht nur in der Landeskunde geschult, bis er als Polizeilehrer selbst afghanische Kräfte unterrichten konnte. Das Sturmgewehr G36, Standard bei den Soldaten, bekommt ein deutscher Polizist nämlich normalerweise nicht in die Hand. Genauso wenig, wie er Minenkunde lernt oder im Kriegsgebiet zu überleben, falls er das schützende, gepanzerte Fahrzeug doch mal verlassen muss. Auch eine intensive Ausbildung in Erster Hilfe gehörte dazu, berichtete Albrecht.

Raus aus dem Bundeswehrcamp kam er dann – aus Sicherheitsgründen – so gut wie gar nicht. Die Fahrt zum wenige hundert Meter entfernten Police-Training-Center, wo die afghanischen Kräfte geschult wurden, musste stets in gepanzerten Autos zurückgelegt werden. Vor Ort, im Bundeswehr-Camp, berichtet Albrecht , habe er sich stets „sehr, sehr sicher gefühlt”.

"Öffentliches Leben als reine Männerwelt"

Bei einer Fahrt durch die afghanische Stadt Masar fiel dem Polizisten zuallererst der für deutsche Augen höchst chaotische Straßenverkehr auf: „Da gibt es eigentlich gar keine Ordnung. Jeder fährt, wie er will,” war Michael Albrechts Eindruck. Das öffentliche Leben zeigte sich als reine Männerwelt. Frauen waren nur voll verschleiert in der Burka zu sehen. Und in der Stadt erlebte Michael Albrecht viel Armut, aber eben auch Wohlstand. „Wer etwa als Übersetzer arbeiten kann, der verdient ganz ordentlich.”

Die 35 Männer zwischen 19 und 44 Jahren, die Albrecht mit zwei weiteren Kollegen zu schulen hatte, waren eine Spezialeinheit der Polizei, die etwa bei Anschlägen, Demonstrationen oder an den Grenzen eingesetzt wird. „So etwas zwischen Einsatzhundertschaft und SEK”, erklärt Albrecht. Eingrifftechniken, Einsatztaktik und vor allem die Eigensicherung gehörten zu den Lernzielen. Wie man Personen und Gebäude durchsucht, Kontrollpunkte aufbaut, ohne sich selbst dabei in Gefahr zu bringen, bekamen die afghanischen Kollegen vermittelt. Das war auch nötig, denn die Männer leben im Beruf gefährlich, zeigten Al­brecht manche verheilte Schussverletzung. Viele Kräfte überleben ihre Einsätze nicht, hat Albrecht erfahren. Dass ein Polizeieinsatz mit der Arbeit als Team steht oder fällt, versuchte er mit seinen Kollegen ‘rüberzubringen.

"Vor dem Mittagsgebet konnten wir nicht anfangen"

Dolmetscher übersetzten die Erklärungen der Deutschen in die Landessprachen Paschtu und Dari. „Das war schon ein langwieriges Unterfangen,” sagt Albrecht. Frontalunterricht kam übrigens nicht so gut an bei den Afghanen, sie wollten lieber aktiv üben. Auch, dass die Gebetspflichten der gläubigen Muslime in den Arbeitstag mit eingebaut werden mussten, war neu für ihn: „Vor dem Mittagsgebet um zwei Uhr konnten wir nicht anfangen.”

Michael Albrecht fühlt sich durch seinen Einsatz in Afghanistan bereichert, wenn auch der Kontakt zur Außenwelt dort eher eingeschränkt war. Zurück in seinem Revier, auf den Straßen im Essener Norden, bleibt als persönliche Erfahrung: „Man erkennt schon, wie gut man es hier eigentlich hat.” Einen weiteren Einsatz in Afghanistan könnte er sich in Zukunft durchaus vorstellen. Aber da haben die Ehefrau und die Tochter sicher noch ein Wort mitzureden, die froh sein dürften, den Mann und Vater endlich wohlbehalten zurückzuhaben.